Wie im Paderborner Land Windräder zur Geldquelle für Bürger werden

Lichtenau. In Lichtenau haben sich Grundstückspreise von 2016 bis heute teilweise verdreifacht. Zeitgleich ist die Zahl der Windräder immer weiter gewachsen. Dem Ruf der Kommune haben die weißen Riesen offenbar nicht geschadet. NRWs Windhauptstadt will nun sogar selbst weitere Flächen für Anlagen ausweisen - Positivplanung heißt so etwas und geht noch über die von der Bezirksregierung erwarteten Zonen hinaus. Aber würden auch die Menschen vor Ort davon profitieren? Im Gespräch mit der &bdquo;NW“ verraten Planer und Beteiligte ihre Strategie - und Zahlen. In Kleinenberg kennt Lichtenaus parteilose Bürgermeisterin Ute Dülfer alles und jeden. Sie kennt auch das Rumoren in ihrem Heimatort in den vergangenen Wochen. Es wurden Unterschriften gesammelt gegen eine geplante Windkraftzone, wo fünf bis sieben Anlagen gebaut werden könnten. Kleinenberg ist bislang nicht &bdquo;vorbelastet“. Dort gehen die Blicke noch in eine freie Landschaft, auch Lärm und Blinklichter stören nicht. Das könnte sich ändern. Doch Dülfer sieht genügen Argumente auf ihrer Seite. Lichtenau trägt seit 2021 den Namenszusatz &bdquo;Energiestadt“. Das Label sei kein Marketinggag, darauf legt die Bürgermeisterin beim Treffen im Rathaus großen Wert: &bdquo;Wir wollen weiter regenerative Energie erzeugen, denn wir haben beste Voraussetzungen. Windkraftzonen sind unsere Gewerbegebiete.“ 166 Windriesen drehen sich derzeit im weiträumigen Stadtgebiet mit seinen 15 Orten. Aktuell laufen die Planungen zur Ausweisung von fünf neuen Gebieten mit einer Fläche von knapp 300 Hektar. Bislang stehen 1.660 Hektar zur Verfügung. Im April soll es eine Bürgerversammlung geben. Läuft alles glatt, könnten die neuen Anlagen frühestens Ende 2027 gebaut werden. Lichtenaus Grundsteuer wäre deutlich höher Dülfer hat den Stadtrat hinter sich und in der Bürgerschaft regt sich öffentlich wenig Unmut. Die Kleinenberger Initiative wird im Rathaus jedoch wahrgenommen. Aber auch sie will die Bürgermeisterin einfangen: &bdquo;Wenn wir die Einnahmen aus der Windkraft nicht hätten, sähe es in der Stadt ganz anders aus. Dann könnten wir keine freiwilligen Leistungen mehr anbieten.“ Dazu zählen für Kommunen etwa die Förderung von Vereinen und die Schaffung von Freizeit- und Kulturangeboten. Lesen Sie auch: Lichtenau plant neue Flächen für Windräder Katrin Richters ist in der Stadtverwaltung für fast alle Windkraftfragen zuständig. Sie hat berechnet: &bdquo;Die Grundsteuer A und B wäre etwa dreieinhalb Mal so hoch, wenn wir die Einnahmen der Windenergie nicht hätten.“ Heißt: Für alle Bürger würde es teurer. Zur Gewerbesteuer trugen die Windräder im Jahr 2024 rund 5,7 Millionen Euro bei, 53 Prozent des Gesamtaufkommens. Zusammen mit Abgaben, Pachten, Provisionen und Zinsen wurden sogar 6,8 Millionen Euro ins Stadtsäckel geweht. 2028 könnten es sogar 7,5 Millionen sein, so zumindest die Planung. Dann sollen auch die eigenen sechs Windräder der Stadtwerke jährlich 450.000 Euro Gewinn abwerfen. 30 Millionen Euro hat die städtische Tochter einst investiert, 2016 gingen sie in Betrieb. &bdquo;Sie sind kein Selbstzweck“, sagt Georg Wigge, der Chef der Stadtwerke. &bdquo;Wir können durch die Einnahmen den Trinkwasserpreis für alle Bürger niedrig halten. Seit dem Start haben wir eine fast siebenstellige Summe dafür verwendet.“ Lichtenau plant Zukunftsprojekt mit Wasserstoff Wigge und Dülfer haben noch mehr vor für ihre Stadt. Sie forcieren den Windkraftausbau auch wegen eines Zukunftsprojekts: dem &bdquo;schlafenden Riesen“. Netzbetreiber Westfalen Weser will in Lichtenau eine Anlage zur Wasserstofferzeugung bauen, den Windstrom nutzen und eine dicke sechs Kilometer lange Rohrleitung - den schlafenden Riesen - als Wasserstoffspeicher verwenden. Kommt es wie geplant, könnte Lichtenau nicht nur bundesweit in aller Munde sein - auch Bürger sollen erneut profitieren. Vorgesehen ist, eine Nahwärmeversorgung für die Kernstadt aus dem Projekt abzuzweigen. Die zusätzlichen Windräder, so Dülfer, sollen helfen, genug Strom zu produzieren, um den aktuell geplanten Zehn-Megawatt-Elektrolyseur sogar noch zu erweitern. In der 12.000-Einwohner-Kleinstadt wird groß gedacht. Auch interessant: Wasserstoff-Zukunft für OWL wird im Kreis Paderborn gemacht Proteste hat das Projekt bislang nicht ausgelöst. Das war auch in Lichtenau mal anders. Es gab heiße Debatten ums Für und Wider der Windkraft. Nach 2015 wurde es aber ruhiger. Dafür gesorgt hat wohl auch die Bürger- und Energiestiftung. Ihr Vorsitzender, Unternehmer Reinhard Piepenbrock, erzählt von deren Gründung 2016 und von mehr als 220 bewilligten Projekten mit einer Gesamtfördersumme von über einer Million Euro. Möglich gemacht durch Spenden der Windkraftanlagenbetreiber. Mehr als 80 Prozent der Anlagenbetreiber aus dem Stadtgebiet seien freiwillig dabei. Unterstützt werden neben Vereinen (Fahrten, Gebäude, Instrumente) auch Stiftungsvorhaben wie der Bürgerbus, die Kulturreihe &bdquo;3 für 15“ oder Schulaktionen. Piepenbrock verrät nicht ohne Stolz: &bdquo;Zehn Kommunen aus unserer Umgebung haben sich schon erkundigt, wie die Arbeit der Stiftung funktioniert.“ Als langfristige Kapitalanlage hat die auf Ewigkeit angelegte Stiftung auch die neue Rettungswache in Lichtenau gebaut. Mona Neubaur war schon zweimal in Lichtenau In der Energiestadt, das wird im Gespräch mit der Bürgermeisterin klar, wollen die Macher aus dem Bild der &bdquo;verspargelten Landschaft“ eine positive Erzählung entwickeln - mit Windrädern als Gelddruckmaschinen für die Region. Der Landesregierung gefällt’s: Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) war schon zweimal da. Für Ute Dülfer bleibt genug zu tun. Auf ein Thema werde sie immer wieder angesprochen, gibt sie zu: vergünstigter Strom für alle Lichtenauer. Zuletzt hat ein Betreiber mit einem Stromanbieter einen Rabatt ausgehandelt, das Kontingent für 24,8 Cent war jedoch begrenzt. Ute Dülfer will mehr. Sie will anschieben: &bdquo;Wir führen Gespräche, um Lösungen zu finden.“ Die Grundstücke würde das wohl noch attraktiver machen. Zum Thema: Kehrtwende bei Windkraft-Wildwuchs in NRW: Jetzt gibt es eine Lösung

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