Messerangriff in Lübbecker Flüchtlingsunterkunft: Überraschungen im Gerichtssaal

Lübbecke/Minden. An Überraschungen fehlte es nicht beim Verfahren vor dem Schöffengericht Minden am Dienstag gegen einen Mann aus Guinea, der im Dezember 2023 einen Landsmann in der Flüchtlingsunterkunft in Lübbecke mit einem Messer schwer verletzt haben soll. Die erste Überraschung tauchte schon bei der Personalienfeststellung auf. Nein, er sei nicht am 24. April 2002 geboren, wie es in den Akten stand, sondern schon 1990, korrigierte Mustapha K. den Vorsitzenden Richter Andreas Böhme. Das konnte er auch durch einen Ausweis seines Heimatlandes direkt belegen. Nahezu Gleiches passierte zwei Stunden später bei der Personalienfeststellung des ersten Zeugen. Er sei nicht am 1. Januar – das Datum nehmen deutsche Asylbehörden stets an, wenn der genaue Geburtstag nicht bekannt ist – 1997, sondern am 8. April 2004 geboren, sagte Ibrahim B. dem Gericht. Er selbst sollte im Verlauf der Verhandlung noch für die größte Überraschung sorgen. Streit setzt sich im Flur fort Zunächst schilderte der nun in den Akten um zwölf Jahre &bdquo;gealterte“ Angeklagte das Geschehen in der Unterkunft in der Nacht vom 12. auf den 13. Dezember 2023. Er sei von der Arbeit gekommen, als Ibrahim B., der im Obergeschoss wohnte, sich in sein Zimmer habe drängen wollen, ihn wüst geschimpft und beleidigt habe. Schließlich habe der damals 19-jährige Landsmann ein Messer gezogen, ihn in die Schulter gestochen sowie ins Gesicht geschnitten. Ein dritter Bewohner, der die Auseinandersetzung in der Küche gehört habe, sei gekommen und habe dem Angreifer das Messer aus der Hand genommen. B. sei daraufhin nach oben geflüchtet. Der Angeklagte will ihm später gefolgt sein. Auf dem Flur oben sei es zu einer Fortsetzung des Streits gekommen. Der wiederum eskalierte. Nun hatte plötzlich K. ein Messer in der Hand. Es habe auf dem Kühlschrank im Flur gelegen. Er habe sich verteidigen müssen, weil Ibrahim B. ihn mit dem Hals einer zerschlagenen Wodkaflasche bedroht habe. Es habe ein Gerangel gegeben und alles sei zu Boden gegangen.Anderer Fall von 2018: Nach Messerattacke an Flüchtlingsunterkunft: Pfarrer fordert zweiten Sozialarbeiter Securitymitarbeiter greift ein Diesmal war also der vorherige Angreifer das Opfer. Er bekam einen Stich in die linke Schulter. K. lief daraufhin nach draußen, von wo aus er seine Freundin anrief und sie bat, die Polizei anzurufen. Ob das auch der draußen postierte Securitymitarbeiter gemacht hat, könnte der zweite Prozesstag am kommenden Dienstag klären. Der Angeklagte jedenfalls folgte der Aufforderung des Sicherheitsmannes, das Messer hinzulegen, indem er es in einen Müllcontainer warf. Am kommenden Dienstag könnte auch geklärt werden, warum das andere Messer, das Ibrahim B. eingesetzt haben soll, erst neun Tage später plötzlich auftauchte. Das erklären konnte oder wollte B. nicht. Zumindest war es der lauten Dauerrede, bei der er sich auf dem Zeugenstuhl kaum unterbrechen ließ, nicht zu entnehmen. Überhaupt beinhaltete der Wortschwall in der 45-minütigen Vernehmung wenig Fakten, stattdessen ständige Wiederholungen und Abschweifungen und meistens &bdquo;Je ne sais pas“ (Anm. d. Red.: &bdquo;Ich weiß nicht“). Dolmetscherin war kaum zu verstehen Die Dolmetscherin, die Französisch-Deutsch und umgekehrt für zwei Personen übersetzen musste, war kaum zu verstehen. Während sie übersetzte, redete B. unbeirrt weiter. Der Vorsitzende Richter hatte weder mit einer lautstarken Ermahnung noch mit schier unendlicher Geduld Erfolg gegen die Wortkaskaden. B. schien weder zu registrieren, wo er war, noch was ihm vorgehalten wurde. Einen Vorfall drei Monate nach dem Abend im Heim, bei dem er den Angeklagten im Zug und vor dem Bielefelder Bahnhof erneut beleidigte, leugnete er. Aber das war polizeilich aktenkundig. K. hatte ihn angezeigt. Diese Ermittlungen wurden jedoch eingestellt. Andere aber nicht, weswegen der ohnehin schon vorbestrafte Zeuge jetzt in U-Haft in Brackwede sitzt. Weniger Überraschungen, aber mehr Klarheit erhoffen sich die Prozessbeteiligten von den Aussagen weiterer Zeugen in diesem ungewöhnlichen Fall – rechtlich sind es zwei –, wo der jeweilige mutmaßliche Täter auch das mutmaßliche Opfer ist. 📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Minden-Lübbecke

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