Todesfall: Flüchtlingshelfer lassen Verhalten der Ausländerbehörde prüfen

Lübbecke. Die Frau hält ihren Kopf gesenkt. Aus ihren Augen quellen Tränen. Ayshe S. (Name geändert) kann nicht vergessen, was am 5. Februar dieses Jahres geschehen ist: "Meine Kinder haben mich immer wieder gefragt, ist das eine Abschiebung?", berichtet sie dem "Runden Tisch Flüchtlingshilfe Lübbecke". Das sei für alle ein "großer Schock" gewesen. Es muss etwa zehn vor sieben gewesen sein, sagt sie, da habe sie Licht gesehen. Sie habe gedacht, ihr Mann komme von der Arbeit zurück. Als sie die Tür einen Spalt weit aufgemacht habe, habe sie einige Männer gesehen. Diese hätten sich als "Polizei, Ausländerbehörde" ausgegeben. Weil sie noch kein Kopftuch getragen habe, habe ihre Tochter die Tür zugehalten, während ein Mann den Fuß in den Spalt gestellt habe. Ihre Tochter habe die Behördenmitarbeiter dann gebeten zu warten, bis ihre Mutter das Kopftuch angelegt hat. Die Männer seien schließlich hereingekommen und hätten sie nach ihrem Ausweis und nach ihrem Mann gefragt. Sie habe das alles nicht verstanden und mit der Abschiebung gerechnet. Den Mitarbeitern habe sie gesagt: "Wenn ich abgeschoben werden soll, sagen Sie es bitte, ich gehe einfach mit." Kinder stehen unter Schock Ashye S. hält inne, sie kann für einige Zeit nicht weiter sprechen. Ihre Kinder hätten große Angst gehabt, ergänzt sie ihren Bericht leise: "Die haben bis heute einen Schock. Als meine Tochter in der Stadt Polizei gesehen hat, hat sie mich gleich gefragt, ob wir jetzt abgeschoben werden." Sie selbst könne seither nur schlecht schlafen, sagt die junge Frau und wischt sich die Tränen aus den Augen. Jeden Tag wache sie Punkt sechs Uhr auf: "Und wenn ich draußen etwas höre, denke ich, dass die Polizei kommt". Der Bericht von Asyhe S. lässt keinen der Teilnehmer kalt. Die Mitglieder des "Runden Tisches" sind empört, ein Mann meldet sich zu Wort: "Die Mitarbeiter haben ganz klar die Aufforderung missachtet, nicht in die Wohnung reinzukommen. Ein Beamter hat die Tür reingedrückt und sich als Polizei, Ausländerbehörde ausgegeben. Das waren aber keine Polizisten." Helfer sprechen von Amtsanmaßung Andere Mitglieder sprechen von "Amtsanmaßung" und weisen auf den Artikel 13 Absatz 1 Grundgesetz hin, wonach die Unverletzlichkeit der Wohnung ein Menschenrecht ist. Ein Jurist macht deutlich, dass aus seiner Sicht Menschen mit einem Dach über dem Kopf diesen Schutz genießen. Das würde das Bundesverfassungsgericht sicher ähnlich sehen, allerdings sei bisher kein Verfahren bis auf diese Ebene "durchgekämpft" worden. Der Anwalt des "Runden Tisches" sehe das genauso, machte Pfarrer i. R. Eckhard Struckmeier deutlich: "Unser Anwalt meint, das Recht würde beispielsweise auch für Hausbesetzer gelten." Leider sei die "völlige Mißachtung der Privatsphäre" ein Dauerthema hier in Lübbecke, ein derartiges Verhalten hätten schon andere erleben müssen. Für Struckmeier ist die Sache jedenfalls klar: Die "überfallartige Aktion" am 5. Februar habe Spuren in den Seelen von Menschen hinterlassen, die schon viel Schlimmes erlebt hätten. Der Verstand sage zwar 'die kommen nicht wieder', aber die Angst sitze jetzt tief in den Knochen." Die Aktion sei "unentschuldbar". Strafanzeige im Gespräch Neben einer an die Bezirksregierung gerichtete Fachaufsichtsbeschwerde diskutieren die Mitglieder auch eine Strafanzeige wegen Hausfriedensbruch. Die könne aber nur von einem Betroffenen gestellt werden, sagte eine Teilnehmerin: "Aktuell gibt es nur eine Betroffene, die eine Strafanzeige stellen würde, alle anderen haben große Angst und sind hoch eingeschüchtert." Dass die Angst unter Flüchtlingen groß ist, zeigt die Aussage von Mustafa R. (Name geändert), der an diesem Tag ebenfalls zum Treffen des Runden Tisches gekommen ist. R. ist vor einiger Zeit aus Albanien geflohen, er hat dort mit Obdachlosen gearbeitet: "Wenn ich damals ein Zimmer betreten wollte, habe ich immer angeklopft, das war für mich ganz selbstverständlich", berichtet er dem Kreis. Für ihn sei das auch ein Ausdruck des Respekts, ein Menschenrecht. Was die Behörden antreibt? R. schüttelt den Kopf: "Wir sind wegen Angst aus unseren Heimatländern nach Europa geflohen, jetzt haben wir auch Angst, warum?" Bisher habe er sich wegen seiner Duldung zurückgehalten, jetzt will R. seine Unterschrift unter den "Lübbecker Appell" setzen. "Wenn jetzt nichts getan wird, kann es beim nächsten Mal noch schlimmer werden." Appell an Stadt- und Landräte Der "Lübbecker Appell" fordert für alle Bewohner der Bundesrepublik eine Gleichbehandlung nach dem Artikel 13, Absatz 1 des Grundgesetzes. Er richtet sich an Stadt- und Landräte, aber auch an den Bundestag. "Wir müssen Öffentlichkeit herstellen und ganz deutlich machen, dass hier Grundrechte verletzt werden", forderte ein Unterschreiber. Auch Bernd J. Porps gehört dazu. Er sieht in dem Artikel 13 ein wichtiges Freiheitsrecht, das seit vielen Jahren langsam abgeschliffen werde.

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