Juden und ihre Diskriminierung im Lübbecker Land

Lübbecker Land. Unter dem Kurfürsten Friedrich Wilhelm I. von Brandenburg, auch der Große genannt, hatten die Juden in Rechtssicherheit gelebt. Ihre Behandlung änderte sich nach dem Regierungsantritt seines Sohnes Kurfürst Friedrich I. Er betrachtete die Juden nun zunehmend als Objekt wirtschaftlicher Ausbeutung. 1691 erließ der neue Kurfürst ein Konfirmationspatent am 23. Juni 1691 auch für die Juden in der Grafschaft Ravensberg. In dem Konfirmationspatent blieben die von dem Großen Kurfürsten ausgestellten Geleitbriefe bestehen und wurden verlängert. Für dieses Zugeständnis musste die gesamte Judenschaft aber binnen vier Wochen 20.000 Taler und nach Protesten nur 16.000 Taler Sondersteuer zahlen. In Oldendorf wird nur die Familie Gerson Joel erwähnt. 1699 wohnte Gerson Joel zur Miete auf der Stätte Nummer 45 auf dem heutigen Kirchplatz, der früheren &bdquo;Düfels Stätte“, die als Nachfolgebau noch heute besteht (früher Tegtmeier). Dieses Haus gehörte dem angrenzenden Kaufmann Hüffmeyer Nummer 5, später Georg. Das Haus wurde zu den Kirchhöfern gezählt und die Grenze zum Kirchhof verlief direkt an der Nordseite des Hauses. Dies konnte zu Konflikten mit der evangelisch-lutherischen Kirche in Oldendorf führen, wenn dort so nahe an der Kirche ein Jude wohnte. Im Juni 1699 beschwerte sich Gerson Joel bei seinem Vermieter, dass der evangelische Oldendorfer Kaplan Hoffmann, der im angrenzenden späteren zweiten Pfarrhaus wohnte, ihm das Überfahrtsrecht über den Kirchhof verweigerte. Er musste aber über den Kirchhof fahren, um Holz zu seinem Haus zu bringen. Gerson Joel erhielt staatlichen Rechtsschutz von dem Oldendorfer Vogt Leutnant Hörmann. Die Auseinandersetzung hierüber endete erst im Jahre 1755 durch einen besonderen Vertrag. Für das Überfahrtsrecht forderte die Kirche Landbesitz und das Tor zum Kirchplatz musste für Juden verschlossen bleiben. Bemerkenswert ist, dass die Kirche früheren christlichen Mietern dieses Hauses vor 1699 ohne Geldforderungen das Überfahrtsrecht erlaubt hatte. Moscheen möglich, Synagogen nicht Lesen Sie auch Teil 1 der Mini-Serie: Wie Antisemitismus das Lübbecker Land schon vor der NS-Zeit prägte Inzwischen hatte sich Kurfürst Friedrich I. 1701 selbst zum König in Preußen gekrönt. Unter seinem Nachfolger, König Friedrich Wilhelm II, sollte sich die Situation nochmals verschlechtern. Dieser jähzornige und in seinen Handlungen unberechenbare Monarch hatte die altlutherische Gläubigkeit eines Mannes, der von der Schuld der Juden am Kreuzestod Christi und die Notwendigkeit ihrer Sühne überzeugt war. In einer Instruktion von 1722 für seinen Nachfolger schrieb er: &bdquo;Ihr müsset sie drücken, den sie Jesus Christi Verräter sein und sie nicht trauen, den der redlichste Jude ein Erzbetrüger und Schelm ist.“ Diese Haltung des Königs schlug auf die unteren Behörden durch. Diese versuchten aber, das Schlimmste zu verhindern. War allerdings ein Jude sehr wohlhabend, konnte er mit viel Geld die Ausstellung neuer Geleitbriefe (Aufenthaltsgenehmigungen) für den ersten Sohn und weitere Söhne erreichen. Die christlichen Kaufleute warfen manchmal den Juden als Konkurrenten vor, dass diese Handel mit verbotenen Waren betreiben würden. Daraufhin erging am 14. November 1735 der königliche Befehl zur Überprüfung der jüdischen Warenvorräte auch in Oldendorf. Diesen Befehl musste Akziseinspektor und Bürgermeister Wesseling, dem die Steuerkasse Oldendorf unterstand, dem Oldendorfer Judenschaftsvorsteher Salomon Isaac, wohnhaft im späteren Deekeschen Haus an der Mindener Straße, verkünden. Prellbock zwischen beiden Seiten Einen Verstoß gegen die Vorschriften konnte den jüdischen Kaufleuten in Oldendorf aber nicht nachgewiesen werden. Für den Judenschaftsvorsteher, der die Steuern der Judenschaft an den preußischen Staat abliefern musste, war dies eine schwierige Situation. Er war der Prellbock zwischen unnachgiebigen preußischen Steuereintreibern und den eigenen Glaubensgenossen, die sich auch manchmal bitter über die ihnen vom Vorsteher auferlegten Zwangsmaßnahmen beklagten. Vom neuen freigeistigen König Friedrich II., der angebliche &bdquo;Philosoph von Sanscouci“, erhofften sich auch die Oldendorfer Juden eine Besserung ihrer Lage. Sie sahen sich bitter enttäuscht. Dieser König schrieb in einer Randverfügung vom 15. Juni 1740: &bdquo;alle Religionen Seindt gleich und guht wan () und wen Türken und Heiden kähmen und wollten () wier sie Mosqueen und Kirchen bauen.“ Von Synagogen war keine Rede und die Juden waren völlig von der angeblichen Toleranz des neuen Monarchen ausgeschlossen. Er war bis zu seinem Tod 1786 von der &bdquo;politischen Schädlichkeit der Juden“ überzeugt. Der König teilte die Juden in Gruppen unterschiedlicher Wohn- und Gewerbeberechtigungen ein und begrenzte ihre Anzahl auf 40 Familien in der Grafschaft Ravensberg. Die Kriegs- und Domänenkammer Minden und die Städte Lübbecke analog im Fürstentum Minden und Oldendorf in der Grafschaft Ravensberg mussten darüber wachen, dass sich die Anzahl der jüdischen Familien nicht vermehrte. Militärische Exekution Seit 1699 tobte der Streit über das Überfahrrecht auf dem Oldendorfer christlichen Kirchhof für beispielsweise Holz für die jüdischen Einwohner auf der Stätte Nummer 45 am Kirchplatz in Oldendorf. Erst am 18. August 1755 kam es zu einem Vertrag zwischen der Oldendorfer Kirche und dem Bürger Hüffmeyer als Besitzer der Stätten Nummer 5 und 45. Denn die Kirche schloss mit einem Juden keinen Vertrag. Die Oldendorfer Kirche erhielt unentgeltlich ein Landstück und erlaubte dafür das Befahren des Kirchhofs dem jüdischen Kaufmann Levi Heinemann, der auch das spätere Tegtmeiersche Haus erbaut hatte. Die zum christlichen Kirchplatz führende Pforte musste verschlossen sein, solange ein Jude im Haus Nummer 45 wohnte. 1769 ließ sich König Friedrich II. eine neue Schikane für die Juden einfallen. Wenn ein jüdischer Haushaltsvorstand der zugelassenen Familien für seinen Sohn ein Nachfolgerecht im Gewerbe mit Hauskonzession beantragte, musste er zwangsweise von der königlichen Porzellanmanufaktur in Berlin Porzellan für mindestens 100 Taler abnehmen, um die Manufaktur des Königs wirtschaftlich zu stützen. Bei dem Verkauf dieses Porzellans, manchmal kam es zerbrochen in Oldendorf an, gab es häufig Verluste. Erst, wenn die Abnahme von der örtlichen Behörde bestätigt war, wurden neue Geleitbriefe und Hauskonzessionen für die nachfolgenden Söhne erteilt. In Oldendorf waren dies die Familien Philipp Meyer, Abraham Berend, Jacob Levi, Levi Joseph und Levi Heinemann. Manche konnten sich dies finanziell nicht leisten und die örtlichen Behörden legten das königliche Porzellanedikt etwas großzügiger aus. Dies erfuhr 1779 der König und er befahl rücksichtslos die Nachzahlung der ausstehenden Summen – notfalls durch militärische Exekution. Dabei quartierte sich der Polizeidiener oder sogar das Militär in das Haus des Juden ein, bis die Schuld beglichen war. Daraufhin kam es zu Konkursen und die Anzahl jüdischer Familien nahm ab.

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