Neuer Landrat im Kreis Minden-Lübbecke: Was das für die Klinik-Debatte bedeutet

Kreis Minden-Lübbecke. Als die meisten Stimmbezirke ausgezählt waren und der SPD-Landratskandidat Ali Dogan deutlich vorn lag, ließen sich einige CDU-Vertreter wie der Hüllhorster Bürgermeister Michael Kasche noch Zeit mit dem Gratulieren. Auch andere CDU-Vertreter waren schnell wieder weg. Ein Foto mit Dogan? Das könne man später noch machen, hieß es am frühen Sonntagabend. Mit Vertretern der Grünen klappte der Kontakt schneller – etwa mit der Fraktionsvorsitzenden Cornelia Schmelzer oder natürlich Vize-Landrat Siegfried Gutsche. Unterschiedliche Meinungen zu Klinik-Standort Im Kreistag steht dem künftigen Landrat Ali Dogan eine politische Mehrheit von CDU, Grünen und auch FDP gegenüber. Die drei Parteien haben zusammen mit den Freien Wählern, die auf Kreisebene mittlerweile im Clinch mit sich selbst liegen, die Krankenhaus-Planungen vorangetrieben. Die aber sind in der Bevölkerung umstritten. Und anders als CDU-Landratskandidat Jörg-Michael Schrader hatte SPD-Kandidat Ali Dogan im Wahlkampf erklärt, dass zwei Neubauten nicht bezahlbar seien. Schrader wollte in Sachen Standort den Gabelhorst-Wald in Espelkamp zugunsten einer neuen Klinik opfern, Dogan nicht. Grüne und FDP ohne Empfehlung im Wahlkampf Auch wenn es auf kommunaler Ebene keine Koalitionen gibt wie in Bund und Land: Möglicherweise deuten sich in der bisherigen &bdquo;Koalition“ im Minden-Lübbecker Kreistag Risse an. Die Grünen gaben im Wahlkampf keine Empfehlung ab – auch nicht für den Kandidaten ihres &bdquo;Koalitionspartners“ CDU. Für eitel Freude bei der CDU dürfte das nicht gesorgt haben – zumal es in den eigenen Reihen und auch bei den Grünen Unruhe gibt wegen des favorisierten Klinik-Grundstücks und auch wegen der Finanzierung der zwei möglichen Neubauten. Selbst die FDP, in der Vergangenheit eher immer an der Seite der CDU zu finden, gab keine Wahlempfehlung für Schrader. Vor mehr als zwei Jahren hatte sie noch eine Empfehlung für die damalige CDU-Kandidatin Anna Bölling gegeben. Eine Nachfrage der NW-Redaktion in Sachen Wahlempfehlung hatte der FDP-Kreisvorsitzende Frank Schäffler vor der Stichwahl nicht beantwortet. Möglicherweise fühlen sich die Liberalen von der CDU nicht mehr geschätzt. Hinter vorgehaltener Hand ist die Rede davon, dass sich die FDP von der CDU behandelt fühlt wie der &bdquo;arme Teil der Verwandtschaft“ und so etwas zu den Zeiten der einstigen Kreispolitiker Wilhelm Krömer (CDU) und Günter Nolting (FDP) unmöglich gewesen wäre. Hat die CDU die Krankenhaus-Debatte unterschätzt? Auch wenn die Frage, die den Wählern dann gestellt werden müsste, alles andere als einfach zu formulieren sein wird: Allein der von der FDP angekündigte Wunsch nach einem Kreistags-Bürgerentscheid zusammen mit der Europawahl im kommenden Jahr dürfte der CDU so sauer aufstoßen wie ein Werder-Sieg den HSV-Fans im Nordderby. Interessant wird jetzt sein, wie der künftige Landrat, die SPD und auch die Grünen den Bürgerentscheids-Ball aufnehmen, den die Liberalen auf das Spielfeld geworfen haben. Auch wenn sich die CDU am Wahlabend noch nicht intensiv mit den Gründen für die Wahlniederlage auseinandersetzen wollte: Zwei Gründe dürfte es nach Einschätzung von Beobachtern der Kreispolitik mindestens geben. Die Christdemokraten dürften die vor allem im Lübbecker Land und in Bad Oeynhausen geführte Krankenhaus-Debatte unterschätzt haben. Sorgen wegen Entwicklung bei Grundsteuer Die Bürger sorgen sich um die Erreichbarkeit eines möglichen neuen Klinikums im Lübbecker Land und um die finanziellen Belastungen. Auch die Kämmerer der Kommunen befürchten teils erhebliche Erhöhungen der Grundsteuern. Sie hatten Erhöhungen von bis zu 30 Prozent genannt. Und je teurer ein Neubau würde, je mehr würden die Steuern steigen. Die Sorgen in Sachen Grundsteuern hatte der CDU-Kandidat allerdings so nicht teilen wollen und im NW-Interview von &bdquo;überschaubaren Belastungen bei Erhöhungen“ gesprochen. Was der CDU auch als Gegenwind ins Gesicht weht, das ist der Umstand, dass sie die Wahlen verursacht hat. Mit vielen Versprechungen und Vorschuss-Lorbeeren war vor etwas mehr als zwei Jahren CDU-Landrätin Anna Bölling gestartet. In beiden Wahlgängen hatte sie den damaligen SPD-Kandidaten Ingo Ellerkamp regelrecht deklassiert – selbst in SPD-Hochburgen. Bölling sorgte für Bruch des Vertrauens Nach nicht einmal zwei Jahren und einer verkorksten Klinik-Debatte, bei der sie nicht kritisch hinterfragte oder zwischen den Positionen vermittelte, sondern sich gleich auf die Seite des MKK-Vorstands schlug, wechselte Anna Bölling als Regierungspräsidentin nach Detmold. Böllings Parteifreundin und CDU-Landtagsabgeordnete Bianca Winkelmann hatte das gewürdigt und im NW-Interview davon gesprochen, dass das auch Chancen für Minden-Lübbecke haben dürfte. Zwischen Anna Bölling und Bianca Winkelmann passt kein Blatt Papier. Viele Wähler haben das Verhalten Böllings dagegen als Vertrauensbruch gewertet – auch treue Mitglieder der CDU. Manche kündigten an, nicht mehr wählen zu gehen. Andere äußerten Sympathien mit Ali Dogan.

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