Prozess: Angeklagter schon wegen anderer schwerer Straftaten verurteilt

Minden/Bielefeld. Dramatische Szenen spielen sich in der Nacht des 14. September 2021 in der Simeonstraße in Minden ab. Zeugen beobachten, wie ein Mann vor einer Gaststätte immer wieder mit voller Wucht auf den Kopf eines am Boden liegendes Opfers eintritt. Nur wenige Minuten später ist die alarmierte Polizei vor Ort. Der Täter ist geflüchtet.Mit einem schweren Schädel-Hirn-Trauma wird ein 56-jähriger Mann ins Johannes-Wesling-Klinikum eingeliefert. Der mutmaßliche Täter ist dem Gastwirt zumindest mit Vornamen bekannt. Eine Mordkommission ermittelt. Neun Tage später hat die Fahndung der Polizei Erfolg. Jürgen W. (Name geändert) wird vor dem Haus seiner Freundin in Minden festgenommen und geht in Haft. Seit Mittwoch muss sich der 44-Jährige vor der X. Strafkammer des Landgerichts Bielefeld unter anderem wegen Verdachts des versuchten Totschlags verantworten. Die verlesene Anklageschrift von Staatsanwalt Christoph Mackel ist zwar nicht lang, hat es aber in sich. Demnach soll der Angeklagte sein Opfer in Minden zunächst derart attackiert haben, dass dieses zu Boden gegangen sein soll. Anschließend soll der Angeklagte den Geschädigten mindestens fünfmal mit voller Wucht mit der Faust ins Gesicht geschlagen und danach mindestens 15-mal gegen den Kopf des regungslos am Boden liegenden Mannes getreten haben. Er soll dabei den Tod des 56-Jährigen billigend in Kauf genommen haben. Opfer liegt noch immer im Wachkoma Das Opfer hat bei dieser Attacke schwere äußere und innere Kopfverletzungen erlitten und soll sich bis heute in einem Wachkoma befinden, aus dem es vermutlich nie wieder erwachen wird, sagt der Staatsanwalt. Der 44-jährige Angeklagte, von eher schmächtiger Statur mit einem kleinen Haarzopf und einem dünnen Rauschebart, nimmt diese gravierenden Vorwürfe und Folgen der Tat in stoischer Ruhe ohne sichtbare Gemütserregung hin. Schon bei der Befragung zu seinen Personalien hat der Vorsitzende Richter Christoph Meiring, ein erfahrener Jurist, große Probleme, Jürgen W. ein paar Worte zu entlocken. Zu dem Fall selbst wolle sich der Angeklagte, so verkündet es sein Strafverteidiger Karsten Schult aus Minden, nämlich nicht einlassen. &bdquo;Sie hatten ein wechselreiches Leben, das viele Fragen offen lässt. Ich bin mir nicht sicher, ob es erfolgversprechend ist, wenn sie auch schweigen, was ihr Leben anbelangt. Ich will verstehen, warum sie diesen Lebensweg genommen haben“, bittet Meiring den Angeklagten vergeblich. Doch das umfangreiche Strafregister des 44-Jährigen, die dazu vorliegenden Urteile zeichnen einen Lebensweg, auf dem bereits nach dem zweiten Geburtstag alle Weichen gänzlich falsch gestellt wurden. Als Jugendlicher überfällt Jürgen W. schon Tankstellen und Spielsalons In Leipzig 1977 geboren lassen sich die Eltern von Jürgen W. zwei Jahre später scheiden. Der kleine Junge bleibt bei seiner Mutter, die alkoholkrank ist. Immer neue Lebensgefährten gehen bei ihr ein und aus. Der Besuch der Grundschule geschieht nur unregelmäßig. Nach dem vierten Schuljahr kommt der Angeklagte letztlich in ein Kinderheim. Auch dort gibt es Probleme – mit der Folge, dass der Junge in ein Heim für schwer erziehbare Kinder kommt.Von dort reißt er immer wieder aus, die ständig betrunkene Mutter holt Jürgen W. wieder zu sich nach Hause. Mit zwölf Jahren trinkt auch das Kind ersten Alkohol, nimmt kurze Zeit später Drogen und findet sich irgendwann auf der Straße wieder. Als Mitglied einer Clique überfällt der heute 44-Jährige Tankstellen und Spielsalons. 1996 hat er gänzlich den Kontakt zu seiner Familie verloren. 1993 wird Jürgen W., der eine Lehre zum Mosaiksteinleger abbricht, zum ersten Mal zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Regelmäßig begeht er danach weitere, schwere Straftaten. Wegen räuberischer Erpressung, Diebstahls, schweren Raubs, Nötigung oder Körperverletzung steht er immer wieder vor Gericht und wird zu teils empfindlichen Haftstrafen verurteilt. Doch eine Läuterung des Mannes findet nicht statt. 1998 wird er vom Leipziger Landgericht für fast zehn Jahre ins Gefängnis geschickt, danach zog es den Angeklagten nach Minden. Jetzt droht ihm bei Verurteilung wegen versuchten Totschlags sogar nach Haftverbüßung die Sicherungsverwahrung. Damit wäre seiner kriminellen Laufbahn vermutlich ein endgültiges Ende gesetzt. Der Prozess wird am 16. März fortgesetzt.

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