Landwirtschaft in Stemwede mal ganz anders

Stemwede/Brockum. Zwei Marienkäfer krabbeln auf der Suche nach Blattläusen über die Bohnenpflanzen. Mehrere Schwalben fliegen tief über die Gemüsefelder. Hühner gackern. Eine Henne hat sich unter einem Stachelbeerbusch versteckt. &bdquo;Einige Hühner laufen frei herum, die meisten leben an und in einem Hühnermobil, das auf verschiedene Weiden gefahren werden kann", sagt Gernot Jacob vom Hof Tomte in Brockum und lacht. Die biologisch-dynamische Landwirtschaft, die der Familienvater und seine Lebensgefährtin Juliane Völkle vor einigen Jahren im Nebenerwerb übernommen haben, ist inzwischen zum Haupterwerb geworden. Allerdings mit einem nicht alltäglichen Konzept. Seit April betreiben die beiden den zertifizierten Demeter-Betrieb am Hang des Stemweder Berges als Solidarische Landwirtschaft (Solawi). Was den Landwirten garantiert wird Bislang setzte der Betrieb auf Direktvermarktung. &bdquo;Dabei weiß man aber nie genau, was und in welcher Menge gerade nachgefragt wird", erklärt Gernot Jacobs. Bei der gemeinschaftlich getragenen Landwirtschaft sei ein sicheres Auskommen für den Landwirt und die Abnahme seiner Produkte garantiert. Etwa 100 Interessierte hatten im Januar den Infoabend über die &bdquo;Solawi" besucht. 35 hätten sich zum 1. April einen Ernteanteil zu einem monatlichen Festbetrag gesichert. Noch im selben Monat seien auch die restlichen der insgesamt 62 Ernteanteile vergeben worden. Wie viele Menschen der Hof ernähren kann &bdquo;Wenn wir den Eindruck haben, das Gemüse wächst gut und reicht für alle, können wir uns im Spätsommer eine Erweiterung vorstellen", erzählt Gernot Jacob. Langfristig gesehen sei es mit der Flächenausstattung des Hofes möglich, rund 160 Menschen zu ernähren, ergänzt der 43-Jährige. Der Biobetrieb bietet saisonales Gemüse, Kartoffeln, Fleisch vom Rind und Schwein, Eier, Äpfel, Saft, einige Kirschen und Birnen sowie Getreide an und ab dem Sommer auch Brot. Geplant ist unter anderem noch ein Kräutergarten. Immer freitags ist Abholtag. Mit einem Ernteanteil könne sich ein Erwachsener eine Woche versorgen. Welche Hilfen es bei der Bewirtschaftung gibt Die Mitglieder müssen sich mit dem zufriedengeben, was es gibt. &bdquo;Die Erntemengen und der Erntezeitpunkt sind abhängig vom Wetter", verdeutlicht Gernot Jacob. Die Nachtfröste rund um die Eisheiligen im Mai hätten Kartoffeln, Paprika und andere Pflanzen zunächst einmal ausgebremst. Durch Mischkulturen soll die Bodenfruchtbarkeit verbessert werden. Wasser zur Beregnung werde sparsam eingesetzt. Eine Totholzhecke halte Nützlinge in der Nähe und bremse den Wind aus, damit der Boden nicht austrockne. Neben einem angestellten Gärtner seien es viele helfende Hände aus der Familie, die den Betrieb am Laufen hielten. "Blüten-baden" hilft auch den Bienen Nachhaltigkeit und Vielfalt gehören für Gernot Jacob und Juliane Völkle zu einem Bauernhof dazu. Deshalb passe das jüngste Projekt &bdquo;Blüten-baden" gut zum Gesamtkonzept, finden die beiden. Gemeinsam mit Rainer Pernotzky vom Regenbogenhof in Stemwede-Drohne und Martin Stybalkowski von der Bar dü Mar in Hüde am Dümmer See entstand die Idee, auf einem Teil der Ackerflächen statt Kulturpflanzen artenreiche Blütenpflanzen anzubauen und andere daran teilhaben zu lassen. Die erste Einsaat ist im Mai erfolgt. &bdquo;Nach Raps, Obstbäumen und Weißdornblüte stehen Bienen vor dem Nichts", verdeutlicht Rainer Pernotzky. &bdquo;Ein Hektar bietet für vier Völker eine Nahrung", erklärt der Imker aus Stemwede, dessen Bienenstöcke in Brockum stehen. &bdquo;Ein Boden, der sich ein Jahr ausruht, ist im nächsten Jahr fruchtbarer." Durch die Pflanzen werde der Boden dabei weder vom Winde verweht, noch von der Sonne ausgeblichen. Bodenlebewesen und Insekten würden ebenfalls profitieren. Der reich gedeckte Tisch locke Vögel an. Für den Menschen seien die 10.000 Quadratmeter eine blühende Augenweide, in der er mit allen Sinnen baden könne. Ein lebender Boden wirke zudem wie ein Filter. Das käme dem Wasser zugute. "Wir wollen nicht am Tropf der EU hängen" Was der Hof durch das Projekt weniger an Einnahmen hat, weil auf ein Stück Land für Kartoffeln, Getreide oder Gemüse verzichtet wird, soll für die nächsten fünf Jahre durch Spenden ausgeglichen werden. Jeder kann über www.gofundme.com ab einem Euro pro Quadratmeter mitmachen. &bdquo;Wir haben jetzt schon mehr als 1.000 Euro an Spenden zusammenbekommen", freuen sich Rainer Pernotzky und Gernot Jacob. Zwar gebe es Fördermittel für Blühflächen. &bdquo;Das wollen wir aber gerade nicht. Wir wollen nicht am Tropf der EU hängen", unterstreichen Rainer Pernotzky und Gernot Jacob, die über das Projekt auch eine &bdquo;Kommunikationsbrücke" zwischen Landwirtschaft und Bevölkerung bauen möchten. &bdquo;Wir hoffen, dass auch andere Betriebe unsere Idee interessant finden", wünschen sich die Initiatoren. Bio-Konzept noch besser umsetzbar Bereits 1978 begannen Irmela und Gerhard Jacob mit der ökologischen Bewirtschaftung ihres Hofes und schlossen sich einem Bioland-Verband an. 2005 stellte der älteste Sohn Hinrich den Betrieb auf eine biologisch-dynamische Wirtschaftsweise um. 2013 übernahm sein Bruder Gernot die Landwirtschaft. Mit dem neuen Konzept der Solidarischen Landwirtschaft bekam der Betrieb, der seit jeher als &bdquo;Bicks Hof" bekannt ist, den neuen Namen &bdquo;Hof Tomte". Das Biokonzept gelte selbstverständlich weiter. &bdquo;Mit der Solwai können wir das sogar noch besser umsetzen", sagt Gernot Jacob.

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