Alle Infos und Hintergründe zur 3.000 Jahre alten Grabanlage

Porta Westfalica-Lerbeck. Weser- und Wiehengebirge verschwinden im Dunst des Nieselregens. Die riesige Baustelle des neuen Gewerbegebietes in Lerbeck, 80.000 Quadratmeter groß, ist matschig. In der Fläche sind einige Gruben zu erkennen und drei weiße Partyzelte. Sie sollen die zwölf Archäologen, die das Gelände im Auftrag des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) untersuchen, bei ihrer Arbeit zumindest ein wenig vor der Nässe schützen. Dort sind in den vergangenen Wochen ein etwa 3.000 Jahre altes Hügelgrab aus der Bronzezeit sowie Spuren einer Siedlung aus der Zeit der Völkerwanderung zwischen dem vierten und dem sechsten Jahrhundert entdeckt worden. Zwei Broschen aus Bronze gehören zu den besonders schönen Funden. "Archäologischer Hotspot" Einen &bdquo;archäologischen Hotspot" nennt Dr. Sven Spiong, Leiter der Außenstelle Bielefeld der LWL-Archäologie, das Wesertal um die Porta. Im Gegensatz zu weiten Teilen Ostwestfalens sei diese Gegend mit ihren fruchtbaren Böden seit 7.000 Jahren durchgängig besiedelt gewesen und bereits in den Jahrhunderten vor Christi Geburt beackert worden. Er verweist auf Funde aus der Jungsteinzeit in Wülpke, aus dem Neolithikum in Dankersen, aus der römischen Kaiserzeit in Eisbergen und Veltheim und auf unzählige Grabhügel, die entlang der Weser bis nach Petershagen zu finden seien. In vielen anderen Regionen fehlten dagegen Siedlungsspuren aus der Zeitspanne zwischen dem fünften und dem neunten Jahrhundert, bevor die karolingisch-ottonische Besiedlung einsetze. Einzigartige Spuren der Vergangenheit Daher sei den LWL-Archäologen bei einem Blick in die historischen Quellen zu diesem Baugelände schnell klar gewesen, dass dort Bodendenkmäler zu vermuten sind. &bdquo;Diese einzigartigen Spuren der Vergangenheit durften auf keinen Fall verloren gehen", erklärte Spiong. Um herauszufinden, in welcher Fülle sie vorkommen, machten LWL-Archäologinnen zur Auflage, das 80.000 Quadratmeter große Areal zunächst in langen Suchschnitten zu untersuchen. Schon der erste Schnitt habe Ergebnisse gebracht. Ein Sprecher der Firma Grohe, zukünftiger Mieter in dem Gewerbegebiet, erklärte, an erster Stelle stehen der Erhalt und die Dokumentation der Funde. Man habe sich mit den LWL-Archäologinnen und Archäologen abgestimmt, dass Fundstellen überdeckt und so erhalten bleiben können. Nach Angaben von Spiong untersuchen die zwölf Mitarbeiter einer Fachfirma aus Berlin lediglich die Hälfte des Areals, an der die Bauarbeiten in die Tiefe gehen. Arbeiten dauern noch bis Ende Februar Auf der anderen Hälfte werde das Gelände aufgefüllt, daher bleiben der Boden und damit mögliche Spuren aus der Vergangenheit unberührt. Spiong rechnet damit, dass die Archäologen noch bis Ende Februar tätig sein werden. Ein Gelände von 40.000 Quadratmetern in nur vier Monaten zu untersuchen sei eine &bdquo;sportliche Aufgabe". Und bei der aktuellen Witterung auch kein Vergnügen. Mit den Erkenntnissen aus den Suchschnitten hätten die Planer Zeit gewonnen. So könnten erste Bauarbeiten in Angriff genommen werden, während auf einigen Teilflächen weiterhin Archäologen ihrer Arbeit nachgehen. Grabungsleiterin Jasmin Rüdiger: &bdquo;Zum einen haben wir in der Region an der Porta Westfalica zum ersten Mal eine Siedlung des sechsten Jahrhunderts entdeckt, zum anderen stießen wir erstmals in Porta Westfalica auf eine bronzezeitliche Grabanlage mit einem sogenannten Langbett, einem langrechteckigen Grabhügel." Hügel soll zehn bis zwölf Meter lang gewesen sein Das mehr als 3.000 Jahre alte Grab weist auf einen Menschen hin, dessen Familie in der Region damals eine gehobene Stellung innehatte. Allein der Aufwand für die Herstellung des Grabhügels, der von einem kleinen Graben eingefasst war, aber auch Beigaben wie Keramik, Feuersteingeräte – zum Teil wahrscheinlich nur die erhaltenen Überreste vom mitgegebenen Pfeil und Bogen –, aber auch Ocker zum Färben der Haut oder Kleidung betonen den Status der hier bestatteten Person. Nach Angaben von Spiong ist der Hügel zehn bis zwölf Meter lang gewesen. Aus der Zeit seien aber auch wesentlich größere Anlagen von bis zu 30 Meter Länge bekannt. In dem Lerbecker Grab seien Reste des Schädels, einige Knochen sowie Gefäße für Grabbeigaben gefunden worden. Dank der reichhaltigen Befundlage hat das Grabungsteam die Möglichkeit, das Verhalten der Siedlergemeinschaft in der Völkerwanderungszeit (etwa 375 bis 568) genauer zu studieren. Bisher bekannt ist: Im sechsten Jahrhundert lebte auf dem Gelände eine Gemeinschaft aus mindestens drei Familien für etwa ein bis zwei Generationen. Rüdiger: &bdquo;Länger hielten die Holzhäuser mit den Holzpfosten im Boden damals nicht. Wahrscheinlich blieben die nachfolgenden Generationen in der Region und errichteten im weiteren Umfeld neue Höfe." Besonders schöne Funde stellen zwei bronzene Broschen dar: eine kleine vogelförmige Fibel und eine weitere mit zwei im Stil der Zeit dargestellten Tierfiguren. Broschen in dieser Art seien auch aus Süddeutschland bekannt, sagt Spiong. Über die Herkunft der Siedler sagten sie nichts aus. Die Zeit der Völkerwanderung dürfe man sich nicht als kontinuierliche Wanderungsbewegung vorstellen. Vielmehr seien die Menschen immer dann, wenn die Böden verbraucht waren, weitergezogen, um sich an einem neuen, gar nicht allzuweit entfernten, Ort anzusiedeln.

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