Scheidende Ratsfrau zum Streit: "Der Ton hat sich zunehmend verschärft"

Rahden. Der SPD-Stadtverband Rahden geht zerrissen in den Wahlkampf. Marion Spreen, Vorsitzende des SPD-Ortsvereins Rahden und seit 2007 im Stadtrat, hatte sich immer wieder zu Wort gemeldet, wenn es etwa um die Werksstraße oder die von Anliegern kritisierte LED-Beleuchtung ging. Sie hatte erneut für den Rat kandidiert. Der erste Anlauf der SPD-Wahlkreiskonferenz wurde abgebrochen und endete mit Drohungen gegen Mitglieder des Ortsvereins Rahden, wie nw.de exklusiv berichtete. Im zweiten Anlauf der Konferenz wurde Spreen knapp als Direkt-Kandidatin für Rahden-Nord gewählt. Bei der Wahl der Reserveliste fiel sie durch und erklärte wie berichtet ihren Verzicht auf die Kandidatur. Über die Lage sprach sie mit NW-Redakteur Joern Spreen-Ledebur. Mit welchem Gefühl, welchen Erwartungen und welchen Hoffnungen sind Sie zur Wahlkreiskonferenz am Dienstag dieser Woche gegangen? MARION SPREEN: Mit der Hoffnung, dass dieser Kompromiss, den wir am 30. Juni besprochen haben, durchgeht – und es eine ruhige Sitzung gibt, bei der sich alle Gemüter zum Wohl der SPD beruhigt haben. Mir war aber auch bewusst, dass es anders kommen kann. Und für den Fall, dass sich mein Durchreichen (auf der Reserveliste; Anm. d. Red.) andeuten würde, war ich fest entschlossen, die Kandidatur niederzulegen. Der Kompromiss spielte dann für den Stadtverbands-Vorstand aber keine Rolle. SPREEN: Dieser Kompromiss war für mich als vehemente Vertreterin der Frauenquote umso bitterer, weil ich meine gute Freundin Birgit Korte fragen musste, ob sie auf der Liste eventuell auf den Frauenplatz verzichten würde. Warum mussten Sie Birgit Korte fragen? SPREEN: Am 30. Juni haben wir bei der Sitzung des Stadtverbands-Vorstandes den Kompromiss gefunden, dass Stefan Rose als Vertreter aus Tonnenheide auf Platz 7 kommen könnte, wenn dafür Timo Maruszczyk auf Platz 8 und Birgit Korte auf Platz 9 gehen könnten. Wer schlug diesen Kompromiss vor? SPREEN: Der Vorschlag kam von Friedrich Schepsmeier. Dann überrascht, dass Schepsmeier und der stellvertretende Stadtverbands-Vorsitzende Horst-Wilhelm Bruhn am Dienstagabend von diesem Kompromiss nichts wissen wollten. SPREEN: Ich habe am Freitag vor der Wahlkreiskonferenz Horst-Wilhelm Bruhn darüber informiert, dass Birgit Korte dem Kompromiss zustimmte. Ob der Stadtverbands-Vorstand vom Kompromiss nichts wissen wollte, weiß ich nicht. Viel Gegenliebe schien es bei der Wahlkreiskonferenz aber nicht für den Vorschlag zu geben – obwohl der doch von Friedrich Schepsmeier kam. SPREEN: Ja, offensichtlich. Zumal ja auch der Varler Ortsvereins-Vorsitzende Günter Meyer sagte, Bauchschmerzen wegen der Listenplätze zu haben und Timo Maruszczyk nicht zu weit hinten haben wollte. Aber Timo Maruszczyk ist nur zur Hälfte in Varl, zur Hälfte aber auch in Rahden. SPREEN: Ja, das stimmt. Timo Maruszczyk war vom Ortsverein Rahden nicht wieder als Kandidat für den Rat aufgestellt worden. Wie kann es sein, dass er nun trotzdem antritt – auch in einem Gebiet, das zum Ortsverein Rahden gehört? SPREEN: Bei der Jahreshauptversammlung des Ortsvereins Rahden gab es eine Stichwahl um den neuen Wahlbezirk Rahden-Süd. Diese Abstimmung gewann Stephan Dick-Rustmeier. Die Besetzung des Wahlbezirks Varl-Süd/Rahden-West war nicht Aufgabe des Ortsvereins Rahden, sondern Aufgabe des Ortsvereins Varl. Der Ortsverein Varl hat das Thema Kandidatur mit Timo Maruszczyk abgesprochen. Warum war Timo Maruszczyk vom Ortsverein Rahden nicht wieder aufgestellt worden? SPREEN: Wir hatten zwei Kandidaten für den Bezirk, die dort auch wohnen. Es wurde bei der Jahreshauptversammlung des Ortsvereins Rahden demokratisch abgestimmt und der bessere hat gewonnen. Weiter will ich das nicht kommentieren. Es gab bei der Wahlkreiskonferenz öffentlich Tadel von Horst-Wilhelm Bruhn gegen Sie wegen Ihrer Pressemitteilung zum Kompromiss. Ist das gängige Praxis im Stadtverband Rahden, ist das gängiger Ton? SPREEN: Früher gab es einen vernünftigen Umgangston. Seit der Diskussion um einen großen Ortsverein Anfang 2019 hat sich der Ton zunehmend verschärft. In Stemwede wurde viel über die Fusion der Ortsvereine gesprochen. Vor gut einem Jahr gab es eine harmonische Gründungsversammlung für den neuen SPD-Ortsverein Stemwede. In Rahden hat man den Eindruck, dass eine Fusion von wenigen durchgedrückt werden soll. Der Stadtverband reagierte auf Nachfragen ja sehr wortkarg. SPREEN: Das stimmt. Sind der Ortsverein Rahden und Sie als dessen Vorsitzende aus Sicht des Stadtverbandes die Schmuddelkinder? SPREEN: Wir sind keine Schmuddelkinder, gelten aber als Verweigerer. Man wirft uns fehlende Solidarität vor. Was spricht aus Sicht des Ortsvereins Rahden gegen eine Fusion? SPREEN: Wir sind bereits ein fusionierter Ortsverein, der Rahden-Stadt, Kleinendorf, Tonnenheide und Stelle vertritt. Wir sind voll funktions- und arbeitsfähig, wir können immer einen kompletten Vorstand bilden. Deshalb sehen wir keine Veranlassung, einen funktionierenden Ortsverein zu zerschlagen. Das sieht bei den anderen Ortsvereinen anders aus? SPREEN: Offensichtlich, nach deren Behauptung ja. Aber es kann doch keine Fusion gegen den Willen eines Ortsvereins geben. Das war doch etwa auch in Espelkamp nicht möglich. SPREEN: Eine Zwangs-Fusion gegen den Willen eines Ortsvereins hat es meines Wissens nach im Kreis Minden-Lübbecke noch nicht gegeben. Warum dann der öffentliche Druck gegen den Ortsverein Rahden und Sie? Sind kritische Geister in der SPD Rahden unerwünscht? SPREEN: Dazu möchte ich nichts sagen. Wie waren die Reaktionen auf Ihren Verzicht auf die Ratskandidatur? Ein Nachfolger stand mit Stefan Meyer ja umgehend bereit. Oder war das schon im Vorfeld vom Stadtverband geplant? SPREEN: Als erste Reaktionen hörte ich Respekt und Verständnis. Das habe ich auch schriftlich bekommen. Ich hatte im Vorfeld der Wahlkreiskonferenz Günter Meyer informiert, dass ich zurücktreten würde, wenn ich das Gefühl hätte, dass ich auf der Reserveliste nach unten durchgereicht werden soll. Wenn sein Sohn nun bereitsteht, den Wahlbezirk Rahden-Nord zu übernehmen, kann ich ihm nur viel Glück dabei wünschen. Bürgermeister-Kandidat Udo Högemeier ist Mitglied im Ortsverein Rahden und ging nach dem ersten Konferenz-Versuch mit Kritikern aus dem Ortsverein Rahden ins Gericht. Er hält etwa Christian Nowara öffentlich vor, mit dem Ziel zur Konferenz gekommen zu sein, diese zu sprengen. SPREEN: Ich verwahre den Ortsverein und insbesondere Christian Nowara gegen jegliche Anschuldigen dieser Art. Der Stadtverband hat sich mit diesem Verhalten selbst sehr geschadet. Wie beurteilen Sie die Chancen für die Wahl? SPREEN: Viele Dinge, die passierten, waren überflüssig, viele Äußerungen und Drohungen auch. Wie die Wähler das bewerten, wird sich am 13. September zeigen. Bei der Wahl vor sechs Jahren holte Volker Witting in Tonnenheide das drittbeste Ergebnis. Was ist aus ihm geworden? SPREEN: Volker Witting hat die Konsequenzen aus dem ihm gegenüber von einigen Genossen gezogenen Verhalten gezogen. Ich hoffe, dass er der SPD und besonders seinem Ortsverein Rahden gewogen bleibt. Bleiben Sie der SPD gewogen? SPREEN: Ich werde immer die großen Werte der SPD vertreten. Alles weitere wird sich in Zukunft zeigen.

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