Mit Flugzeug abgestürzt: Mühlenkreiskliniken trauern um Klinikdirektor Hinkelbein

Bad Oeynhausen/Hangelar. Die Mühlenkreiskliniken trauern seit Samstag um einen ihrer ganz großen Mediziner. Jochen Hinkelbein galt als ausgewiesener Experte in seinen Fachgebieten und war seit Januar 2023 Direktor der Universitätsklinik für Anästhesiologie, Intensiv- und Notfallmedizin am Johannes-Wesling-Klinikum Minden. Erst zum Jahreswechsel hatte er außerdem die Verantwortung für diese Bereiche auch am Krankenhaus Bad Oeynhausen und an der Auguste-Viktoria-Klinik übernommen. Hinkelbein, der trotz seiner Tätigkeit in Minden weiter mit seiner Familie an seinem vorherigen Arbeitsort in Köln lebte, starb am Freitagmittag bei einem tragischen Flugzeugabsturz im Rhein-Sieg-Kreis in der Nähe von Sankt Augustin. Er wurde 51 Jahre alt. Die sechsjährige Tochter des Mediziners, die ebenfalls in der Maschine saß, konnte sich schwer verletzt aus dem Wrack retten und wurde in ein Krankenhaus gebracht. Nach ersten Erkenntnissen besteht bei ihr keine Lebensgefahr. Der Mediziner hinterlässt neben der Sechsjährigen noch seine Frau, eine Stieftochter und einen Sohn. Warum es zu dem Absturz kam, sollen in den kommenden Tagen Ermittlungen klären, denn Jochen Hinkelbein galt nicht nur als passionierter, sondern auch erfahrener Flieger. Er besaß die Berufspilotenlizenz und soll viel zwischen Köln und Minden auf dem Luftweg gependelt sein. Am Freitag war er nach Angaben der Deutschen Presse Agentur (dpa) am späten Nachmittag mit einer Propellermaschine auf dem Flugplatz in Hangelar gestartet. Lesen Sie auch: &bdquo;Ein echtes Juwel in Ostwestfalen“: Chefarzt zum neuen Bad Oeynhausener Krankenhaus Hinkelbein meldete Motorprobleme Ersten Erkenntnissen der Polizei zufolge hatte der 51-Jährige jedoch kurz darauf Motorprobleme gemeldet. Wenig später stürzte das Kleinflugzeug – eine Beechcraft B36T Bonanza – auf einen Acker und ging in Flammen auf. Dpa-Informationen zufolge soll die Maschine beim Eintreffen der ersten Einsatzkräfte im Motorbereich bereits voll in Brand gestanden haben. Für den 51-jährigen Hinkelbein kam jede Hilfe zu spät, er konnte nur noch tot geborgen werden. Genauere Erkenntnisse zur Unfallursache sollen nun Mitarbeiter des Bundesamtes für Flugunfalluntersuchung und der Flugsicherung liefern. &bdquo;Der plötzliche Tod von Universitätsprofessor Jochen Hinkelbein hat uns zutiefst schockiert. Wir sind traurig und sprachlos“, teilte Christian Busse, Sprecher der Mühlenkreiskliniken, am Samstagnachmittag gegenüber dieser Redaktion mit. Die Mitarbeiter seien am Samstag um 15 Uhr in einer außerordentlichen Klinikversammlung über den Tod des Professors unterrichtet worden. Busse: &bdquo;Unser Mitgefühl gilt seiner Ehefrau, seinen Kindern, seiner Familie und seinen Freunden. Unsere Herzen sind bei seiner schwer verletzten Tochter“, heißt es in der Stellungnahme, die mit diesen Worten endet: &bdquo;Die Mühlenkreiskliniken verneigen sich vor einem großen Mediziner, Wissenschaftler und Hochschullehrer.“ Hinkelbein engagierte sich in der Raumfahrtmedizin Ersatz für den Ausnahmemediziner zu finden, dürfte nicht leicht werden. Denn Jochen Hinkelbein war nicht nur vielseitig begabt, sondern auch universell interessiert. Neben seiner medizinischen Laufbahn und seiner Pilotenlizenz war die Raumfahrt seine große Leidenschaft. Der gebürtige Südpfälzer aus der Nähe von Karlsruhe engagierte sich mehr als 20 Jahre in der Luft- und Raumfahrtmedizin, wurde vor zwei Jahren zum Präsidenten der Europäischen Gesellschaft (ESAM) für Luft- und Raumfahrtmedizin gewählt. Außerdem ist er Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft (DGLRM) für das Fachgebiet. Der 51-Jährige forschte unter anderem zu medizinischen Notfällen an Bord von Flugzeugen oder auch im Weltall. Schon als Vierjähriger habe er den Traum gehabt, zum Mond zu fliegen, sagte Hinkelbein dieser Redaktion in einem Interview im Dezember 2023. Den Traum verfolgte er bis vor ein paar Jahren noch aktiv. Bei der Suche nach einem Studienfach entschied er dennoch zunächst pragmatisch. &bdquo;Nach dem Abitur habe ich überlegt: Soll ich bei der Lufthansa anfangen und Pilot werden? Oder doch lieber Mediziner?“, erzählte er. Er habe sich dann für die Medizin entschieden, weil er da jederzeit fliegen könne. &bdquo;Ich habe im Vergleich zu meinen Freunden, die Piloten sind, den Vorteil: Wenn ich Lust habe zu fliegen, gehe ich fliegen. Die anderen müssen nach Dienstplan ins Cockpit.“ Flüge seien für ihn eine Art Stressausgleich. Hinkelbein erwirbt früh Privatpilotenlizenz Schon mit 18 machte Jochen Hinkelbein deshalb die Privatpilotenlizenz, später folgten Lizenzen als Berufspilot und Fluglehrer. Sein Medizinstudium absolvierte er in Heidelberg, wählte dort als Wahlfach Luft- und Raumfahrtmedizin – und kam so seinen großen Idolen, den Astronauten, das erste Mal nahe. Bei der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) wirkte er an der Ausbildung derer mit, die zur internationalen Raumstation ISS flogen. Außerdem entwickelte er unter anderem notfallmedizinische Konzepte für Langzeit-Weltraumflüge, befasste sich mit zum Beispiel mit der Frage, wie gut Menschen, die auf engstem Raum miteinander eingeschlossen sind, innere Verletzungen per Ultraschall untersuchen können. Und wie die Chancen von Astronauten stehen, wenn sie im Weltall zum Beispiel eine Blinddarm-Entzündung erleiden oder eine größere Operation bräuchten. Selbst ins All schaffte es der 51-Jährige trotz diverser Anläufe aber nicht. 2007 meldete er sich als Kandidat für die Ausbildung zum Astronauten bei der European Space Agency (ESA) – &bdquo;das war der Jahrgang von Alexander Gerst“, sagte er. Hinkelbein schaffte es immerhin in die zweite Runde, bis unter die letzten 5.000. 2020 versuchte er es erneut, danach gab er mit Blick auf sein Alter auf. Raumfahrt sei etwas für fitte, rundum gesunde und eher junge Menschen – &bdquo;das ist dann etwa zwischen 35 und 55 Jahren“, sagte er vor gut einem Jahr gegenüber dieser Redaktion. Hinkelbein erlebt Schwerelosigkeit abseits des Alls Schwerelosigkeit erlebte er dennoch: Bei Forschungsprojekten bei Parabelflügen über dem Atlantik verbrachte Hinkelbein 31 mal 22 Sekunden losgelöst von der Anziehungskraft der Erde, in einem Overall, wie ihn auch Astronauten tragen. &bdquo;Als ich den anzog, das war ein unvergessliches Gefühl, einfach dazuzugehören, und man weiß, gleich geht es los“, sagte er dazu dieser Redaktion. Und gab auch zu, dass sein Magen damit durchaus Schwierigkeiten gehabt habe. Während der Flüge machte er gemeinsam mit seinem Team wissenschaftliche Experimente zu Herzdruckmassage, zur Beatmung in der Schwerelosigkeit oder mit Zellen. Als Mediziner arbeitete Jochen Hinkelbein zunächst am Universitätsklinikum Mannheim. Von 2002 bis 2009 war er dort als Assistenzarzt, dann als Facharzt und schließlich als Oberarzt tätig. Danach wechselte er als Geschäftsführender Oberarzt an die Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin ans Universitätsklinikum Köln. Lehre hatte für Mediziner immer großen Stellenwert Für Hinkelbein hatte die Lehre dabei immer einen besonderen Stellenwert: Ab 2013 hatte er die Leitung der studentischen Lehre für das Fach Notfallmedizin an der Uniklinik Köln inne. Bei seinem Start in Minden kündigte er als Nachfolger des langjährigen Klinikdirektors Bernd Bachmann-Mennenga Anfang 2023 an, &bdquo;richtungsweisende Impulse zu setzen“. Für einen Mann, der bis zum Mond fliegen wollte, hatte Hinkelbein aber mitunter bescheidene Ansichten. Eines seiner größten Abenteuer, sagte er noch 2023, das sei Minden gewesen. &bdquo;Ich habe mit meiner Familie 13 Jahre in Köln gelebt und gearbeitet. War geschäftsführender Oberarzt, kannte alle Kollegen, die Stadt, die Region. Und dann das Berufungsverfahren für den Lehrstuhl Notfallmedizin hierher – wo man die Mitarbeitenden nicht kennt, die Region nicht, wo ich plötzlich Chef von 70 Mitarbeitern bin und noch viel mehr Menschen im Alltag steuern muss.“ Er habe sich gefragt, ob seine zukünftigen Mitarbeiter vertrauensvoll mit ihm arbeiten möchten, ob ihn die anderen Chefarztkollegen akzeptieren werden, ob die Geschäftsleitung und die Universität zufrieden sein werden. &bdquo;Ja, das war ein Abenteuer, ein Sprung ins Unbekannte, die maximale wissenschaftliche und soziale Herausforderung unter unbekannten Parametern. Aber genau das ist es, was ich vom Leben möchte. Wer niedrig zielt, wird doch nie hoch treffen.“

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