Diskussion zur Gedenkstätte Stalag 326: Lübbecker nennt AfD-Aussagen im Kreistag "abscheulich"

Minden-Lübbecke. Wie gehen Parteien heute mit dem Erbe des Nazi-Terrors um? Das zeigt sich in Ostwestfalen-Lippe derzeit in der Diskussion um das frühere Kriegsgefangenenlager Stalag 326 in der Senne (Landkreis Gütersloh). Zehntausende Menschen starben dort an den unmenschlichen Bedingungen. Ab dem kommenden Jahr soll eine Stiftung die Gedenkstätte Stalag 326 weiterentwickeln. Die vom Land, dem Landschaftsverband-Westfalen-Lippe, den OWL-Landkreisen und der Stadt Bielefeld getragene Stiftung soll künftig die Gedenkstätte tragen. Soll der Kreis Minden-Lübbecke dabei sein? Dazu gab es im Kreistag einen Schlagabtausch zwischen der AfD und den demokratischen Parteien. Zwangsarbeit auch im heutigen Kreisgebiet Während der Nazi-Diktatur gab es im heutigen Kreis Minden-Lübbecke ein Arbeitslager in Lahde, in dem Häftlinge unter unmenschlichen Bedingungen arbeiten mussten. Der fanatische Nazi-Kreisleiter Ernst Meiring sorgte dafür, dass auch zahlreiche Menschen aus dem damaligen Landkreis Lübbecke nach Lahde deportiert wurden. Zu den rund 700 Menschen, die das nicht überlebten, gehört der Lübbecker Gewerkschafter Karl Haddewig. Außer dem Lager in Lahde gab es Rüstungsanlagen – die Muna im heutigen Espelkamp, die Weserhütte in Bad Oeynhausen, die unterirdischen Anlagen an der Porta und unweit der heutigen Kreisgrenze die riesige Pulverfabrik in Liebenau/Steyerberg an der Weser. In den Anlagen mussten auch sowjetische Kriegsgefangene Zwangsarbeit leisten. Viele von ihnen waren im sogenannten Stammlager 326 interniert. Mit rund 300.000 Insassen war es möglicherweise das größte Kriegsgefangenenlager, das die Wehrmacht betrieb. Auf dem benachbarten sowjetischen Ehrenfriedhof in der Senne sind nach Einschätzung von Historikern bis zu 65.000 Menschen bestattet. Damit zählt der Bereich zu den größten Kriegsgräberstätten in Deutschland. Welche Rechnung die Grünen aufmachen Stalag 326 soll wegen seiner nationalen und internationalen Bedeutung vom Bund und vom Land als Gedenkstätte ausgebaut und finanziert werden. Im Boot sollten dabei auch die Kreise und der LWL sitzen. Im Kreistag Gütersloh aber scheiterte die Beteiligung des Kreises an den Stimmen von der CDU und der AfD. Der Kreis Minden-Lübbecke wird sich anders als Gütersloh an der Finanzierung der Gedenkstätte beteiligen. Dafür stimmte in geheimer Abstimmung eine Mehrheit im Kreistag. Für den Kreis Minden-Lübbecke bedeutet das, dass er ab dem kommenden Jahr einen jährlichen Zuschuss von 10.000 Euro zu den Betriebskosten gibt. Ab dem Jahr 2030 sind es dann pro Jahr 93.000 Euro. Dafür stimmten am Montagabend im Kreistag in der von der CDU beantragten geheimen Abstimmung 33 der 59 anwesenden Kreistagsmitglieder. 23 waren dagegen, drei enthielten sich. Vor der Abstimmung gab es einen Schlagabtausch vor allem zwischen dem Lübbecker CDU-Kreistagsmitglied Bent-Maria Grote und dem AfD-Politiker Thomas Röckemann (Minden). CDU möchte andere Kreise beteiligen Landrat Ali Dogan (SPD) hatte zuvor auch wegen der nationalen und internationalen Bedeutung für die Unterstützung der Gedenkstätte durch den Kreis geworben. Dogan verwies auf die Erinnerung an die Nazi-Verbrechen und verwies auf die Bedeutung des Gedenkens und des Mahnens gerade in der heutigen Zeit. Dabei nannte er auch den Terrorangriff der Hamas auf Israel. Man solle außer den OWL-Landkreisen auch die anderen benachbarten Kreise bei der Finanzierung der Gedenkstätte einbeziehen, sagte Detlef Beckschwe (CDU). Der Kreis Warendorf sei näher dran als Minden-Lübbecke. In der CDU gebe es wegen der Kosten unterschiedliche Ansichten. Er teile aber die Aussagen des Landrats. Größtes Lager der Wehrmacht Thomas Röckemann (AfD) lehnte angesichts der finanziellen Lage des Kreises eine Beteiligung ab und verwies auf die Förderung von Kindern, die Innere Sicherheit und den Erhalt von zwei Krankenhäusern, das aus AfD-Sicht Vorrang habe. Zudem könne die Gedenkstätte Stalag 326 in Zeiten der Digitalisierung auch ein digitaler Ort des Gedenkens sein. Röckemann behauptete dann, dass dies auch umweltfreundlicher sei. Man müsse an die An- und Abreise von Besuchern denken. Petra Spohna (Grüne) erinnerte an das Leiden der vor allem sowjetischen Kriegsgefangenen. Die hätten im Bergbau arbeiten müssen, seien zu geschwächt gewesen und daraufhin ins Stalag 326 gekommen. Das Lager sei das wohl größte der Wehrmacht gewesen. &bdquo;Dermaßen perfide, dass mir schlecht wird“ Die Gedenkstätte verzeichne seit dem Besuch des damaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck 2015 steigende Besucherzahlen. Die Gedenkstätte habe internationale Bedeutung, werde aber geführt wie ein Heimatmuseum und die Ehrenamtlichen seien überlastet. Orte wie Stalag 326 seien Orte, an denen Geschichte und Leid anschaulich werde. Sowohl Petra Spohna als auch Birgit Härtel (SPD) und Corinna Stöxe (Grüne) sprachen sich für die Hilfe bei der Finanzierung aus – trotz der Kassenlage. Es sei auch ein außerschulischer Lernort und das gehe nicht per Digitalisierung, so Härtel. Ein positives Votum aus Minden-Lübbecke ist laut Härtel &bdquo;auch wichtig, damit Gütersloh zur Vernunft kommt“. Die Summe sei angesichts des Leids im Stalag 326 symbolisch, merkte Stöxe an. Die Erinnerung an das Leid müsse alle politischen Ebenen durchdringen. &bdquo;Ich hätte nie gedacht, dass diese politische Einordnung so fehlschlägt wie im Kreistag Gütersloh“, sagte Stöxe. Die Beteiligung ab dem nächsten Jahr koste jeden Einwohner im Kreis drei Cent, ab 2030 seien es 30 Cent jährlich. AfD-Aussagen als "geschmacklos" bezeichnet Die Schrecken des Lagers ließen sich nur vor Ort erleben, sagte der Lübbecker CDU-Abgeordnete Bent-Maria Grote. Das durch ein Online-Format zu ersetzen unterstreiche Röckemanns Haltung zu NS-Verbrechen. Über die Dimensionen der Gedenkstätte lasse sich reden, 93.000 Euro seien kein Pappenstiel. Aber einen Beitrag von 10.000 Euro ab dem nächsten Jahr in Verbindung zu bringen mit Kindern, Innerer Sicherheit und Krankenhäusern, &bdquo;das ist dermaßen perfide, dass mir nur schlecht wird“. Grote appellierte an alle, die sich für den Krankenhaus-Erhalt einsetzten, nicht auf die Kampagne der AfD hereinzufallen. Mit der Summe rette man kein Krankenhaus. &bdquo;10.000 Euro könnten wir einsparen, wenn wir auf die Brötchen verzichten würden“, sagte Grote mit Verweis auf die Bewirtung im Kreistag. Die AfD-Aussagen seien &bdquo;abscheulich“. Catrin Marin (Linke) bezeichnete Röckemanns Aussagen als &bdquo;garstig und geschmacklos“. Röckemann warf der CDU dann Polemik vor, weil sei offenbar Angst habe, dass die AfD stärker werde als die Grote wolle auf Brötchen verzichten – der Kreistag könne auf Grote verzichten. Grote wiederum machte deutlich, im Kreistag bleiben zu wollen und schlug vor, er und Röckemann könnten doch auf ihre Aufwandsentschädigungen verzichten und diese für die Gedenkstätte Stalag 326 spenden.

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