KZ Niederhagen bei Büren: Krematorium bleibt ein Denkmal

Büren/Minden. Nur ein in den Boden eingelassenes Mahnmal erinnert daran, dass sich am Pappelweg im nordöstlichen Zipfel des Waldstücks zwischen Wewelsburg und Niederntudorf sechs Jahre lang ein Konzentrationslager der SS befand. Jetzt wurde die traurige Geschichte dieses heute weitgehend wirtschaftlich genutzten Geländes vor dem Verwaltungsgericht Minden wieder lebendig. Im Mittelpunkt der Klage eines Grundbesitzers und Betriebsinhabers stand das ehemalige Lagerkrematorium. 586 Leichen von zuvor gequälten, gefolterten, ausgehungerten Menschen, denen die Nazis das Menschsein aberkannten, wurden in dem rund neunmal zwölf Meter großen Gebäude verbrannt. Deshalb hatte es die Stadt Büren auf Antrag des Kreismuseums Wewelsburg 2023 in die Denkmalliste eintragen lassen, in der bislang nur die Häftlingsküche stand. Gegen die Eintragung wehrte sich jetzt der 65-jährige Eigentümer von Boden und Gebäude, das einer Fabrikhalle gleicht, mit einer Klage vor dem Verwaltungsgericht Minden. Erfolglos: Die Klage wurde am Montag abgewiesen. Aber die fünfköpfige 9. Kammer schien selbst nicht recht zufrieden zu sein mit dem zu fällenden Urteil. Mehrfach wurde in der dreistündigen Verhandlung angesprochen, dass es zum Problem noch keine wegweisenden Urteile der Oberverwaltungsrichter gebe. Dem Kläger bleibt nun der Weg dazu nach Münster. Lesen Sie auch: Sieben Jahre Haft und Qualen im KZ Niederhagen bei Büren wegen des Glaubens Schornstein und Verbrennungsofen gibt es schon Jahrzehnte nicht mehr Vordergründig ging es um die Frage, ob sich das Gebäude noch in einem Zustand befindet, aus dem sich – so will es das Denkmalschutzgesetz NRW – der schützenswerte Zweck des Gebäudes ablesen lässt. Der Kläger verneint dies. Der Schornstein sei schon bald nach Kriegsende abgerissen worden, auch den Verbrennungsofen gebe es schon Jahrzehnte nicht mehr. Das Haus habe verschiedensten Zwecken gedient, unter anderem als Flüchtlingsunterkunft, als Tierfarm und als Werkshalle. Die Wände seien mehrfach renoviert worden, nur der Dachstuhl stamme aus der Bauzeit 1941/42. Auch der damalige Fußboden sei unter zumindest einer starken Estrichschicht verschwunden. .responsive23-IOvmypFY7RKwrm7d-map-0512-bueren-kz-niederhagen { width: 100%; padding-top: 100%; } @media (max-width: 600px) { .responsive23-IOvmypFY7RKwrm7d-map-0512-bueren-kz-niederhagen { padding-top: 100%; } } @media (max-width: 360px) { .responsive23-IOvmypFY7RKwrm7d-map-0512-bueren-kz-niederhagen { padding-top: 142.86%; } } Die Denkmalbehörde beim LWL und die beklagte Stadt Büren halten dem nicht nur entgegen, dass die Historie des Ortes so wichtig sei, dass das Gebäude zumindest erhalten bleiben müsse. Es habe auch über die Funktion als Mahnmal für heutige und künftige Generationen an die Verbrechen jener Zeit hinaus wissenschaftlichen Wert. Unter dem Boden könnten wichtige Quellspuren sein Diplom-Ingenieurin Barbara Schulz, seit 2001 mit Bewertung und Erhalt historischer Bausubstanz gerade aus der Nazizeit befasst, sah diesen Wert als sehr hoch an. Mit der Erlaubnis zum Abriss würde ein für alle Mal viel verloren gehen. Auch ohne Schornstein und Ofen - trotz erneuerten Dachs und verputzter Wände - sei es wahrscheinlich, dass sich durch Freilegung des ursprünglichen Bodens insbesondere im Bereich des Schornsteinfundaments wichtige Quellspuren für die wissenschaftliche Forschung ergeben, nicht nur für das Lagerkrematorium hier, sondern durch Vergleiche mit Erkenntnissen aus anderen Orten für die KZ-Forschung insgesamt. Diese Chance zumindest dürfe nicht endgültig zerstört werden, fand auch die 9. Kammer unter Vorsitz von Christoph Schewe und regte einen Kompromiss an. Dabei nahm sie die Normen für den Schutz von Bodendenkmalen zum Vergleich. Dort gelte auch dann der Denkmalsschutz, wenn das Objekt verborgen sei, aber wichtige Erkenntnisse verspreche. Das Baudenkmalsrecht forderte dagegen Ablesbarkeit des historischen Werts. Mit Blick auf den überbauten Fußboden könne man von einem &bdquo;vermutlichen, versteckten Baudenkmal im Boden“ sprechen, brachte es der Kammervorsitzende auf einen Nenner. Von mehreren Varianten hielt die Kammer eine Regelung für praktikabel, die dem Eigentümer sein Recht ohne Listeneintrag lässt, ihn aber vor Verkauf oder Abriss zum Einvernehmen mit der Denkmalbehörde verpflichtet, die dann sechs Monate Zeit haben solle, um ihre Vermutung zu verifizieren. Bauforscherin Schulz begrüßte eine solche Lösung, auch die Stadt Büren war kompromissbereit. Nicht aber der Kläger, der auf einem Urteil bestand. Mit der Abweisung seiner Klage hat er den Rechtsstreit um Baurecht kontra Denkmalschutz nicht völlig verloren. Ihm bleibt der klärende Gang vors OVG. Auch interessant: Emotionale Gedenkfeier für Opfer des KZ Niederhagen Zeitzeugen konnten sich noch an den Geruch der Verbrennung erinnern 3.900 Häftlinge aus vielen Ländern, auch Deutsche, haben die SS-Schergen in dem kleinen KZ Niederhagen gequält. Das Lager war bis zur kurzen Selbstständigkeit ab dem 24. Oktober 1941 erst Außenlager des KZ Sachsenhausen, ab April 1943 Außenlager des KZ Buchenwald. Am 2. April 1945 trafen amerikanische Soldaten auf noch 49 Häftlinge. 1.285 Menschen sind hier meist unter unmenschlicher Behandlung gestorben. Zunächst wurden die Toten nach Dortmund oder Bielefeld gebracht, wo sie von Standesbeamten unter verschleiernden Todesangaben registriert wurden. So weit reichte die Gesetzesverpflichtung für die ansonsten skrupellosen Nazis. Doch die ungewöhnlichen Totenzahlen und die Mehrarbeit sowie die befürchtete Auffälligkeit durch häufige Transporte, ließen die KZ-Planer das Lagerkrematorium bauen. Zeitzeugen aus dem Ort konnten sich noch an den süß-säuerlichen Geruch der Verbrennung erinnern. 586 Leichen – das lässt sich durch das gemeindliche Standesregister nachvollziehen – aus dem Lager sind hier verbrannt worden. In diesem Verfahren 80 Jahre nach Ende des Krieges und des Lagers spielte es keine Rolle, dass Angehörige und Nachfahren der hier in Niederhagen unfreiwillig Gestorbenen einen wichtigen Platz für ihr Gedenken verlieren könnten – denn auch Urnengräber gibt es ja nicht.

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