Nach 35 Jahren: Diese Espelkamper Gastronomie wird verkauft

Espelkamp. Der Espelkamper Ortsteil Gestringen muss in der jüngsten Zeit viele negative Nachrichten verkraften. Zum einen sind die Verhandlungen mit der Kirche über den möglichen Kauf des Gemeindezentrums Gestringen St.Trinitatis gescheitert, zum anderen verkündete jetzt das Gastronomenehepaar Edeltraud und Jan-Dirk Jungvogel, dass sie jetzt den ihnen gehörenden "Gestringer Hof" verkaufen und anschließend auch ihre neue Heimat verlassen möchten. Sie wollen ein neues Leben nach Jahrzehnten der ständigen Verfügbarkeit für alle Menschen in ihrem gastronomischen Alltag beginnen. "Aber bitte nicht falsch verstehen. Wir finden es toll hier, mit den Menschen hier zu leben und zu arbeiten. Es hat Spaß gemacht und wir bereuen nichts", sagt Jan-Dirk Jungvogel und Gattin Edeltraud nickt zustimmend. "Uns sind die Menschen hier ans Herz gewachsen, aber wir können jetzt einfach nicht mehr und wir wollen jetzt auch mehr Zeit für uns haben. Jetzt ist noch genügend davon vorhanden, sodass wir es auch noch genießen können." Seit 35 Jahren geholfen den Dorfmittelpunkt aufzubauen Seit Januar 1987 sind die Jungvogels in Gestringen. Von Anfang an haben sie dem Dorf und der Region ein gastronomisches Angebot unterbreitet und es immer weiter ausgebaut. Hinzu kam, dass sich der Gestringer Hof in einem baulich desolaten Zustand befand, als er von Edeltraud und Jan-Dirk Jungvogel gekauft worden war. An dem seit 1900 bestehenden Gebäude sei so gut wie nichts gemacht worden. "Es war total heruntergekommen, teilweise tropfte das Wasser durchs marode Dach", erinnert sich der Gastwirt. Wenn sie es nicht übernommen hätten,wäre wahrscheinlich dort ein Bordell entstanden. Peu a peu sanierte das Ehepaar den gesamten Gebäudekomplex, gleichzeitig entwickelte sich die gesamte Situation in Gestringen so, dass nach dem Engagement der Jungvogels sich ihr Gebäude mitsamt Grundstück zum Dorfmittelpunkt mauserte. Die Außenanlagen wurden gebaut, ein großer Wintergarten angebaut, eine Brunnenplastik aufgestellt. Im Keller lagert das Equipement für ein ganzes Schützenfest Gestingen habe sich ganz anders entwickelt als die übrigen Dörfer, die einen historischen Dorfmittelpunkt haben, erzählt Jungvogel. Die zentrale Entwicklung habe erst nach dem Bau der Bahnstrecke und den Bau des Bahnhofes stattgefunden. Es gebe öffentliche Gebäude mit der Alten Schule und dem Feuerwehr-Gerätehaus, doch die stünden eigentlich an der Ortsgrenze. So konzentrierte sich in den vergangenen 35 Jahren alles um den Gestringer Hof und die Jungvogels, die diese Herausforderung auch gerne annahmen. "Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass Edeltraud und Jan-Dirk nicht mehr hier sind", sagt Addi (Alexis) Schaefer, der gerade vorbeigekommen ist und ein kleines Schwätzchen mit den beiden hält. Die meisten Vereine, die Dorftreffs, alle wichtigen Versammlungen sind im großen Saal des Hauses. Im Keller lagern ganz viele Geräte ein, die man für die Dorffeste benötigt oder auch für das Schützenfest, das es früher hier auch einmal gab. Kurzum: Alles, was für den Zusammenhalt des Dorfes wichtig ist, befindet sich heute im oder am Gestringer Hof. Bei der Gaststube könnte es sich um ein Wohnzimmer handeln Wenn man in den Hof hineinkommt, könnte man meinen, man betrete ein Wohnzimmer. Es gibt Bücher, viele Blumen, auch eine Bierseidel-Sammlung ist im Laufe der Jahrzehnte zusammengekommen. Dazwischen stehen einige wohl dekorierte Tische und eine ebenso umfangreiche und reich bestückte Theke. Die Küche ist der Mittelpunkt des gastronomischen Zentrums. Nur wenige Minuten braucht es von hier, um an die Tische der Kunden zu gelangen. "Wir haben alles so gestaltet, dass es für das Personal und für uns am besten ist", erläutert Jan Dirk Jungvogel die weitere Entwicklung des Hauses. Das Ehepaar hat die vergangenen 35 Jahre alles in den Dienst der Kunden gestellt. Oben im Haus sei nur ein großes Bett und ein schönes Bad sowie ein Raum zum Anziehen. "Gelebt haben wir unten mit unseren Gästen. Selbst in der Corona-Zeit, als niemand da war, haben wir unten gefrühstückt und auch gegessen", sagt Jungvogel. Man habe für die Gäste "immer geliefert". Nie sei eine Feier abgesagt worden, auch wenn man nur eine Person im Service hatte. Die "Sommerresidenz" wird dauerhaft ausgebaut Jetzt wollen Jungvogels verkaufen und alles hinter sich lassen. Sie ziehen zu Verwandten an die Nordseeküste, um dort ein neues Leben zu beginnen. Es handele sich hier um ihre "Sommerresidenz", die sie zur dauerhaften ausbauen möchten. Nur ihr Bett und einige wichtige Dinge sowie Kneipenhund Charly ziehen mit um. "Wir wollen demjenigen, der das hier mal übernimmt, nicht dazwischenfunken und den Leuten die Möglichkeit geben, sich an uns zu wenden", sind sich Jan-Dirk und Edeltraud Jungvogel einig. Sie verlassen Gestringen allerdings erst dann endgültig, wenn sie Nachfolger gefunden haben, die "empathiefähig genug sind, um unser Leben hier übernehmen zu wollen". Ob dazu auch Edeltrauds beliebter "zart gekochte Rinderbraten" oder ihre kleinen Rouladen und die "Curry-Wurst Gestringer Hof" gehören, das muss sich im Detail erst noch herausstellen.

Meistgelesen