Projekt gegen Jugendkriminalität in Minden: Gruppen haben sich aufgelöst

Minden. Jugendliche, die sich zusammentun, gemeinsam Diebstähle und Raubüberfälle begehen, Mädchen, die andere Kinder schlagen und bedrohen - solche Fälle beschäftigten 2022 und 2023 die Polizei im Kreis Minden-Lübbecke stark. Manche Kommunen waren besonders betroffen, die Bevölkerung - darunter viele Eltern - machte sich Sorgen. Mit einem Projekt zur Bekämpfung von Jugendkriminalität wollte die Polizei gegensteuern. Was ist daraus geworden? Was hat sich verändert? &bdquo;Die Gruppen in der Form haben wir nicht mehr“, zieht Thomas Brakemann, Polizeihauptkommissar und Projektleiter, nach nicht ganz zwei Jahren Bilanz. Ein Grund: Drei Rädelsführer von zwei Gruppen, die in Minden und Bad Oeynhausen aktiv waren, sind seit Ende letzten Jahres in Haft, einer der Täter war erst 14 Jahre alt. Danach seien viele der Jugendlichen ausgestiegen. &bdquo;Sie haben gesehen, was passieren kann“, sagt Brakemann mit Blick auf die Arbeit des Projekts. Es ist nach seiner Einschätzung vermutlich das einzige dieser Art bei einer Polizeibehörde. Extremer Anstieg der Straftaten bei Minderjährigen Die Polizei hatte das Projekt im März 2023 gegründet, nachdem sich im Jahr zuvor ein extremer Anstieg der Straftaten unter Minderjährigen abgezeichnet hatte. &bdquo;Wir hatten 2022 eine Steigerung im Bereich Jugendkriminalität um 23 Prozent“, erinnert sich Brakemann. Auch im Jahr danach gingen die Zahlen bei Diebstählen, Körperverletzungen und Rauschgiftdelikten, die von Jugendlichen begangen wurden, nach oben: bei den 14 - bis 18-Jährigen von 702 in 2022 auf 748 in 2023, bei den Heranwachsenden bis 21 Jahren von 538 in 2022 auf 566 in 2023. Das Kreisgebiet ist damit übrigens keine Ausnahme: Bei der Vorstellung der Kriminalitätsstatistik 2023 für ganz Nordrhein-Westfalen zeigte sich, dass die Kinder- und Jugendkriminalität im Jahresvergleich um 10,8 Prozent auf 95.300 Fälle zugenommen hatte. Bei der Betrachtung der heimischen Fälle zeigte sich: Viele der Jugendlichen hatten sich in Gruppen zusammengetan. &bdquo;Das war vorher nicht so“, sagt Brakemann. Bei der weiteren Auswertung kristallisierten sich zudem Schwerpunkte heraus: Vor allem die Städte Minden und Bad Oeynhausen waren betroffen. &bdquo;Kurzfristig war auch Porta Westfalica mit drin“, sagt Brakemann. Hierhin hatte sich die Mindener Bande verlagert, als der Druck scheinbar zu groß wurde. Wie ging die Polizei vor? &bdquo;Wir haben intern ausgewertet, welche Jugendlichen in Betracht kommen: Wo sind Treffpunkte, wer die Rädelsführer?“, erklärt Brakemann. Mehr als 40 junge Menschen gerieten anfangs in den Fokus, wurden besonders beobachtet. Wenn Polizisten sie sahen, sprachen sie die Jugendlichen direkt an, signalisierten: Wir haben euch im Blick. Wurde tatsächlich einer von ihnen straffällig, sei man zusammen mit Mitarbeitenden des Jugendamts zu den Eltern nach Hause gefahren, habe sich dort umgeschaut. Die Einsatzkräfte trafen dabei auf einen Querschnitt der Gesellschaft. &bdquo;Man kann nicht sagen, dass alle unter schlimmen Verhältnissen lebten. Das waren ganz normale Familien“, schildert Brakemann seinen Eindruck. Wöchentlich gab es eine Lagebesprechung der beteiligten Bereiche. Der Austausch mit Jugendamt, aber auch Jugendstaatsanwaltschaft und -richtern wurde intensiviert. Spezialisierung auf jugendliche Tatverdächtige Man habe zudem forciert, die Fälle besonders schnell zu bearbeiten, um sie zeitnah der Staatsanwaltschaft schicken zu können, erklärt Dirk Finke den Part der Sachbearbeiter. So sollte den Jugendlichen signalisiert werden, dass sich etwas tut. Finke leitet das Kommissariat 6, das die Jugend-Fälle bearbeitet. Hier wurde mittlerweile eine eigene Abteilung gebildet, die sich nur mit jugendlichen Tatverdächtigen befasst. In anderen Bereichen würde man das wohl eine Ermittlungskommission nennen. Fälle werden dort nicht mehr nach Straftaten, sondern nach Alter und Person bearbeitet - damit können Auffälligkeiten besser erkannt werden. Die Spezialisierung habe sich während des Projekts herauskristallisiert, berichtet Thomas Brakemann. Ein weiterer Trend, der sich anhand der Zahlen beobachten ließ, war der steigende Anteil von Mädchen unter den Tatverdächtigen: Waren es 2022 noch 209 im Alter von 14 bis 18 Jahren, stieg die Zahl im vergangenen Jahr auf 245 an. Bei den 18- bis 21-Jährigen waren es 148 (2022: 116). Bei den Kindern stieg die Zahl im vergangenen Jahr von 103 auf 120. Darunter waren auch Mitglieder einer Mädchengruppe, die eine Zeit lang in Minden und Bad Oeynhausen für Unruhe sorgten. Sie bedrohten unter anderem andere Kinder im Bus. Neben Überfällen gingen zudem Ladendiebstähle auf das Konto der Täterinnen, die teils aber noch unter 14 Jahren und damit strafunmündig waren. Zahlen im Bereich der Jugendkriminalität voraussichtlich gesunken In solchen Fällen könne man kaum etwas machen, berichten die Polizisten. Es habe unheimlich viele Elterngespräche gegeben, erinnern sie sich. Seit Ende April sei die Gruppe nun aber nicht mehr aktiv. &bdquo;Eine Rädelsführerin hat die Wohngruppe gewechselt“, erklärt Thomas Brakemann. Damit ist eine stationäre Jugendhilfeeinrichtung gemeint, das Kind wohnt also nicht mehr zu Hause. Natürlich gebe es auch weiter Straftaten. &bdquo;Aber die Gruppenbildung, so wie es sie vorher gab, hat sich erledigt. Es gibt nicht mehr diese Gruppendynamik“, sagt Dirk Finke. Die Zahlen im Bereich der Jugendkriminalität seien runtergegangen, sagt Brakemann. Eine genaue Auswertung veröffentlicht die Polizei in der Regel im Frühjahr mit ihrer Kriminalitätsstatistik. Wird das Projekt nun angesichts der positiven Entwicklung eingestellt? Brakemann und Finke schütteln die Köpfe. Sollte es wieder Auffälligkeiten in der Richtung geben, könne man durch die bislang gewonnenen Erkenntnisse schnell reagieren. &bdquo;Sobald sich Jugendgruppen wieder zusammentun, können wir aktiv werden und es im Keim ersticken“, meint Thomas Brakemann.

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