Altenbekens Bürgermeister: "Wir wollen Windkraft nicht verhindern, aber mitsteuern"

Herr Möllers, Sie sind seit 2020 Bürgermeister der Gemeinde Altenbeken. Die ersten zwei Jahre Ihrer Amtszeit waren stark von der Pandemie und später auch vom Ukrainekrieg geprägt. Wie sehr hat das den eigentlichen Arbeitsablauf in der Verwaltung und auch die Umsetzung Ihrer gesteckten Ziele erschwert? Zu meinem Start war die Coronawelle auf dem Höhepunkt und hat schon alle Prioritäten auf sich gelenkt. Wir haben dann ein Testzentrum hier etabliert und es teilweise mit eigenem Personal auch betrieben. Auch eine große Impfaktion haben wir hier organisiert. Andererseits war es natürlich relativ ruhig, weil man keine Außentermine hatte. So konnte ich mich anfangs auch gut auf die Verwaltungsarbeit konzentrieren. Aber das Rathaus war auch sehr leer, viele waren im Homeoffice – das war schon sehr speziell. Gut, dass es dann ab 2022 vorbei war. Ein neuer Bürgermeister will auch viel bewirken. Was konnten Sie bisher umsetzen oder ins Laufen bringen? Ich habe schnell gemerkt, für viele Maßnahmen braucht man auch eine gewisse Geduld. Aber manches ging auch relativ schnell. Zum Beispiel der neue DRK-Kindergarten in Schwaney. Als ich anfing kamen die neuen Anmeldezahlen, da war klar, dass wir mehr Platz benötigen, obwohl wir erst den Waldkindergarten in Altenbeken eröffnet hatten. Früh habe ich auch das Thema Baugebiete angepackt, das ist mir sehr wichtig. Wir haben relativ schnell Fortschritte gemacht zwischen Sportplatz und Schule. Vor ein paar Wochen haben wir die letzte Fläche erwerben können und haben ein großes zusammenhängendes Baugebiet, das wir bald entwickeln können. Auch in Schwaney sind wir auf einem guten Weg, ein etwas kleineres Baugebiet zu bekommen – da sind aber noch Gespräche nötig. In Altenbeken sind die Schulden auf über 23 Millionen Euro gestiegen. Viele andere Kommunen generieren aktuell sehr hohe Gewerbesteuereinnahmen. Wie kann Altenbeken attraktiver für Unternehmen werden? Im Jahresabschluss 2022 haben wir die Schulden schon wieder senken können. Aber wenn wir als kleine Kommune ein Gebäude bauen, dann ist das im Verhältnis zum Gesamthaushalt natürlich immer mehr, als wenn zum Beispiel Paderborn eins baut. Wenn wir etwas bauen, müssen wir Schulden aufnehmen. Letztes Jahr hatten wir aber auch starke Gewerbesteuereinnahmen, insbesondere aus der Windbranche – sie ist bei uns mittlerweile die steuerstärkste Branche. Ansonsten haben wir nicht den riesigen Gewerbestandort, aber wir haben ein paar starke Unternehmen – keine Frage. Trotzdem sind wir nicht vergleichbar mit zum Beispiel Hövelhof und können keine großen Gewerbeflächen anbieten. Allein topographisch stoßen wir da an Grenzen. Zudem haben wir drum herum auch viel Landschafts- und Naturschutz. Wie eben gesagt ist Windkraft ein wichtiges Thema in Ihrer Gemeinde, die ja eine der ersten war, in der Windräder aufgestellt wurden. Wie sehen da die Planungen aus, ein gemeindeeigenes Windrad soll ja auch kommen? Als ich anfing habe ich schon gesagt, dass wir Windkraft nicht völlig aufhalten wollen. Sie hat ja ihre Berechtigung. Trotz allem wollen wir die Steuerung behalten. Stand heute haben wir auch noch unsere Vorrangzone und unser Flächennutzungsplan hat Bestand. Wir sind da auf einem guten Weg. Wir sind auch mit den Betreibern im Gespräch, in welche Richtung wir wachsen können. Aber Windräder müssen nicht überall hin, das ist klar. Doch die Lage ist extrem dynamisch, von Bund und Land wird enormer Druck gemacht. Über die Bezirksregierung soll gesteuert werden, wo die Windräder verortet sein werden. In Altenbeken sollte auch eine Beschleunigungsfläche ausgewiesen werden, damit waren wir aber nicht einverstanden. Wir wollen es nicht verhindern, aber mitsteuern. Sehr wichtig ist uns auch, dass die Bürger von der Wertschöpfung etwas abbekommen. Erst kürzlich wurde eine Stiftung gegründet, von der vor allem die Vereine profitieren können, und wir prüfen weiter, welche anderen Modelle es noch gibt. Unter anderem eine gemeindeeigene Anlage oder eine Bürgerwindanlage, an der sich Bürger beteiligen können. Auch könnte ein größerer Betreiber in Altenbeken einen günstigen Strompreis anbieten. Da ist noch einiges zu erwarten – auf jeden Fall sollen die Bürger davon profitieren. Wie sieht es mit dem Ausbau anderer erneuerbaren Energien aus, vor allem PV-Anlagen oder Nahwärme? Mit Photovoltaik haben wir schon ziemlich große Flächen bei Buke bestückt. Es wird auch noch mehr kommen, es gibt viele Anträge. Wir haben das aber etwas zurückgestellt, weil Windkraft aktuell das dynamische Thema ist und unser kleines Bauamt schon massiv fordert. Seit dem 1. Januar haben wir auch mit Verena Wildenhues eine neue Klimaschutzbeauftragte. Wir wollen vor allem Dach-PV jetzt pushen und fördern. Auch auf den Gemeindegebäuden sind schon viele PV-Anlagen, ganz frisch auch auf dem Rathaus, weitere werden folgen. Wir würden auch gerne mit der Wirtschaft ins Gespräch kommen, denn da sind die größeren Hallendachflächen. Es ist mir auch lieber, dass wir bereits versiegelte Flächen für Sonnenenergie nutzen, als dass wir Wiesen überbauen. Wir haben mittlerweile über 400 Prozent des eigenen Energiebedarfs aus grünem Strom. Wir denken daher darüber nach, wie wir den Strom vor Ort besser nutzen können, zum Beispiel wie wir den Strom in Wärme umwandeln können. Im Bereich Schulzentrum, Hallenbad und Eggelandhalle ist ein Nahwärmenetz bereits geplant. Bauland ist überall gefragt. Oft kann die Gemeinde die Nachfrage danach nicht befriedigen. Was können Sie noch an Baugebieten ausweisen? Von der Gemeinde aus können wir aktuell nichts anbieten. Hier und da kommt mal ein privates Grundstück auf den Markt. Wir haben alle Grundstückseigentümer in der Gemeinde angeschrieben, wo wir auf dem Luftbild erkennen können, das neben dem Haus noch ein Bauplatz sein könnte. Die Reaktionen waren aber eher mäßig, wir haben nur zwei positive Rückmeldungen bekommen. Die meisten warten noch ab oder haben andere Gründe, ihr Land nicht zu verkaufen. Wie würden Sie jemanden, der in den Kreis Paderborn ziehen will, ihre drei Ortsteile schmackhaft machen? Warum sollte er in der Eggegemeinde bauen oder wohnen? Hier wohnt man ländlich und das hat Vorteile. Man hat die Naherholung vor der Tür. Vor allem für Familien mit Kindern ist es hier ideal. Wir haben eine gute Kita-Versorgung, wir haben in jedem Ortsteil eine Grundschule und in Altenbeken die private Realschule, wir haben ein gutes kulturelles Angebot und wir haben viele verschiedene Vereine. Alles was wir hier nicht haben, ist schnell zu erreichen – auch mit der Bahn. Zum Beispiel ist man schnell in Paderborn oder Bad Driburg. Wir haben wirklich eine lebenswerte Gemeinde. Aktuell wird heiß im Kreis Paderborn um einen möglichen Nationalpark Egge gestritten. Altenbeken würde da mittendrin liegen und könnte vor allem touristisch davon profitieren. Wie stehen Sie dazu? Touristisch könnte man schon davon profitieren. Aber trotzdem sehe ich das sehr skeptisch, weil ich gar nicht viel darüber weiß. Der Förderverein Nationalpark wirbt dafür. Ihm ist es zumindest gelungen, die Gegner zu formieren. Wir sitzen jetzt dazwischen – wir haben die Befürworter und die, die überall Plakate dagegen aufhängen und auch demonstriert haben. Beide Argumentationen sind lückenhaft, beide haben Schwächen. Es gibt noch viel aufzuklären und von offizieller Seite, also vom Land, gibt es keine Informationen. Mir ist aber sehr wichtig, dass man nicht über unsere Köpfe hinweg entscheidet. Die betroffenen Kommunen müssen mitentscheiden können. Und ich würde auch so weit gehen und die Bürger befragen. Denn ich kann noch nicht abschätzen, wie die große schweigende Masse dazu steht. Der so genannte Briefeskandal ist nun abgeschlossen. Die gut 615.000 Euro bekommt die Gemeinde nicht zurück und muss zusätzlich 100.000 Euro Verfahrenskosten zahlen. Laut Ratsbeschluss wurde auf eine Klage gegen Ihren Vorgänger verzichtet, weil die Aussicht auf Erfolg zu gering sei. Gab es da auch Kritik aus der Politik oder Bevölkerung? Schließlich dürfte dieses Thema auch in Ihrem Sinne nicht befriedigend abgeschlossen sein. Wir haben natürlich das Urteil des Landesarbeitsgerichts nochmal prüfen lassen. Wir haben ein umfangreiches Gutachten bekommen, das klarmachte, dass wir wenige Aussichten haben. Die Verfahrenskosten gehören auch dazu, da sind wir bereits bei 100.000 Euro. Natürlich ist es unbefriedigend, aber noch unbefriedigender wäre es, wenn wir nochmal schätzungsweise 30.000 Euro in die Hand nehmen und am Ende verlieren. Da ist auch denen, die sich mehr erhoffen, nicht mit geholfen. Letztendlich würden wir da ein totes Pferd reiten. Obwohl die verlorene Summe in der Größenordnung schon hart für unsere Gemeinde ist. Insgesamt ist es schon eine krasse Sache und kein Ruhmesblatt für die Gemeinde – damit müssen wir nun umgehen. Als Sie das Bürgermeisteramt antraten, haben Sie zuerst alle Schränke nach Briefen durchsucht? Nein, das habe ich nicht (lacht). Ich habe aber mit allen Mitarbeitern gesprochen. Es ist klar, dass es so etwas nicht mehr gibt. Ich schaue auch in die Zahlen und sehe, dass gemahnt wird. Die Sache habe ich sozusagen geerbt. Drei Tage nach meinem Dienstantritt kam schon die erste Gerichtsentscheidung dazu. Auch um die Benennung einer Straße nach dem Kultwirt &bdquo;Beke-Willi“ gab es Diskussionen. Die CDU lehnte das schließlich ab, was in den sozialen Medien und auch in einigen Leserbriefen kritisiert wurde. Ich als Außenstehender, der aber das Bekestübchen und den Wirt kannte, war über das Nein auch sehr überrascht. War die Entscheidung übertrieben? Die CDU hat erst einmal die Reißleine gezogen. Denn es gab schon einmal eine Anfrage und da haben wir auch Zuschriften bekommen, warum man manche Namen auf ein Schild hebt und andere nicht. Daher wollten wir da erst eine klare Linie ziehen und Regeln aufstellen, wie wir damit in Zukunft umgehen. Zum Beispiel gab es auch andere Vorschläge. Aber genau das wollen wir nicht, dass Personen gegeneinander ausgespielt werden. Manchmal neigt so eine Diskussion auch, nicht nur einen herauszuheben, sondern den anderen schlecht zu machen. Ich würde aber nicht völlig ausschließen, dass es irgendwann doch Zum Bekestübchen oder ähnlich heißen könnte. Willi und das Bekestübchen waren eine Institution in Altenbeken, ich kenne es auch noch. Altenbeken ist eine Marke, wenn es um Wandertouristik geht. Das gastronomische Angebot kann da aber nicht ganz mithalten. Wie kann das gestärkt oder ausgebaut werden? Wir haben gerade in der Gastronomie einen Generationenwechsel. Man merkt, dass aktuell ein Durchhänger ist. Aber bei Ruths Knotenpunkt hat die Übergabe vor ein paar Jahren gut funktioniert. Und seit einem knappen Jahr haben wir in der Museumsdeele im Eggemuseum, wo wir Eigentümer sind, einen neuen Pächter. Das wird gut angenommen. Sie probieren auch viel aus, es gibt unter anderem Cocktailkurse oder Tanzabende. Es liegt natürlich auch an den Bürgern, die Touristen alleine halten die Gastronomie nicht alleine aufrecht. Man muss hingehen – dann wird die Gastronomie am Leben gehalten und vielleicht auch ausgebaut. Wir als Gemeinde können da nur gute Rahmenbedingungen schaffen. Das Viaduktfest fand nach vier Jahren Pause wieder statt. Mit einem verändertem Programm. Sind Sie zufrieden mit dem Verlauf und was kann ausgebaut werden, was eventuell doch wieder aus dem Programm genommen werden? Wir sind sehr zufrieden, es ist sehr gut angenommen worden. Nur Samstagnachmittag gab es einen Schauer, da war ein kleiner Durchhänger. Spätestens als wir das Rudelsingen gestartet haben, war es wieder voll. Das haben wir das erste Mal veranstaltet und es kam super an. Es gab viele positive Rückmeldungen. Das werden wir definitiv wiederholen und dann auch deutlich länger. Auch das kleine Weindorf, das wir zum ersten Mal angeboten haben, wurde gut angenommen. Auch die Bahnhofsstraße und der Bahnhof waren pickepackevoll und obwohl wir nur eine Dampflok hatten, konnte die alles bieten, was das Herz begehrt. Es gab auch noch andere historische Loks, insofern war es ein vielfältiges Programm für alle Eisenbahnfans. Das Kinderland wurde sehr gut angenommen und war Sonntag sehr voll. Da müssen wir demnächst vielleicht noch ein paar mehr Attraktionen anbieten. Dass die historische Dampfmeile fehlte, davon habe ich auf dem Fest nichts mehr gehört. Dadurch konnten wir ja auf den Eintritt verzichten und davon haben dann alle profitiert. Die Mobilitätswende ist ein großes Thema. Radfahren ist hier ja nicht ganz so einfach wie im flachen Hövelhof. Wie gut ist Altenbeken da aufgestellt? Als es noch keine E-Bikes gab, fuhren hier viele Sportler mit Rennrad und Mountainbike hoch und runter. Das hat sich gewandelt, man sieht jetzt viele Familien oder Fahrradgruppen. Darauf müssen wir uns einstellen und haben das zum Teil auch schon getan. Wir haben ein Radverkehrskonzept beschlossen und arbeiten nach und nach die Maßnahmen ab. Wir können aber nicht zaubern. Altenbeken wurde ohne Radwege gebaut und die Häuser stehen oft nah an der Durchgangsstraße. Was geht, wollen wir aber versuchen – unter anderem beabsichtigen wir, in der Ortsdurchfahrt Altenbeken einen Fahrradschutzstreifen einzurichten. Das geht aber nur auf einer Seite, weil die Straße zu schmal ist. Ich habe auch Eigentümer an der Strecke Richtung Neuenbeken angeschrieben, weil wir dort keinen befestigten Radweg haben. Es gibt nur den Weg durch den Wald. Sie sind ja nicht nur Bürgermeister, sondern auch in Aufsichtsräten und Vereinen aktiv. Was machen Sie in Ihrer knapp bemessenen Freizeit? Als Vater von vier Kindern steht natürlich erst einmal die Familie an erster Stelle. Ich bin auch viel auf den Fußballplätzen dieses Kreises unterwegs, weil die Söhne spielen. Ich jogge oder fahre sehr gerne mit dem Mountainbike durch den Wald. Und wenn ich mal Zeit habe, spiele auch gerne selbst noch Fußball. Wie können Sie abschalten? Beim Joggen. Am Wochenende gerne auch früh morgens, dann bringe ich auf dem Rückweg gleich Brötchen mit. So fängt für mich ein Wochenende schon gut an. Ich mache gerne abends auch was im Garten. Das ist mein Ausgleich. Wie und wo machen Sie gerne Urlaub? Das ist ein kleiner Familienkonflikt. Wenn es nach mir geht, dann fahren wir in die Berge. Wenn es nach den meisten in meiner Familie geht, dann eher ans Meer. Wir versuchen immer Kompromisse hinzubekommen. Letztes Jahr waren wir in Frankreich in der Normandie, das war sehr schön. Ich würde aber gerne wieder in die Alpen fahren.

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