Streit um Aus für Krankenhaus Ostercappeln: „Schließung ist historische Fehlentscheidung“

Ostercappeln/Rahden/Stemwede. Das Aus für das Krankenhaus in Rahden bezeichnete die CDU-Politikern Bianca Winkelmann während der jüngsten Rahdener Ratssitzung als schweren Schlag für den Nordkreis. Auch das Aus für das Krankenhaus Ostercappeln war Thema in Rahden. Und der Schlag, den das Aus für das dortige Krankenhaus der Gemeinde Ostercappeln versetzt, ist auch groß. Anders als die Mühlenkreiskliniken in Rahden luden die Niels-Stensen-Kliniken als Träger des Krankenhauses Rahden aber zum Bürgerdialog ein und anders als in Rahden mobilisierte das die Menschen. Vor rund 700 Menschen in der Ostercappelner Lambertuskirche erläuterten die Niels-Stensen-Kliniken, ein katholischer Klinik-Verbund mit Standorten in den Landkreisen Osnabrück und Emsland, die Gründe für die Schließung. Die Besucherinnen und Besucher, unter ihnen auch zahlreiche Gäste aus dem Lübbecker Land, scheinen den Aussagen der Geschäftsführung wenig Glauben zu schenken. Es hagelte Kritik von allen Seiten. Wer steht Rede und Antwort Die Niels-Stensen-Kliniken sind ein katholischer Klinik-Verbund, an dem das Bistum Osnabrück mit 41 Prozent beteiligt ist. Den rund 700 Menschen, die zum Bürgerdialog der Niels-Stensen-Kliniken in die Lambertuskirche Ostercappeln gekommen waren, stellten sich Christina Jaax, Geschäftsführerin der Kliniken, und ihr Stellvertreter Bernd Runde. Auch der Ostercappelner Bürgermeister Erik Ballmeyer und Axel Kaiser, Vorstandsmitglied der Beratungsgesellschaft Lohfert & Lohert, waren dabei. Lohfert & Lohfert beraten seit mittlerweile fast Jahrzehnten auch die kreiseigenen Mühlenkreiskliniken (MKK) im Kreis Minden-Lübbecke. Das ist die Entscheidung Die in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckenden Niels-Stensen-Kliniken haben eine &bdquo;Medizinstrategie 2028“ vorgelegt und wollen damit wieder in eine wirtschaftlich stabile Lage zurückkehren. Das Krankenhaus St. Raphael in Ostercappeln soll zum August 2025 geschlossen werden. Im Jahr 2023 kamen knapp fünf Prozent der rund 8.000 Patienten aus Minden-Lübbecke. Zu der Entscheidung gehört auch die Verlagerung der Geburtshilfe von Melle nach Osnabrück. Zudem sollen 115 Menschen bei den Stensen-Kliniken (insgesamt rund 7.500 Beschäftigte) die Kündigung erhalten. Das betrifft vor allem Beschäftigte in Ostercappeln. Die medizinischen Leistungen des Krankenhauses sollen an Standorte in Osnabrück, Harderberg und Melle verlegt werden. Als Grund für diese Entscheidung nennt die Geschäftsführung die wirtschaftlichen Probleme des Konzerns, den Fachkräftemangel und immer mehr ambulante statt stationärer Eingriffe. Die Finanzlage Der Klinik-Verbund habe sich in absoluter Insolvenzgefahr befunden, sagte Christina Jaax. Das sei abgewendet worden. Sie erinnerte an die Probleme vieler deutschen Kliniken und eine derzeit unklare Gesetzeslage. Die wirtschaftliche Not des Verbundes müsse kurzfristig behoben werden, damit der für die Zukunft aufgestellt sei und weiterhin rund 50 Prozent der Menschen in der Region Osnabrück versorgen könne. &bdquo;Wir muten Ihnen sehr viel zu, wir nehmen Ihnen dieses Krankenhaus“, sagte Jaax. &bdquo;Es sind massive, harte Einschnitte, die wir Ihnen zumuten.“ Damit habe man &bdquo;viel Frust, Trauer und Wut“ verursacht. Mit der Verlagerung der Leistungen würden aber die anderen Standorte gestärkt und die Versorgung gesichert. &bdquo;Wir hatten im vergangenen Jahr ein achtstelliges Defizit“, sagte Christina Jaax mit Blick auf Millionen-Verluste. Allein der &bdquo;solitäre Blick“ auf den Standort Ostercappeln trage nicht. Der Starke solle den Schwachen tragen, das sei das Ziel des Verbundes. Das aber sei aufgrund der &bdquo;völlig unzureichenden Krankenhaus-Finanzierung“ nicht möglich. Die Re-Finanzierung der Klinik-Finanzierung sei schlecht. Die Investitionen im Marienhospital Osnabrück (MHO) seien nicht Geld des Klinik-Verbundes, aber notwendig, um das MHO als Maximalversorger zu erhalten. Leistungen wie ein Maximalversorger könne Ostercappeln nicht erbringen. Man habe hinsichtlich der Suche nach Investoren zunächst konfessionelle Partner angesprochen, dann auch Private. Alle seien wegen der Überschuldung und des großen Liquiditätsbedarfes des Verbundes zurückgetreten, sagte Jaax. &bdquo;Wir stehen mit dem Rücken zur Wand.“ Würden Bund und Land Krankenhäuser ausreichend finanzieren, könne man über Lösungen reden. Das aber sei nicht der Fall, es gebe diese Perspektive für den Gesamtverbund also nicht, so Jaax. &bdquo;Der Verbund ist hochgradig überschuldet.“ Der Klinik-Verbund hätte die vergangenen beiden Jahre schon nicht überlebt, wenn das Bistum Osnabrück nicht weiteres Geld bewilligt hätte. Es sei voriges Jahr um 23 Millionen Euro gegangen. Das sagt der Berater Die deutsche Krankenhaus-Landschaft sei historisch gewachsen, sagt Axel Kaiser. Es gebe aber immer weniger stationäre Patienten und auch wegen des Fachkräftemangels lasse sich das so nicht weiter betreiben. Er verwies auf Zusammenlegungen von Kliniken – etwa in NRW. Das sagen Mediziner Der Bohmter Arzt Joachim Solf empfindet es nach eigenen Angaben als &bdquo;unverschämt, auf einmal in der Zeitung zu lesen, dass unser Krankenhaus geschlossen werden soll“. Die Geschäftsführung habe von einer drohenden Insolvenz gesprochen, doch würden am Marienhospital Osnabrück (MHO) 200 Millionen investiert. Seine Forderung: Ein gut funktionierendes Krankenhaus Ostercappeln solle erhalten bleiben. Dessen 1,6 Millionen Euro Verlust müsse man den 200 Millionen für das Marienhospital und dem Gesamt-Umsatz gegenüberstellen. Der Bad Essener Mediziner Guido Lüke stellte die Frage, ob der Klinik-Verbund gesundgeschrumpft und dann verkauft werden solle. &bdquo;Wir sind eine Familie“, sagte Barbara Schällig, Oberärztin am Krankenhaus Ostercappeln. &bdquo;Unser Haus ist das Herz Ostercappelns.“ Schällig sprach von einer beispielhaften Zusammenarbeit der medizinischen Disziplinen und einem in vielen Jahren gewachsenen Netzwerk. Das Haus in Ostercappeln sei ein Ort der Sicherheit. &bdquo;Wo sollen die Patienten hin? Die stehen dann acht Stunden vor dem Marienhospital.“ Das Team habe Krisen erlebt, die Ärmel hochgekrempelt. Viele Beschäftigte würden ihren Beitrag leisten, merkte Schällig an. &bdquo;Warum denkt man nicht noch einmal kreativ?“ Eine andere Mitarbeiterin der Klinik sieht Ostercappeln als Bauernopfer. Hier müsse man dei meisten Kündigungen tragen. Der Slogan des Verbundes &bdquo;Wir sind Niels“ trage nicht. Das sagen Bürgermeister Der Ostercappelner Bürgermeister Erik Ballmeyer (CDU) bewertet es als &bdquo;historische Fehlentscheidung, das Krankenhaus Ostercappeln zu schließen“. Er sei sich mit seinen Bürgermeister-Kollegen im Landkreis einig, dass der Standort Chancen habe, darüber aber sei gar nicht gesprochen worden. Es gebe immer wieder Regierungswechsel und das neue Krankenhausgesetz sei noch nicht durchentschieden. &bdquo;Und Sie wollen ein Krankenhaus schon jetzt schließen.“ Von den gesetzlich vorgegebenen gleichen Lebensbedingungen in Stadt und Land entferne man sich immer weiter. Der Bohmter Bürgermeister Markus Kleinkauertz (CDU) äußerte zu einem Besucher-Hinweis, das Haus in Ostercappeln zu kommunalisieren. Das sei Sache der kommunalen Familie, ihm sei aber bis heute kein Gesprächsangebot bekannt. Wie ernst die Lage sei, das sei nicht Schuld des Klinik-Verbundes, &bdquo;sondern Folge der völlig verkorksten Gesundheitspolitik der vergangenen Bundesregierungen“. Kleinkauertz verwies auch auf die länger werdenden Wege in ein Krankenhaus und das könne auch Menschenleben kosten. Der Bad Essener Bürgermeister Timo Natemeyer (SPD) kritisierte, dass Gespräche über mögliche Alternative wegen der Bewertung der Medizinstrategie als &bdquo;alternativlos“ keine Chance hätten. &bdquo;Geben Sie uns die Chance, darüber zu sprechen.“ Das sagt die Landrätin Anna Kebschull (Grüne) dankte für &bdquo;die vielen klugen Fragen“ der Menschen und meinte, dass man den Bürgerdialog hätte aufnehmen und an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hätte schicken sollen. Die Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum werde ausgedünnt, der ländliche Raum werde vernachlässigt. Deswegen hat Kebschull laut ihrer eigenen Darstellung gemeinsam mit vielen weiteren Landräten den Bund &bdquo;sehr viel genervt“. Zunächst erzielte Verbesserungen für den ländlichen Raum seien bei den Beratungen über die Gesetzgebung leider in den vergangenen Wochen wieder zurückgenommen worden. So reagieren die Gäste Immer wieder gab es harsche Kritik und Zwischenrufe bei den Redebeiträgen der Geschäftsführung. Etliche Menschen scheinen Christina Jaax und Bernd Runde nicht zu vertrauen. Aber auch an Land und Bund gibt es Kritik. Die würden viel versprechen und wenig halten. Regelrecht frenetischen Applaus erhielt eine Besucherin, die darauf verwies, dass es viele Forderungen an die Politik gebe. &bdquo;Aber bei einem kirchlichen Träger, bei dem der Bischof an Weihnachten durch das Krankenhaus geht und Hände schüttelt, ist auch die katholische Kirche gefordert.“ Lautstarke Zustimmung gibt es für die Bürgermeister und Gäste, die den Erhalt des Krankenhauses fordern oder nach Fehlern des Managements fragen.

Meistgelesen