Ex-Mitarbeiter von Lübbecker Fleischvermarkter nach Messerangriff verurteilt

Lübbecke/Minden. Zu einem vierwöchigen Dauerarrest wurde ein 23-jähriger Mann vom Schöffengericht Minden verurteilt, weil er einem Mitbewohner im Streit mit einem scharfen Messer die Wange aufgeschlitzt hatte. Die Strafe hat er im Prinzip schon zuvor abgesessen. Ja sogar erheblich mehr. Denn seit Oktober sitzt er in der Justizvollzugsanstalt in Herford. Dorthin kehrte er nach dem Urteil zurück. Mit der Bahn und als freier Mann. Aber nur, um seine Sachen abzuholen. Kein Bett mehr für ihn in der JVA. Dem polnischen Staatsangehörigen wurde vorgeworfen, in einer Firmen-Unterkunft eines Lübbecker Fleischvermarkters, für den er gearbeitet hatte, am 8. Mai 2021 einen seiner drei Mitbewohner mit einem Butterflymesser bedroht und im Gesicht so stark verletzt zu haben, dass der Schwierigkeiten mit Essen und Trinken hatte. Der Streit um ein Handy war eskaliert, es waren Drogen und Alkohol im Spiel, eine Tür ging zu Bruch. Was damals wirklich geschah, konnte das Schöffengericht Minden nicht aufklären. Die vier Beteiligten haben zwar ihre Aussagen damals vor der Polizei gemacht, sind dann aber verschwunden. Nur der Angeklagte wurde im Oktober 2024 in Cottbus festgenommen, weil nach ihm mit einem Haftbefehl des Amtsgerichts Bielefeld gesucht wurde. So konnte das Mindener Gericht in seiner Gesamtheit auch nur das Geständnis des Angeklagten verwerten, das sein Verteidiger Klaus Kleemann verlas. Flucht in Alkohol und Drogen Darin wurde nach Ansicht des Gerichts auch die schwierige Situation des damals 19-Jährigen deutlich. Er sei ein familienbezogener Mensch, stellte auch die Jugendgerichtshilfe fest. Für die habe er schon so jung Verantwortung übernehmen müssen und wollen. Eine innige Beziehung habe er zu seinen Urgroßeltern gehabt. Doch zum Geldverdienen habe er in die Fremde gemusst. Nach einigen Nebenjobs in Bars und Restaurants in Cottbus und Berlin sei er auf Rat eines Freundes zu dem Fleischvermarkter nach Lübbecke gekommen. Doch dort sei das Leben hart gewesen, schwere körperliche und auch psychisch nicht leichte Arbeit, die Entfernung von der Familie, die fehlenden sozialen Kontakte und die beengten Wohnverhältnisse in der Unterkunft, die Flucht in Alkohol und Drogen und die latente Aggressivität, die hier real umschlug, wurde im Bericht thematisiert und vom Gericht in seine Bewertung einbezogen. Die starke Bindung in der Familie spreche eher für eine Strafbewertung nach Jugendstrafrecht, meinte die Vertreterin der Jugendgerichtshilfe. Sein Alleinleben in Lübbecke spreche nicht dagegen, denn zu Eigenständigkeit habe die Arbeit nicht viel Raum gelassen. Lesen Sie auch: 44-Jähriger aus Minden bekommt mehr als 11.000 Euro vom Staat Rückkehr zu JVA Herford ohne Geld Die Gerichtsvorsitzende wies zudem darauf hin, dass er nach eigener Aussage nur mit dem Messer vor dem Gesicht des Geschädigten, der ihn zuvor verbal und tätlich angegangen sei, herumgefuchtelt habe. Die Aussagen der drei Zeugen vor der Polizei damals, auch wenn sie anderes schilderten, könnten jetzt und hier nicht kritisch hinterfragt werden, sodass der Version des Angeklagten im Zweifel Glauben zu schenken sei. Schließlich sprachen auch neben dem Geständnis der Tatzeitpunkt vor nun fast vier Jahren sowie die fast viermonatige Untersuchungshaft zugunsten des Angeklagten. Dem auf Antrag der Staatsanwältin verhängten vierwöchigen Dauerarrest nach Jugendstrafrecht stimmten der Angeklagte und sein Verteidiger zu, der mit den Worten &bdquo;Ich schließe mich der Frau Staatsanwältin an“, das kürzestmögliche Plädoyer hielt. Lesen Sie auch: Diese sechs Krankenhäuser aus OWL klagen gegen die Klinikreform Plötzlich ist keiner zuständig Doch nun hatte sein plötzlich wieder freier Mandant ein Problem. Er war von der JVA Herford zum Gericht in Minden gebracht worden. Die Begleiter durften ihn aber aus versicherungsrechtlichen Gründen nicht wieder mitnehmen. In Herford lagen aber noch seine Sachen und von dort wollte er weiter wieder nach Hause, nach Polen zur Familie. Geld hatte er nicht dabei. Zuständig war nun keiner mehr. Nicht Gericht oder Gerichtshilfe, nicht sein Verteidiger. Den ersten Teil des Heimwegs ermöglichte ihm die Vorsitzende Richterin mit einem Schreiben, das er der Fahrkartenkontrolle in Zug und Bus zeigen könne. Es galt aber nur bis Herford. Von dort muss er sich selbst nach Hause durchschlagen. Ein bisschen Geld hat er in seiner überlangen U-Haft verdient. 📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Minden-Lübbecke

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