Lübbecker Late-Night-Shopping: "Endlich wieder das Leben spüren"

Lübbecke. Der Duft von gebrannten Mandeln erfüllt die Luft. Weinseliges Gelächter und fröhliches Schnattern tönen durch die Nacht. Der Sommer zeigt sich noch einmal von seiner Schokoladenseite und sorgt für milde Temperaturen. Die Außengastronomie ist rappelvoll; viele gönnen sich einen Aperol Spritz, die orange Farbe leuchtet auffällig in der Dämmerung. Paare gehen Hand in Hand, Freunde begrüßen sich fröhlich, Familien schlendern mit einem Eis in der Hand, kleine Kinder veranstalten Wettrennen. Bis 22 Uhr wird geschlemmt, geshoppt und geklönt. Die Lange Straße ist voll wie schon lange nicht mehr. Das Late-Night-Shopping ist ein voller Erfolg. Kirmes-Stimmung ohne Kirmes Kleine Buden mit kulinarischen Angeboten bieten einen Hauch von dem Jahrmarkt-Flair, den die Menschen in der Region dieses Jahr schmerzlich missen. Eigentlich wäre jetzt Blasheimer Markt, aber wegen coronabedingter Bedenken wurde dieser abgesagt. Die Menschen sind ausgehungert nach Abwechslung und Geselligkeit - da trifft das Late-Night-Shopping in Lübbecke genau ins Schwarze. Ob süße Schmankerl wie Crêpes, Waffel am Stiel oder Deftiges wie Bratwurst und Pommes von Oevermanns Fleischerbude, hier ist für jeden Geschmack etwas dabei. Der Geschmack der Kirmes, das hätten sie am meisten vermisst, sagen Jarne und Arjen Uetrecht. Gerne wären sie auf den Blama gegangen, das Late-Night-Shopping gefällt ihnen aber auch. Die beiden Jungs sind mit ihrer Familie unterwegs. Mit leuchtenden Augen berichten sie vom Besuch im neuen Spielzeuggeschäft "Dufter Schuppen" und wie sie im Schuhgeschäft fündig geworden sind. "Ich habe neue Schuhe für meine Konfirmation bekommen", erzählt Arjen. Während der Papa die Einkäufe zum Wagen bringt, spendiert die Mutter eine Waffel am Stiel. "Ich finde es besonders schön, wieder Leute zu sehen, die fröhlich sind", sagt Jarne. "Ja, und dass man Bekannte wieder sieht", pflichtet sein älterer Bruder Arjen bei. Geselligkeit ist das A und O "Wir sind vor allem hier um Leute zu treffen. Das Schönste heute ist die Geselligkeit und dass man das Leben wieder spürt", sagt ein Mutter-Tochter Duo, das spontan in die Stadt ging und zufällig auf Verwandtschaft traf. Wie viele andere auch wollen sie erst mal etwas essen und trinken, beieinander sitzen und erst später durch die Läden bummeln. Gastronomie und Einzelhandel ergänzen sich in ihrem Angebot gut, man kann lange draußen sitzen und zu später Stund noch durch die Geschäfte tingeln. Das Weinhaus Alte Wache bietet an seinem Stand Prosecco, Weißwein und Rotwein an. An kleinen Stehtischen geht es lustig zu während sich die Besucher zuprosten. Aufgebaut wurde schon morgens, da war noch nicht viel los. Aber jetzt, in den Abendstunden, da läuft das Geschäft richtig gut. "Könnte knapp werden. Möglich, dass wir bald ausverkauft sind", sagt Betreiberin Petra Burmester mit Blick auf die leeren Kisten im Hintergrund. Seinen Sitz hat das Geschäft eigentlich im wenige Kilometer entfernten Gehlenbeck. "Wenn der Wein ausgeht, dann muss ich da noch mal schnell rüber und Nachschub holen", sagt sie lachend. "Wir kriegen dich noch trocken", witzelt ein Kunde und bestellt zwei Gläser Wein. Ein Hauch Frankreich Besonders gute Stimmung herrscht auch beim Café Vines von Veronique und Frank Held. Hier werden französische Spezialitäten angeboten: Macarons, Mini-Flammkuchen, süße und herzhafte Crêpes, Chichis und Chouquettes. Wein darf da natürlich auch nicht fehlen und dann gibt es noch einen "Pampel", eine Variation des Aperol Spritz, aber mit dem süß-sauren Geschmack der Pampelmuse. Besonders bezaubernd: im Innenbereich leuchtet sogar ein kleiner Eiffelturm. Das französische Flair schenkt einem ein kleines Gefühl von Urlaub. Und dann hat haben sich die Helds noch was ganz Besonderes einfallen lassen. "Ursprünglich hatten wir unabhängig vom Late-Night-Shopping eine Mini-Kirmes geplant. Darum geht es noch bis Sonntag weiter", erklärt Veronique Held. Drei Tage lang gibt es bei ihnen spezielle Leckereien, eine Popcornmaschine, Musik und eine Tombola. Im Innenhof legt DJ W. Böhme auf, über einen Lautsprecher wird alles zusätzlich in die Einkaufsstraße übertragen. Ein ganz besonderer Hingucker ist auch der schwarze Oldtimer, der vor dem Café parkt, das "Café-Shuttle". Ständig bleiben Menschen stehen, um den Citroën von 1954 zu bewundern. Der Clou: "Wir verlosen bei der Tombola eine Fahrt mit unserem Café-Shuttle. Das ist der erste Preis", erklärt Frank Held. Platz zwei ist ein "Mamies Frühstück" (Mamie ist eine französische Bezeichnung für Großmutter), Platz drei eine Flasche Wein. Wie man teilnimmt? Einfach ein Kaltgetränk bestellen, Namen auf den Bierdeckel schreiben und ab in die Losbox. Neue kreative Angebote "Dieses Event ist als Ersatz für die verkaufsoffenen Sonntage gedacht", erklärt Daniel Weiß-Wiechmann vom Modehaus Böckmann. Jeden ersten Freitag im Monat solle es das nun geben. "Wir sind mit dem Umsatz zufrieden. Die Kunden waren gut drauf, das hat einfach Spaß gemacht." Der heutige Tag ist auch ein Premiere für ein neues Konzept im Modehaus: die Kreativ-Tage. Ab sofort bieten regionale Kunsthandwerker ihre Waren an kleinen Ständen im Geschäft an. Honig, Körnerkissen, Kuscheltiere - all das bereichert nun das Angebot. Und das kommt an. "Alle profitieren von der Zusammenarbeit. Wir bieten die Fläche, die Anbieter außergewöhnliche Produkte und die Kunden haben noch mehr Auswahl", erklärt Angelika Warmke vom Modehaus. Eine davon ist Irina Curci. Gemeinsam mit einer 85-jährigen Bekannten strickt die Hüllhorsterin Wollsocken. "Angefangen hat es als Hobby, ich hatte selber oft kalte Füße. Jetzt nehme ich auch Auftragsarbeiten an. Ich stricke bis Größe 53, das bietet nicht jeder", sagt sie und nimmt gleich wieder die Nadeln in die Hand. Während andere bummeln, hat sie ein paar Babysöckchen angefertigt.

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