VON JÖRG STUKE
Bad Oeynhausen. Das hat der Stadtrat so wohl noch nicht erlebt: Fast
die Hälfte der Ratsmitglieder erklärte sich selbst für befangen oder
wurde per Mehrheitsbeschluss für befangen erklärt, als es gestern Abend
um das Thema "Ausgleichsfonds für die Wertverluste an Immobilien durch
den Bau der Nordumgehung" ging.
Wie berichtet, sollte nach Forderung der Fraktion Barg/Nicke ein
Ausgleichsfonds mit 300 Millionen Euro - zu zahlen von der Stadt und
Ratsmitgliedern - aufgelegt werden, aus dem die Anwohner der
Nordumgehung für Wertverluste an ihren Immobilien entschädigt werden
sollen. "Natürlich steckt darin auch ein Stück Provokation", räumte
Reiner Barg ein. "Es geht uns aber darum, den immensen Wertverlust von
Gebäuden und Grundstücken an der Nordumgehung zu thematisieren." Auf
die Eigentümer, die Häuser oder Grundstücke auf einem 1.000 Meter
breiten Streifen nördlich und südlich der Nordumgehung hätten, kämen
Wertverluste von bis zu 70 Prozent zu. "Das ist kalte Enteignung", so
Barg.
Das wiederum führte Rainer Mueller-Held (Grüne) zu einer interessanten
Feststellung: "Die Antragsteller selbst haben doch in diesem Streifen
Grundstücke und würden so von einem solchen Ausgleichsfonds Vorteile
ziehen. Deshalb fordere ich sie auf, sich für befangen zu erklären."
Das aber lehnten Reiner Barg, Axel Nicke und Klaus Rasche ab. Peter
Kaeseberg (CDU) legte mit der Frage nach: "Welche Ratsmitglieder oder
deren nahe Verwandte haben in dem Bereich 1.000 Meter nördlich und
südlich der Nordumgehungstrasse Eigentum?"
Woraufhin das große Stühlerücken begann. Nach Zählung der NW erhoben
sich 17 Ratsmitglieder aus SPD, CDU und FDP und erklärten sich für
befangen. Barg, Nicke und Rasche blieben sitzen. Sie bestätigten, dass
sie in dem fraglichen Gebiet Eigentum hätten, stuften sich aber nicht
als befangen ein. Kaeseberg beantragte darauf den Ausschluss der drei
Ratsherren. Was der Rest des Rates so beschloss, allein Wilhelm
Ober-Sundermeyer (FDP) votierte dagegen.
Barg, Nicke und Rasche verließen daraufhin ihre Plätze. Dabei konnte
Reiner Barg seine Wut nicht verbergen. "Das wurde schon einmal geprüft,
ob ich befangen bin. 1988", rief Barg. Und: "Das hat ein Nachspiel!"
Der Rest des Rates, der laut Herbert Bunte vom Büro des Bürgermeisters
mit 23 Mitgliedern gerade noch beschlussfähig war, lehnte dann den
Antrag auf Einrichtung des Immobilienfonds einstimmig ab.