Mindener Kultkneipe schließt zum Jahreswechsel

Minden. Die Nachricht verbreitet sich in den letzten Tagen wie ein Lauffeuer in Minden. Das Windlicht, eine der traditionsreichsten und bekanntesten Kneipen der Stadt, soll schon zum Jahresende schließen, heißt es. &bdquo;Ja, das ist leider so“, sagt Claudia Kurz im MT-Gespräch sichtlich niedergeschlagen - und bestätigt damit die Gerüchte am Donnerstag. Noch am Freitag und Samstag habe die Gastronomie geöffnet, dann ist vorerst Schluss. Hoffnung, dass das Windlicht nicht für immer erlischt, gibt es allerdings, wie Claudia Kurz erklärt. &bdquo;Ich bin in Gesprächen mit einer potenziellen Nachfolgerin wegen einer Übernahme. Da gibt es aber allerdings noch Einiges zu klären. Und sie muss dann natürlich auch noch Einigung mit dem Verpächter erzielen. Wenn alles klappt, wird das Windlicht für eine Renovierung auch erstmal zwei Monate geschlossen bleiben“, sagt Kurz ohne noch weiter ins Detail zu gehen oder Namen zu nennen. Sie hatte das Windlicht vor rund dreieinhalb Jahren von Kult-Wirt Ralf Rathert übernommen - zu einer Zeit, in der Corona das ganze Leben in Deutschland durcheinanderwirbelte. &bdquo;Corona ist auch die Erklärung, weshalb es nicht mehr weitergehen wird“, sagt Kurz. Die erfahrene Gastronomin, die seinerzeit die &bdquo;Hufschmiede“ (heute &bdquo;Anno“) betrieben hatte, übernahm das Windlicht zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt. &bdquo;Ich bin am 1. April 2020 gestartet und habe somit keinen Anspruch auf die ganzen Corona-Hilfen gehabt“, sagt Kurz. Erhalten habe sie diese zwar, müsse sie aber nun komplett zurückzahlen. Genehmigung für Außengastronomie kommt zu spät &bdquo;Ich bin am Ende und es geht einfach nicht weiter“, sagt Kurz wehmütig und blickt zeitgleich voller Ungewissheit auf ihre persönliche Zukunft. Sie werde sich jetzt, wo es aus gastronomischer Sicht langsam, aber sicher aufwärts geht, einen neuen Job suchen müssen. &bdquo;Wo, weiß ich noch nicht. Aber irgendwo, wo ich viel arbeiten kann, um die Schulden zu tilgen.“ Neben Corona seien die letzten dreieinhalb Jahre seit der Übernahme von Rathert in vielerlei Hinsicht problematisch gewesen. &bdquo;Es ist so viel schief gelaufen. Das kann man sich gar nicht vorstellen“, sagt Kurz und erinnert sich unter anderem an die Hängepartie rund um die Außengastronomie im Jahr 2022, als über einen Sondernutzungsantrag wegen Personalengpässen bei der Stadt Minden erst nach mehreren Monaten entschieden worden war. Seinerzeit berichtete Kurz auch von Plänen einer Außengastronomie im Innenhof, die sie schon im Jahr zuvor hatte. &bdquo;Nach drei Jahren ist die Genehmigung jetzt da - aber zu spät“, sagt die Gastronomin. Auch der Personalmangel in der Gastronomie sei nicht am Windlicht vorbeigegangen. &bdquo;Die Summe der Dinge ist im negativen Sinne überwältigend gewesen“, fasst Kurz zusammen. Deswegen sei ihr nun nichts anderes übrig geblieben, als die Notbremse zu ziehen. Die auf 520-Euro-Basis angestellten Mitarbeitenden hören zum Januar auf. &bdquo;Sie haben teilweise schon andere Jobs.“ Für Kurz und ihre Mitarbeiter hat die schmerzhafte Abschiedstournee kurz nach Weihnachten begonnen, während die zahlreichen Stammgäste der Szenekneipe nun hoffen, dass sich schnell ein Nachfolger findet, um das Windlicht weiter brennen zu lassen. Die Geschichte des Windlichts Die Geschichte des Gebäudes Königswall 77/79, in dem das Windlicht untergebracht ist, reicht weit bis ins 19. Jahrhundert und darüber hinaus zurück. Hier lag die Keimzelle der am 26. Oktober 1902 gegründeten, von Verbrauchern getragenen Konsum-Genossenschaft in Minden. Im Folgejahr wurde in dem Haus die erste Verkaufsstelle des &bdquo;Konsums“ – gesprochen mit kurzem &bdquo;u“ – eröffnet. 1912 erfolgten der Umbau zum Ladengeschäft und der Einbau einer Wurstküche und eines Fleischerbodens. In Verbindung mit dem Nachbarhaus Nr. 79 war hier bis 1925 die Konsum-Zentrale. Bis 1974 blieb die Nachfolgegesellschaft Coop Eigentümer. Nach dem Erwerb durch den im Nebenhaus arbeitenden Tischlermeister Vieweg wurde das ehemalige Ladengeschäft 1975 zur Gaststätte umgebaut. Die Außenfassade gestaltete der Künstler Josef &bdquo;Jo“ Klaffki (1943-1997). Markant ist bis heute die von ihm über die Nordwestecke gemalte liegende nackte Frau. Im September des Jahres eröffnete der aus Todtenhausen stammende Hans Kuhlmann (1953-1999) das Windlicht. Hansi &bdquo;Windlicht“, wie er oft genannt wurde, verwirklichte weitere gastronomische und zunehmend auch künstlerische Vorstellungen. 1978 eröffnete er in der Umradstraße 7 an der Stelle der abgebrannten &bdquo;Klamotte“ das Tanzlokal &bdquo;Treibhaus“ (später: Restaurant Melcher). Ein Jahr später verließ er den Tresen im &bdquo;Windlicht“. Er gründete eine Werbeagentur und die &bdquo;Kulturfabrik“ in der alten Zigarrenkistenfabrik. Er förderte Kunst und Kultur und gab vielerlei Anstöße, auch zum 1200-jährigen Stadtjubiläum Mindens im Jahr 1998. Ein Jahr darauf kam Kuhlmann am 14. September 1999 bei einem Autounfall ums Leben. Hoffnung auf Nachfolge besteht Im Laufe seiner bald 50 Jahre hat sich das Windlicht trotz einer Beständigkeit des Erscheinungsbildes und des Mobiliars gewandelt und fortentwickelt – angefangen von den Öffnungszeiten. In den ersten Jahren war es schon nach Schulschluss Anlaufpunkt für Oberstufenschüler, um Freunde zu treffen, eine Cola zu trinken, Billard zu spielen oder zu flippern. Und am Abend war es rappelvoll – so voll, dass Kuhlmann schon nach kurzer Zeit den Billardtisch abschaffte, um mehr Platz für Gäste und mehr Umsatz zu haben. Eine Schülergeneration nach der nächsten gab sich die Trinkgläser in die Hand, und bald kamen auch die Lehrer zur eigenen Freizeitgestaltung. Das Publikum wurde mit der Zeit älter – und das Windlicht wandelte sich von einer Kneipe zu einem Restaurant. &bdquo;Ich habe sogar einen Mittagstisch angeboten“, sagte Ralf Rathert einst gegenüber dem MT. Doch irgendwann, Anfang der 2000er, lohnte sich die frühe Öffnung nicht mehr und er stellte das Mittagsangebot ein. 2020 übergab Rathert das Windlicht dann an Claudia Kurz. Dreieinhalb Jahre später ist zum Jahreswechsel 2023/2024 vorerst Schluss - doch die Hoffnung auf eine Fortsetzung der Windlicht-Geschichte besteht.

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