Lübbecker Land. Es war und ist heiß, sehr heiß im Lübbecker Land. Hoch „Yvonne" hatte den Kreis fest im Griff. Und so konnte der Lübbecker Meteorologe Friedrich Föst am Donnerstagabend bekanntgeben, dass Rahden mit einer Spitzentemperatur von 39,1 Grad seinen Rekord von 2003 gebrochen hat und gleichzeitig wärmster Ort in OWL war. Lübbecke kam auf 38,4 Grad. Nächste Woche wird es laut Föst rund 15 Grad kühler. Die NW hat sich unter anderem beim Baubetriebshof, einem Pflegeheim, den Kliniken und dem Lübbecker Tierheim umgehört. Bei glühender Hitze müssen sie sich um die kümmern, die die Hitze am wenigsten vertragen: ältere Personen, Tiere und Pflanzen.
In den Notaufnahmen der Mühlenkreiskliniken werden derzeit mehr ältere Patienten behandelt, die dehydriert sind, weil sie beispielsweise zu wenig getrunken haben, teilt Pressesprecherin Ramona Schulze mit. Dazu gebe es mehr Patienten mit Kreislaufproblemen, da sie zu lange in der Sonne waren beziehungsweise aufgrund der langanhaltenden Hitze.
»Die Lage ist schlimm genug, aber nicht dramatisch«
80 Liter pro neugepflanzten Baum werden von den Mitarbeitern des Baubetriebshofs Lübbecke an die Bäume gegossen, damit sie nicht eingehen. Es sei in Lübbecke zwar „schlimm genug, aber nicht dramatisch", erklärt Bereichsleiter Armin Feiler vom Dezernat Grün und Umwelt. Durch das Wiehengebirge sei der Grundwasserspiegel nicht in dem Maße niedrig, wie es in anderen Kommunen im Lübbecker Land der Fall ist.
Auch rät er: „Der richtige Zeitpunkt zum Gießen ist dann, wenn die Blätter schlapp werden, nicht, wenn die Erde trocken ist." Der Grund ist folgender: Durch das häufige Wässern würden die Bäume keine tiefen Wurzeln ausbilden, um ans Grundwasser zu gelangen. „Sie bekämen es dann ja von oben", so der Bereichsleiter.

Nach diesem Prinzip arbeitet auch das Team um Feiler. Mit einem dafür umgebauten Lkw könne gezielt gewässert werden. Wassersäcke können 80 Liter aufnehmen und dann über den Tag verteilt an den Boden abgeben.
Obernfelder Pflegeheim mit Hitzekonzept
Ein Hitzekonzept hat das Obernfelder Pflegeheim in Lübbecke aufgestellt. Damit die Senioren keinen Hitzschlag bekommen, gab es viele prophylaktische Maßnahmen: Jalousien runterlassen, Frischluftzufuhr am Morgen, ausreichend Getränke und intensive Betreuung – besonders draußen. „Es läuft sehr gut, bei uns ist noch kein einziger Senior oder eine Pflegekraft kollabiert", sagt Pflegerin Cornelia Kleemeier. Dabei sei es derzeit oberste Priorität, die älteren Menschen zum Trinken zu motivieren. „Dieser Weg wird von uns äußerst konsequent gegangen."
In kalte Handtücher einwickeln oder gleich in die Wassermuschel springen; das können die Tiere im Lübbecker Tierheim, damit sie keinen Hitzschlag erleiden. Besonders am Donnerstag waren die Temperaturen so hoch, dass das Gassi gehen nur eingeschränkt möglich war.
Hunde können sich in Wassermuscheln abkühlen
„Die Tiere verbrennen sich auf dem glühend heißen Asphalt sonst die Pfoten", erklärt Tierpflegerin Nadine Nagel. Darüber hinaus würde das Hecheln der Tiere nicht mehr ausreichen, um sie abzukühlen. Da Hunde nicht schwitzen, sondern sich nur über das Hecheln abkühlen, können sie schnell einen Hitzschlag bekommen. Pflegerin Annika Finke, die sich seit Mai 2019 um die Tiere kümmert, erzählt: „Es ist für die Tiere eine Qual, daher müssen wir sie besonders gründlich mit Wasser versorgen." Deshalb gebe es Wassermuscheln, in denen sich die Tiere abkühlen können.
Aber nicht nur für Hunde ist es zu heiß. Auch Kaninchen leiden unter der Hitze. Für sie gibt es Wasserlappen, die um eine eingefrorene Plastikflasche gewickelt sind, an die sich die Tiere lehnen können. „Das wird auch gut angenommen", sagt Annika Finke. Was bei Hunden und den Kaninchen, aber auch im Katzengehege auffallen würde, sei die enorme Trägheit der Tiere. „Aber das ist bei uns Menschen derzeit ja nicht viel anders", meint Finke.
„Viel trinken ist gut, aber schwer essen mag man nicht." Markus Redeker, Obermeister der heimischen Bäckerinnung, kennt diese Kundenreaktion seit Jahren. Die Branche stellt sich mit leichten Broten zum Grillen und frischen Angeboten mit Obst darauf ein. Und nein, die Hitze sei nicht existenzbedrohend, aber der Umsatz schon „ein bisschen weniger".
»Werden die Temperaturen extrem, sinkt der Bierabsatz«
„Im Bierabsatz lässt sich häufig die Temperatur und Wetterlage eines Sommers ablesen", sagt Maike Materla, Marketingleiterin bei der Privatbrauerei Ernst Barre in Lübbecke. Eine steigende Temperaturkurve mit Spitzenwerten weit über 30 Grad bedeute keineswegs einen parallel steigenden Bierabsatz. „Im Gegenteil, werden die Temperaturen zu extrem, sinkt der Bierkonsum." Dann trinken die Menschen eher Biermischgetränke und alkoholfreie Biersorten. „Daher ist es für uns als mittelständische Privatbrauerei Barre extrem wichtig, ein breites Produktportfolio mit diesen Sorten anzubieten – als Ausgleich zum sinkenden Bierabsatz bei Hitzewellen." Optimales Wetter zum Biertrinken: zwischen 20 und 25 Grad.
Kreislandwirt Rainer Meyer glaubt, dass die Auswirkungen der Hitzewelle noch nicht wirklich zu kalkulieren sind – voreilige Katastrophenmeldungen sind nicht seine Sache.
Für den Getreideanbau sind weniger die Temperaturen als die Trockenheit das entscheidende Kriterium – die Niederschlagsmengen verteilen sich im Kreis Minden-Lübbecke aber sehr unterschiedlich. Bei Triticale und Weizen ist die Ernte in vollem Gange, da macht die Hitze nicht mehr viel kaputt, „obwohl das Arbeiten natürlich nicht unbedingt Spaß macht bei dem Wetter", meint Meyer, der selbst aktiver Landwirt in Bad Oeynhausen ist. Bei Feldfrüchten wie Kartoffeln, Zuckerrüben und Mais, die aktuell noch im Wachsen seien, wird man sehen müssen, wie sich die Hitze auswirkt – das lässt sich wahrscheinlich erst im Herbst sagen.
Zu kämpfen haben vor allem die Viehhalter
Akut zu kämpfen haben vor allem die Viehhalter: Zum einen wird das Futter knapp, zum anderen müssen sie zusehen, wie sie ihre Ställe gekühlt bekommen, damit die Tiere nicht eingehen. Und die verhalten sich im Grunde wie Menschen, sagt Meyer: „Sie fressen weniger, Schlachtvieh legt also weniger zu. Und Milch geben ist halt auch einfach eine Leistung – und auch die fällt bei der Hitze geringer aus." Das Betreiben von Kühl- und Wasservernebelungsanlagen, mit denen man versucht, die Temperaturen in den Ställen erträglich zu halten, schlägt natürlich auch bei den Energie- und Wasserkosten zu Buche.