Versorgung im Notfall: Das sagt ein Mediziner zu neuen Überlegungen in Rahden

Rahden. Das Rahdener Krankenhaus soll zum 1. Januar 2025 seinen Versorgungsauftrag verlieren und schließen. So hat es das NRW-Gesundheitsministerium entschieden. Da aber über den möglichen Neubau eines Krankenhauses in Espelkamp noch nicht abschließend entschieden ist und auch die Höhe eines möglichen Zuschusses von Bund und Land noch unklar ist, hatte Rahdens Bürgermeister Bert Honsel eine ambulante Notfallversorgung am Krankenhaus-Standort Rahden vorgeschlagen. Für Notfälle gäbe es dann eine Ambulanz und einige wenige Betten. Vorbild für so ein &bdquo;Level 1 i plus“-Krankenhaus ist ein Krankenhaus in Altenkirchen/Westerwald in Rheinland-Pfalz. Mit der Entwicklung bei den Krankenhäusern befasst sich auch der langjährige Rahdener Kinderarzt Wolfgang Adam. Gegenüber der Redaktion nimmt er zu den Entwicklungen und Ideen Stellung. Große Kliniken mit maximaler Versorgung seien gut, in vielen Fällen aber für die Menschen weit entfernt. Daher brauche man gerade auf dem Land Krankenhäuser der Grundversorgung, sagte Wolfgang Adam. Er stimme auch den Aussagen von Uwe Werner zu, langjähriger Chefarzt der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie. Der Mediziner hatte die zunehmende Ökonomisierung in den Krankenhäusern kritisiert und auf deren Folgen etwa für Leistungen und die Weiterbildung hingewiesen. Neubauten allein sind nicht entscheidend &bdquo;Ich stimme Dr. Werner zu“, merkte Wolfgang Adam an. &bdquo;Wenn es einen Neubau in Espelkamp geben sollte, muss der mindestens das anbieten, was heute in Lübbecke angeboten wird.“ Ganz wichtig seien auch die ambulanten Angebote, wie es sie heute am Krankenhaus Lübbecke gebe, etwa HNO-Ärzte oder Unterstützung durch Kinderärzte bei der Neugeborenenversorgung. &bdquo;Auch das muss am Neubau vorhanden sein.“ Er stimme auch in Sachen Weiterbildung Uwe Werner zu, betonte der Rahdener Mediziner. &bdquo;Man kann junge Mediziner nur für ein Krankenhaus gewinnen, wenn es die volle Weiterbildung ermöglicht.“ Bei Allgemeinmedizinern seien das vier Jahre, bei den anderen fünf Jahre. Gebäude oder Neubauten machten das allein nicht aus. Sorge vor Verschlechterung der Versorgung Es brauche große Kliniken ebenso wie Häuser der Grundversorgung, sagte Wolfgang Adam. &bdquo;Die Landes- und die Bundespolitik sieht das aber anders.“ Wenn man jetzt wie vorgesehen viele kleine Krankenhäuser in Deutschland schließe und die Grundversorgung in Teilen des ländlichen Raumes abschaffe, dann werde man in zehn Jahren sehen, dass das der falsche Weg gewesen sei. Bei den geplanten Einschnitten in der Krankenhaus-Landschaft in Ostwestfalen-Lippe fällt nach Angaben von Wolfgang Adam auf, dass es im Raum Minden weniger geriatrische Betten geben solle. Das aber werde dem Bedarf nicht gerecht. &bdquo;Das ist ähnlich, als wenn steigende Geburtenzahlen erwartet werden, aber Grundschulen geschlossen werden.“ Wenn der mögliche neue Standort in Espelkamp weniger biete als der Standort Lübbecke jetzt, dann sei das eine deutliche Verschlechterung für die stationäre medizinische Versorgung, so Adam. Lobby-Gruppen sollen das Problem sein Was hält der Rahdener Mediziner von der Idee des Bürgermeisters zu einem &bdquo;Level 1 i plus“-Krankenhaus in Rahden? Diese Idee sei grundsätzlich gut, sagte Wolfgang Adam. Wegen der geltenden Rahmenbedingungen sei sie aber nur schwer umzusetzen. Eine &bdquo;Level 1 i plus“-Einrichtung sei ein Krankenhaus, das ambulant behandele und zehn bis 20 Betten für akute Notfälle bereithalte und hauptsächlich von ambulant tätigen Medizinern organisiert werde, sagte Adam. Dazu sei eine Vorhalte-Pauschale nötig und Mediziner aus dem ambulanten Bereich müssten mitmachen. In Deutschland gebe es aber eine &bdquo;Zwei-Facharzt-Schiene“, bei dem der Facharzt im Krankenhaus strikt getrennt sei vom ambulanten Facharzt – und zwar finanziell wie organisatorisch. Diese &bdquo;Zwei-Facharzt-Schiene“ sei das große Problem, merkte Wolfgang Adam an. In den Niederlanden sei das anders, dort arbeite ein Facharzt sowohl im Krankenhaus als auch ambulant. Hier gebe es die strikte Trennung nicht. &bdquo;In Deutschland ist das nicht gewollt“, sagte Wolfgang Adam. &bdquo;Wir haben zwei Lobby-Gruppen, die der Krankenhaus-Ärzte und die der ambulanten Ärzte. Die bekommt man nicht zusammen.“ Arzt reagiert auf Politiker-Aussagen Die Überwindung dieser Trennung sei trotz vieler Anläufe bislang nicht gelungen. Es seien wegen der Bürokratie und aus rechtlicher und organisatorischer Sicht zwei Läden, die man in Deutschland bislang nicht unter ein Dach bekommen habe. Würde das gelingen, dann würde das nach Überzeugung Adams viel Geld sparen und eine effektivere Versorgung ermöglichen. &bdquo;Level 1 i plus“-Krankenhäuser seien auch schwer umzusetzen, weil man aus Sicht von Wolfgang Adam &bdquo;die Lobbyisten der Kassenärztlichen Vereinigung, der Krankenhaus-Gesellschaft, der Krankenkassen unter dem Vorsitz des Landes unter einen Hut bringen.“ Hinzu komme, dass &bdquo;Level 1 i plus“ dort möglich sei, wo eine Unterversorgung drohe. Und die habe das Land bislang für Minden-Lübbecke nicht festgestellt. In ihren Reaktionen auf die Schließung des Rahdener Krankenhauses hatten die Landtagsabgeordneten Bianca Winkelmann (CDU) und Benjamin Rauer (Grüne) auf die Bedeutung der Rettungswache für die Notfallversorgung hingewiesen. Kann ein Rettungswagen ein Ersatz sein für ein Krankenhaus der Grundversorgung? Neubau der Wache ist wichtig Der Rettungsdienstbedarfsplan sehe vor, dass ein Notfall in der Stadt binnen acht und auf dem Land binnen zwölf Minuten erreicht werden müsse, sagte dazu Wolfgang Adam. Diese Empfehlung finde sich in NRW allerdings nicht wörtlich im Gesetz zum Rettungsdienst – im Gegensatz zu anderen Ländern. Wolfgang Adam: &bdquo;Die Rettungswagen sind heute wirklich gut ausgestattet.“ Komme man direkt ins Krankenhaus, habe man mehr Ärzte, mehr weiteres medizinisches Personal und eine umfangreichere Diagnostik. &bdquo;Deshalb kann man einen Rettungswagen und ein Krankenhaus nicht gleichsetzen.“ In der Notaufnahme eines Krankenhauses lasse sich besser arbeiten als in einem Rettungswagen, sagte Adam. Auf dem Transport bereite das Personal den Patienten für die weitere Behandlung vor. Die Auswahl eines passenden Krankenhauses sei wichtig und auch die Fahrzeit bis zum Eintreffen in der Notaufnahme eines Krankenhauses. Wolfgang Adam: &bdquo;Dass eine Rettungswache in Rahden neu gebaut wird, ist sehr wichtig, um den aktuellen Anforderungen gerecht zu werden.“ Das sei in der alten Wache nicht mehr leistbar.

Meistgelesen