Lübbecke

Ein beseeltes Publikum singt in Lübbecke die Europa-Hymne

Konzert in Stockhausen wird zum Gemeinschaftserlebnis

26.05.2019 | 27.05.2019, 14:00

Lübbecke-Stockhausen. Was für ein Abend, was für ein Fest! Darin sind sich alle einig, die am Freitag das "Konzert für Europa" besucht haben. Die hervorragenden Solisten, die Kantorei und das Sinfonieorchester Lübbecke - ein Genuss, ein magischer Moment. Für einen Augenblick ist Europa Stockhausen und Stockhausen Europa.

Es gibt Dinge, die dürfte es gar nicht geben. Weil sie zu schön sind oder zu hässlich oder weil sie einfach den sonst üblichen Gesetzen trotzen. Der Yeti gehört in diese Kategorie und "Stockhausen für Europa" ganz sicher auch. Denn was der 1. Vorsitzende des Vereins, Gerd H. Niemeyer, und seine Mitglieder auf die Beine gestellt haben, ist einfach grandios.

Von der über acht Meter hohen Bühne bis hin zu den Sanitäranlagen ist die Veranstaltung perfekt organisiert. Alles klappt wie am Schnürchen. Essen, Trinken, Wetter - alles tip top. Ob sich die Ideengeber - der Ortsvorsteher und Vater und Sohn Niemeyer - das vor rund zwei Jahren hätten träumen lassen?

Das Orchester begeistert die rund 800 Besucher in Stockhausen. | © Michael Grundmeier
Das Orchester begeistert die rund 800 Besucher in Stockhausen. | © Michael Grundmeier

Europa ins Dorf holen

"Dass es so groß wird, damit hätte ich nicht gerechnet", gibt Gerd H. Niemeyer unumwunden zu. Aus der kleinen Idee sei eine Riesensache geworden. Das kann man tatsächlich so sagen: Das Fernsehen ist da, viele Journalisten - der Verein hat in den letzten Tagen schier Unglaubliches geleistet: "Wir sind quasi überschüttet worden mit Anrufen und Nachfragen", sagt Gerd H. Niemeyer: "Heute Nachmittag waren wir wirklich am Ende unserer Kräfte."

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Europa-Konzert in Stockhausen

Trotz der vielen Hindernisse: Bange machen lassen sich die Mitglieder von "Stockhausen für Europa" nicht. Sie haben Europa in ein Dorf geholt, das lediglich etwas über 700 Einwohner hat. Warum sich Stockhausen das antut? Gerd H. Niemeyer erklärt das beim Empfang im Festsaal so: Wenn alle Gewalt vom Volk ausgeht, seien die Wähler Handlungsträger und nicht nur Stimmvolk.

Wahlen als Festtage der Demokratie

"Wir wollen ernst nehmen, was im Grundgesetz steht und bei den Wahlen nicht nur Objekte sein", sagt der Vereinsvorsitzende. Im Grunde seien Wahlen "Festtage der Demokratie". Er hoffe, dass mehr Städte und Dörfer dem Beispiel Stockhausens folgen, so Niemeyer: "Dann sähe es in Europa sicher anders aus".

Es ist viel los auf dem Festgelände in Stockhausen. - © Michael Grundmeier
Es ist viel los auf dem Festgelände in Stockhausen. | © Michael Grundmeier

In einem kurzen Grußwort äußerte sich auch Landrat Ralf Niermann zu der Veranstaltung. Es sei erstaunlich, wie aus einem kleinen Dorf so viel positive Energie erwachsen könne, sagte Niermann. Den Mitgliedern rief er zu: "Sie sind über sich hinausgewachsen."

Ebenfalls schwer beeindruckt zeigte sich die Vertreterin der Stadt Rosendahl, Monika Klein. Was Stockhausen auf die Beine gestellt habe, sei einfach großartig, sagt sie. Stockhausen und sein Verein hätten Europa einen großen Dienst erwiesen. Rosendahl hat sich ähnliche Ziele wie Stockhausen gesetzt, und die beiden Gemeinden haben eine Wette auf die höhere Wahlbeteiligung abgeschlossen.

Die englische Fahne bekommt einen besonderen Platz

Das Engagement Rosendahls, aber auch Stockhausens "soll die Leute aus ihrer Komfortzone herausholen". Sie hätten das "Genöle und Gejammere" satt gehabt. Vielen Menschen sei gar nicht klar, was ihnen Europa schenke und in ihrer Alltagsroutine verhaftet, gibt Klein zu verstehen.

Der Empfang endet mit einem augenzwinkernden Hinweis Gerd H. Niemeyers. Wer genau hinschaue, könne sehen, dass die englische Fahne an einer ganz besonderen Stelle aufgehängt worden sei. "Wir haben die Fahnen aller Mitgliedsländer der EU aufgehängt - die englische hängt vorsichtshalber über der Nottür". Es sei schließlich nicht klar, wie es mit England weitergehe.

Aber nicht nur der Saal im Gemeinschaftshaus ist festlich geschmückt. Im Grunde hat sich das ganze Dorf blau-gelb herausgeputzt. Überall hängen Fahnen, der ein oder andere hat sogar - entsprechend eingefärbte - Blumengestecke aufgestellt.

So sehen Stockhausener Erstklässler Europa

Adelheid Kornfeld, selbst Stockhauserin, ist begeistert: "Ich bin sehr stolz auf Stockhausen und den Verein." Ähnlich äußert sich auch Margaret Walter, die die Veranstaltung großartig findet. Die Ostwestfalen seien eben Menschen, "die nicht lange reden, sondern machen".

Schon Erstklässler wissen, was sie an Europa haben. Etwa Joni und Emily von der Erdmännchenklasse der Grundschule Blasheim: "In Europa sind alle Länder Freunde geworden", rufen die beiden im Chor.

"Alleine kann man nichts schaffen, die dringenden Probleme kann man nur zusammen meistern", findet Reinhard Gehring. Europa müsse zusammenarbeiten, um die Probleme mit der Umwelt in den Griff zu bekommen.

Das Konzert hat zwei Teile: Frieden und Freiheit

Nach vielen Gesprächen und lukullischen Genüssen beginnt der musikalische Teil. Die Stühle sind fast alle besetzt, mehr als 800 Leute wollen das Konzert hören. Und die 120 Quadratmeter große Bühne ist richtig voll. Rund 200 Mitwirkende - Musiker, Solisten und Sänger.

Heiko Schulz, der Bass-Bariton, ist dabei. Genauso wie Eike Tiedemann (Alt), Tonje Haugland (Sopran) und Wilhelm Adam (Tenor). Dazu kommen die Musiker des Sinfonieorchesters Lübbecke und die Sänger der Kantorei St. Andreas Lübbecke. Die musikalische Leitung hat Heinz-Hermann Grube.

Das Konzert selbst ist in zwei Teile aufgeteilt: "Frieden" (Teil eins) und "Freiheit" (Teil zwei). Zunächst also eine musikalische Bitte um Frieden, unter anderem mit dem "Verleih uns Frieden" von Felix Mendelssohn-Bartholdy, Händels "Utrechter Te deum" und eine Messe von Johann Sebastian Bach.

Höhepunkt mit der "Ode an die Freude"

Das Publikum bricht in Europajubel aus nach dem Nationalmelodien-Potpourri. - © Michael Grundmeier
Das Publikum bricht in Europajubel aus nach dem Nationalmelodien-Potpourri. | © Michael Grundmeier

Danach, der schwungvolle zweite Teil: Strauß jr. Walzer "Seid umschlungen, Millionen" (op. 443, Johann Strauß jr.) ist zum Schunkeln schön. Auch die "Musikalische Euro Palette" (Ludwig van hier und Da/arr: Horst Schilling) macht einfach nur Spaß.

Die Zuhörer sollen Melodien erkennen, die für ein bestimmtes Land stehen und dann ein Fähnchen dazu schwenken. "Ungarischer Wein" steht für Ungarn, "Carmen" für Spanien.

Höhepunkt ist das Chorfinale 4. Satz aus der neunten Sinfonie d-Moll "Ode an die Freude" (op. 125) von Ludwig van Beethoven. Zwar wirke das Stück anfangs in sich zerrissen, das sei aber durchaus gewollt, erklärt Heinz-Hermann Grube. Denn: Bei aller Buntheit und Vielfalt brauche es eine Mitte, einen Brückenschlag, einen Ausgleich, sagt Grube. Der werde in diesem Stück musikalisch abgebildet: "Im Grundton einer gemeinsam erlebten Freude."

Ein lautes "Freude, schöner Götterfunken" schallt durchs Dorf

Nach dem grandiosen Finale gibt es die erhoffte Zugabe. Die Zuhörer und die Sänger, die Musiker und die Solisten - sie alle stimmen ein in die "Ode an die Freude". Ein lautes "Freude, schöner Götterfunken..." schallt durch das ganze Dorf, gefühlt bis Brüssel und Straßburg.

Der ganze Platz ist ein einziges blaues Fahnenmeer. Kurzum: ein tolles Konzert mit hervorragenden Musikern und ein Gemeinschaftserlebnis, wie man es vom Public Viewing kennt. Nur dass diesmal Europa gewonnen hat. Vielen Dank Stockhausen!