Als Ostern die Wewelsburg im Kreis Paderborn brannte

Büren-Wewelsburg. Nachdem die SS seit 1934 dem Leben in Wewelsburg ihren gewalt(vor-)bereitenden Stempel aufgedrückt hatte, verschwand sie Ende März 1945 innerhalb eines Wochenendes aus dem Dorf. Sie hinterließ nicht nur verängstigte KZ-Häftlinge und Dorfbewohner, sondern auch eine zerstörte Burg und zwei zerstörte Nebengebäude. Wie sich die Ereignisse zwischen Karfreitag und Ostermontag vor 80 Jahren abgespielt haben, darüber hat der stellvertretende Leiter des Kreismuseum Wewelsburg, Markus Moors, nun geschrieben. Moors berichtet davon, dass sich am Karsamstag des Jahres 1945 der Burghauptmann Siegfried Taubert schon nicht mehr in Wewelsburg befand. Der Architekt Anton Knickenberg, der seit 1940 Mitarbeiter in der Wewelsburger SS-Bauleitung war, berichtete 1979 in einem Gespräch mit Professor Karl Hüser, dass Taubert am Vormittag des Karfreitags die Angehörigen von Burgmannschaft und Bauleitung sowie deren Familien aufgerufen habe, sich im Stabsgebäude zu sammeln, um sich dann gemeinsam &bdquo;in den persönlichen Schutz des Reichsführers nach Mitteldeutschland“ zu begeben. Durch Panzer- und Luftalarme verzögert, habe der Aufbruch erst am späten Nachmittag stattgefunden. Die Nacht von Karfreitag auf Karsamstag verbrachte die Kolonne in Paderborn. Beim dortigen Kampfkommandanten traf Taubert auf den SS-Hauptsturmführer Heinz Macher (1919 – 2001). Der hatte tags zuvor im uckermärkischen Prenzlau von Himmler persönlich den Befehl erhalten, sich mit einem kleinen Kommando nach Wewelsburg durchzuschlagen und das Schloss dem Erdboden gleich zu machen. Macher sagte später aus, Taubert habe auf diese Information hin fassungslos gesagt: &bdquo;Sie wollen meine Burg sprengen? Das dürfen Sie nicht tun.“ Macher antwortete: &bdquo;Befehl ist Befehl.“ Gemeinsam mit dem Sprengkommando fuhr Knickenberg mit Tauberts Erlaubnis nach Wewelsburg zurück. Nazis hatten zu wenig Sprengstoff dabei In Wewelsburg angekommen, stellte Macher fest, dass er zu wenig Sprengstoff dabeihatte, um das ihm bis dahin völlig unbekannte Schloss vollständig zu zerstören. Er konzentrierte die Ladungen deshalb auf die beiden südlichen Ecktürme, das Wach- und das Stabsgebäude. Zuvor schickte Macher seine Männer durch das Schloss, um in vielen Räumen Gardinen und andere brennbare Stoffe zu entzünden. Wahrscheinlich rettete das unfertige, stumpfartige Aussehen des halb abgerissenen Nordturms den darin befindlichen &bdquo;Obergruppenführersaal“ im Erdgeschoss und die Gruft im Kellergewölbe vor der Zerstörung. Mehr Infos zum Erinnerungsort: Die Wewelsburg im Kreis Paderborn feiert 100 Museumsjahre Zum Schutz des Dorfes will Macher vor der Auslösung der Sprengungen die Wewelsburger Feuerwehr herbeigerufen haben. Er verbot ihr aber strikt, die Feuer in den drei SS-Gebäuden zu löschen. Auch der katholische Pfarrer des Dorfes, Franz-Josef Tusch (1883 – 1971), reklamierte für sich, durch das Läuten der Feuerglocke die örtlichen Brandschützer vorsorglich zur Wewelsburg gerufen zu haben. Die Pfarrkirche St. Jodokus war seit 1939 im Besitz der SS, konnte aber trotzdem für die katholischen Gottesdienste benutzt werden. Bis auf stärkere Beschädigungen am Dach des Langschiffs und des Turmes sowie zahlreiche zerstörte Fenster blieb das Gotteshaus in seiner Substanz ohne Beeinträchtigungen. Am stärksten getroffen war das Stabsgebäude, dessen Ruine 1957 vollständig abgerissen wurde. Im näher zum Schloss hin gelegenen Wachgebäude konnte 1948 ein katholisches Heim für elternlose Flüchtlingsjungen eingerichtet werden, das allerdings bereits 1952 wieder geschlossen wurde. Wewelsburger hängen weiße Fahnen aus den Fenstern Von 1953 bis in die 1970er-Jahre diente das Wachgebäude als Altenheim, bevor es der Kreis Paderborn zur Einrichtung der Dokumentation &bdquo;Wewelsburg 1933–1945. Kult- und Terrorstätte der SS“ (eröffnet 1982), dem Vorläufer der heutigen Dauerausstellung von der katholischen Kirche ankaufte. Nach der Flucht Tauberts und vieler anderer SS-Männer am Karfreitag hatten zahlreiche Wewelsburgerinnen und Wewelsburger weiße Tücher aus den Fenstern gehängt, um den anrückenden US-amerikanischen Truppen die Bereitschaft zur kampflosen Übergabe des Dorfes zu signalisieren. 1995 betonte Macher, dass die Befehle für diesen Fall eindeutig vorsahen, die Bewohner der beflaggten Häuser, den Bürgermeister und den Ortsgruppenleiter zu erschießen. In Wewelsburg kamen am späten Karsamstag-Nachmittag nach der Flucht der SS immer mehr Menschen vor dem Schloss zusammen: Einwohnerinnen und Einwohner sowie bisherige Zwangsarbeiter aus Wewelsburg und den benachbarten Dörfern und Insassen des Umsiedlungslagers, das die SS-Institution &bdquo;Volksdeutsche Mittelstelle“ seit 1943 auf dem Gelände des vormaligen Konzentrationslagers Niederhagen betrieben hatte. Passend zum Thema: Besonderer Foto-Fund zeigt Paderborn in den Trümmern der Nachkriegszeit Wewelsburg geht in Flammen auf und brennt vollständig aus Gemeinsam drangen sie in das noch brennende Gebäude ein, das der Öffentlichkeit seit zehn Jahren versperrt gewesen war. Bis zum Morgen des Ostersonntags sollen laut Wewelsburger Gemeindechronik die Plünderungen angedauert haben. Danach ging die Wewelsburg ein zweites Mal in Flammen auf und brannte nun völlig aus. Es ist unklar, wie viele der damals mitgenommenen Einrichtungsgegenstände des geplanten exklusiven Versammlungsortes der SS-Gruppenführer auch heute noch existent sind. Am Ostermontag trafen US-amerikanische Truppen im Industriehof des Niederhagener Lagergeländes auf die 42 Häftlinge des KZ-Restkommandos, von denen 40 zur Inhaftiertengruppe der Zeugen Jehovas gehörten. Damit war das endgültige Ende der SS-Präsenz in Wewelsburg gekommen. Zu welchem Zeitpunkt sich die Wachleute aus den Reihen der SS aus Wewelsburg entfernt haben, konnte allerdings bislang nicht geklärt werden.

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