Krankenhaus-Debatte: Ehemalige Chefärzte mischen sich ein

Lübbecke. In das Lübbecker Krankenhaus ein medizinischer Sanierungsfall? Wäre ein Neubau günstiger und nachhaltiger? Und gibt es im Falle eines Neubaus ein Nachnutzungskonzept für die dann leere Immobilie am Wiehengebirge? Auf diese und ähnliche Fragen im Zusammenhang mit der Debatte um einen möglichen Krankenhaus-Neubau im Lübbecker Land antworten zwei ehemalige Chefärzte des Lübbecker Krankenhauses mit einem klaren &bdquo;Nein“.Zwar gebe es einen technischen Sanierungsbedarf in Lübbecke, aber in den Kliniken und Zentren der Einrichtung werde &bdquo;aktuelle Medizin mit hoher Behandlungsqualität“ geboten. Zu diesem Ergebnis kommen Besim Akdemir und Bernd Hillrichs, die viele Jahre im Lübbecker Krankenhaus tätig waren: Akdemir von 1977 bis 2001 als Chefarzt der Allgemeinchirurgie. Und Hillrichs von 2011 bis 2021 als Chefarzt der Unfallchirurgie und Orthopädie und zuvor rund elf Jahre Oberarzt in der Unfallchirurgie am damaligen Klinikum Minden. Land zieht sich aus Finanzierung zurück Der unstrittige Sanierungsbedarf, vor allem im Bereich der Gebäude (Dach, Fenster), der Wasser- und Abwasserleitungen, der Lüftungsanlage und des Brandschutzes des Lübbecke Hauses, sei darauf zurückzuführen, dass sich das Land Nordrhein-Westfalen weitgehend aus der gesetzlich verankerten dualen Krankenhausfinanzierung zurückgezogen und keine Fördermittel in ausreichender Höhe zur Verfügung gestellt habe, so die beiden Mediziner. An dem Zustand treffe die Mühlenkreiskliniken (MKK) keine Schuld.Keine Zukunft als Krankenhaus sehen Akdemir und Hillrichs für den Standort Rahden. Aus medizinischer und ökonomischer Sicht und angesichts des Fachkräftemangels in der Pflege und im ärztlichen Dienst sei Rahden &bdquo;in der bestehenden Form nicht zu halten“, so ihr Urteil.Rahden als Puffer Rahden könne aber als ambulantes Zentrum und Notfallambulanz mit Erhalt der Rettungswache die wohnortnahe Basisversorgung sicherstellen und während der Sanierungsphase in Lübbecke als &bdquo;Puffer“ dienen, um baubedingt fehlende Ressourcen in Lübbecke auszugleichen. Kritisch setzen sich die ehemaligen Chefärzte auch mit dem Krankenhausgestaltungsgesetz in NRW – in Kraft seit März vergangenen Jahres – und der Krankenhausplanung des Landes auseinander. Danach sei eine wohnortnahe Versorgung gefordert. Das Land wolle, dass ein Krankenhaus von 90 Prozent der Bevölkerung binnen 20 Minuten zu erreichen sei. Ausnahmen gebe es für sogenannte Bestandshäuser. &bdquo;Ansonsten“ so Akdemir und Hillrichs, &bdquo;müsste ja das Klinikum Minden neu gebaut werden“. Bei einem Neubau nördlich des Wiehengebirges drohe zudem die Gefahr, dass Patienten aus dem südlichen Gebiet sich nach Bünde und Herford orientieren könnten. Rohbausubstanz unzerstörbar Für die Anwendung der &bdquo;Bestandsregelung“ im Fall Lübbecke spricht nach Ansicht der beiden Ärzte eine Fülle von Argumenten. So sei eine Sanierung des Lübbecker Hauses mit Kosten von 125 bis 155 Millionen Euro &bdquo;mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ wesentlich günstiger als ein zur Zeit mit 315 Millionen veranschlagter Neubau – zumal die Rohbausubstanz in Lübbecke intakt und nahezu unzerstörbar sei. Im Übrigen seien in den vergangenen Jahren mit großem Aufwand und Engagement aller Beteiligten die Bereiche Zentral-OP, Endoskopie, Intensivstation und Zentrale Notaufnahme mit integriertem OP optimal saniert worden. Sie entsprächen aktuellem baulichen und medizinischen Standard und seien weiter nutzbar. Eine Realisierung der Neubaupläne würde sich vermutlich &bdquo;über acht, zehn Jahre hinziehen“, heißt es in ihrer Stellungnahme. Zwar sei auch die Sanierung des Lübbecker Haus ein mehrjähriges Projekt. Während eines Neubaus würden aber zusätzlich erhebliche Kosten für die Erhaltung der Betriebsfähigkeit in Lübbecke anfallen.Versiegelung von Flächen Auch unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit – der Versiegelung großer Bodenflächen durch Gebäude, Zuwegungen, Parkflächen und der Bodenbeschaffenheit (Feuchtgebiet) am favorisierten neuen Standort – raten die Chefärzte a. D. von einem Neubau ab. Ein Neubau könne zudem nicht die Außenanlagen bieten, die gerade für Patienten des Zentrums für Seelische Gesundheit einen hohen therapeutischen Wert hätten.Mit Blick auf eine dann ungenutzte Immobilie in Lübbecke nach dem Umzug des Krankenhauses vermissen die beiden Mediziner ein Nachnutzungskonzept. Und: &bdquo;Jede Form der Nachnutzung ist mit erheblichen Kosten verbunden, da der Träger sicher auf den Kosten der problematischen Sanierung der Lüftungsanlagen und der Brandschutzeinrichtungen sitzenbleibt“, geben Akdemir und Hillrichs zu bedenken.Unzufrieden mit einem Bürgermeister In der Diskussion erwarten die Mediziner insgesamt mehr Transparenz und die Klärung vieler offener Fragen durch die Kreisverwaltung, den Verwaltungsrat und die Führung der Mühlenkreiskliniken.Unzufrieden zeigen sich die beiden Mediziner mit der Lübbecker Stadtverwaltung und insbesondere mit Bürgermeister Frank Haberbosch: &bdquo;Ein stärkeres Engagement wäre begrüßenswert.“

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