Angeklagter bleibt in U-Haft: Wurde ein Senior erpresst?

Rahden/Minden. Mehr Verwirrung als Klarheit brachte die über zweistündige Befragung des 84-Jährigen Hauptzeugen in einer Verhandlung vor dem Schöffengericht Minden. Ein 35-jähriger Rahdener ist angeklagt, 20 Monate lang den Senior unter Drohungen und mit falschen Behauptungen genötigt zu haben, regelmäßig Geld vom Konto abzuheben und es dem 35-Jährigen übergeben. Für eine Urteilsfindung ist ein weitere Verhandlungstag nötig. Mal waren es nur 200 Euro, mal 400 oder 500 Euro, auch dreimal 1.000 Euro und einmal sogar 2.000 Euro, insgesamt über 20.000 Euro, die der alte Mann am Schalter oder am videoüberwachten Automaten der Stadtsparkasse Rahden abholte, während der Angeklagte sich im Hintergrund hielt. Manchmal durfte der greise Kontoinhaber auch etwas von dem Geld behalten. So weit die Anklage."Sie kamen immer am Monatsende"Er habe Schulden, die müsse er zurückzahlen, oder ... Das hätten &bdquo;die“ ihm gesagt. &bdquo;Die“ seien welche aus einem Rahdener Lokal gewesen, wo er ab und zu ein Bier getrunken habe. &bdquo;Sie kamen immer am Monatsende, wenn es Rente gab“, sagte das mutmaßliche Opfer. Ganz sicher, ob nur gegen Monatsende war er sich nicht. Was die Ermittler an einer Maske und einem Stein fandenEinmal sollen &bdquo;sie“ ihn gezwungen haben, in einem Elektronikmarkt in Porta Westfalica drei Handyverträge abzuschließen, was der 35-Jährige über seinen Anwalt Jan-Christian Hochmann auch bestreitet. Aber freiwillig für die kleinen Kinder eines Fremden Zahlungsverpflichtungen über 107 Euro monatlich eingehen? Andererseits waren die Antworten des Zeugen auf klare Fragen umständlich und abschweifend. Nicht absichtlich, eher seinem Alter geschuldet. Für die drei Richter, Staatsanwalt und Verteidiger mühsam herauszufinden, was denn an den Erzählungen des Zeugen stimmte, zumal er manches vor der Polizei anders ausgesagt hatte. Aber ganz falsch kann die Aussage nicht sein. Denn es gibt Beweise für die Tat und weitere Zeugen. Zum Beispiel die 82-jährige Schwester des alten Mannes, die bei Bremen wohnt und ab und zu ihren allein im Elternhaus lebenden Bruder für ein paar Tage besucht. Ihr waren nicht nur seltsame Kontobewegungen aufgefallen. Eine Bekannte hatte sie auch darauf aufmerksam gemacht, dass da etwas nicht stimme, dass ihr Bruder unter Druck gesetzt werde. Zunächst habe sich ihr Bruder herausgeredet, aber sein Verhalten sei auffällig gewesen und dann habe er von einer Erpressung berichtet. Sie war auch dabei, als ein Mann um das Haus gegangen sei, an jede Scheibe geklopft und schließlich einen Stein drohend in Richtung Fenster gehoben habe. Der 84-Jährige öffnete ihm die Tür, es kam zu einem Gerangel, das Handy des &bdquo;Besuchers“ ging zu Bruch, berichtete die Schwester. Sie rief die Polizei, der Mann flüchtete, nachdem ihm der Senior die Coronamaske abgerissen hatte und die Frau um Hilfe rufend auf die Straße lief.An der Maske wurde DNA des Angeklagten festgestellt, ebenso seine Fingerabdrücke am Stein. Andererseits sagte die Zeugin, dass sei nicht der Angeklagte, den kenne sich gar nicht. Auch das widersprüchlich zur DNA-Spur. Aber die Seniorin hatte alle Vorkommnisse aufgeschrieben und legte dem Gericht drei Zettel ihres Bruder vor, wo der die Erpressung ansprach. Oder spielte hier etwas mit, das eine Zeugin in einer Polizeivernehmung geäußert haben soll und was die 82-Jährige Schwester entrüstet zurückwies: Alkoholismuswirkung beim Opfer. Wie groß die Verunsicherung der Prozessbeteiligten war, zeigte ein heftiger Disput zwischen Verteidiger und Ankläger über die Bewertung der Aussagen des Hauptzeugen.Wann die Verhandlung fortgesetzt wird Der Vorsitzende Richter gab gegen Ende des sechsstündigen ersten Verhandlungstages den rechtlichen Hinweis, dass es sich nicht um Raub und räuberische Erpressung handeln könne, sondern um Diebstahl mit Teilverdacht auf räuberische Erpressung. Dem Angeklagten nützt das zunächst nichts. Er soll wegen Wiederholungsgefahr weiter in Untersuchungshaft bleiben, wo er seit 3. Dezember sitzt. Er habe deswegen bei der Geburt seines vierten Kindes nicht dabei sein können, schimpfte er. Die Verhandlung soll demnächst fortgesetzt werden. Ob weitere Zeugen mehr Klarheit bringen können? Die Hoffnung besteht jedenfalls.

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