Nach Todesschüssen: Was bis jetzt über den Verdächtigen bekannt ist

Espelkamp. Es ist wieder ruhiger geworden in der Espelkamper Innenstadt. Noch bis Donnerstag am späten Abend war die Rahdener Straße gesperrt, doch kreiste am Freitag wieder der Hubschrauber über der Stadt. An der Rahdener Straße und am Mittelgang, wo die Bluttaten begangen wurden, läuft wieder der Verkehr, als wenn nichts geschehen wäre. "Wir müssen da in einzelnen Abschnitten noch das ein oder andere rekonstruieren", gibt der stellv. Pressesprecher des Bielefelder Polizeipräsidiums, Stefan Bökenkamp, im Gespräch mit nw.de bekannt. "Wir haben hier noch viel zu tun." Der mutmaßliche Täter werde dem Haftrichter vorgeführt, man arbeite "auf Hochtouren", möglicherweise könnten weitere Beweissicherungen vor Ort notwendig sein. Vom Tathergang sei klar, dass es nicht mehrere Schusswechsel gegeben habe, sondern gezielte Schüsse auf die beiden Personen erfolgt seien. Lebensumfeld vor allem in Diepenau / Lavelsloh Bei Recherchen im direkten Umfeld des mutmaßlichen Täters und auch der beiden getöteten Personen wird deutlich, dass alle beteiligten Personen ihr Lebensumfeld im benachbarten niedersächsischen Diepenau / Lavelsloh haben. Auch der Tathergang scheint sich auch etwas anders darzustellen, als zunächst vermutet wurde. So soll der mutmaßliche Täter Ercan K. von Lavelsloh aus, wo er mit seiner Familie in einem eigenen Haus in der Nähe des Landschaftssees wohnte, nach Espelkamp aufgebrochen, um gezielt seine seit einigen Monaten dort lebende Frau Sahti K. zu erschießen. Die beiden haben zwei erwachsene Kinder. Sahti K. hatte sich nach nw.de-Informationen an der Rahdener Straße eine Wohnung von der Aufbaugemeinschaft gemietet, wo sie seit November 2020 alleine wohnte. Am Donnerstag weilte zufälligerweise ihr Bruder Muahrem K. bei ihr, als ihr Mann mit gezückter Pistole auf sie zukam. Während Muahrem K. der Kugel nicht ausweichen konnte, gelang es nach Informationen von nw.de seiner Schwester Sahti K. noch die Flucht aus dem Haus über die Rahdener Staße hinein in die Gasse "Mittelgang". Dort sei sei von ihrem früheren Mann erschossen worden. "Muahrem K. muss wohl zur falschen Zeit am flaschen Ort gewesen sein", so ein Vertrauter der Familie zu nw.de. Tote und mutmaßlicher Täter gehören keiner Gemeinde an Sowohl Ercan K. wie auch seine Frau Sahti aus Lavelsloh und auch der Schwager Muahrem K. sind zwar Moslems, gelten aber nicht als religiös und gehören auch keiner Gemeinde aktiv an. Sie seien, so war zu erfahren, alle deutsche Staatsbürger. Die Familie von Ercan K. galt im Diepenauer / Lavelsloher Umfeld als "völlig unauffällig" und auch als "gute Nachbarn". Ercan K. soll bei der Firma Lindner in Diepenau arbeiten. Privat habe er viel mit seinen Kindern unternommen und sich vor allem für seinen Sohn eingesetzt, der begeisterter Fußballer ist. Auch als Jugendtrainer und Betreuer, auch beim Espelkamper Fußballclub Preußen, sei er aktiv gewesen. Dies gilt wohl auch für seinen Schwager Muahrem K, der ebenfalls zwei eigene Kinder hat. Auch er galt als Fußballfan. "Die haben sich gemeinsam immer die Fußballspiele von Preußen angeschaut", sagte ein Freund der Familie. Ein Sohn von Muahrem K. soll sogar einmal von einem Headhunter von Bayern München entdeckt worden sein und durfte somit auch einmal mit seinem Vater nach München fahren, um dort mit der ersten Mannschaft zu trainieren. Viele Kommentare prangern die Stadt Espelkamp an In den Facebook-Gruppen im Lübbecker Land gab es vereinzelte Mitglieder, die versuchten, den Vorfall politisch zu instrumentalisieren. So postete ein früherer AfD-Kreisvorsitzender in der Gruppe &bdquo;Espelkamp wohin": "Ein Ehrenmord?" Die Antwort kam postwendend: "Was soll das denn sein? Ein Ehrenmord! Wir sind hier in Deutschland!!!" Bei &bdquo;Espelkamp Hier geht was!" meinte jemand: "Es wird immer schlimmer." Ein weiterer merkte an: "Espelkamp eben." Auch Mitglieder von außerhalb äußerten sich: "Oh wie furchtbar. Da habe ich mal gewohnt. Da wird oft geschossen." Weil auch immer wieder Gerüchte in die Gruppe hineingetragen wurden, schrieb jemand: "Wartet doch einfach auf eine Bestätigung der Polizei, bevor hier sonst was verbreitet wird." Und schließlich forderte ein Nutzer: "Vielleicht löschen die Admins diesen Mist ... endlich", was nicht passierte. In der Gruppe &bdquo;Wir aus Rahden" postete jemand einen Kommentar, von dem es sich juristisch und moralisch verbietet, ihn wiederzugeben. Und auch in der Gruppe "Wenn du in Lübbecke aufgewachsen bist, dann ..." gab es mehrere Posts, in denen Rassismus und Nazi-Vergleiche geäußert wurden. Daraufhin sprach die Administratorin ein Machtwort, das die Diskussion beendete. Sie schrieb: "Die Tat ist schon schlimm genug, da sind respektlose Kommentare völlig überflüssig." Vorherrschendes Thema auf dem Wochenmarkt Auf dem Espelkamper Wochenmarkt am Freitag war nur ein Thema vorherrschend: die doppelte Bluttat in der Innenstadt vom Donnerstag. Inzwischen wurde bekannt, dass ausgerechnet der Ausschuss für Sicherheit und Ordnung am Donnerstag im Bürgerhaus getagt hatte. Die Kommunalpolitiker gedachten der beiden Opfer mit einer Schweigeminute. Auch Bürgermeister Henning Vieker gab eine Erklärung ab. Er zeigte "großes Bedauern und Betroffenheit über diesen tragischen Fall". Vor allem den Familien und Angehörigen zollte er großen Respekt und sprach ihnen sein Beileid aus. Vieker dankte den Einsatzkräften dafür, dass sie "die Lage so schnell unter Kontrolle gebracht haben". Er sei sehr erleichtert, dass "kein weiterer Mitbürger und Unbeteiligter in dieser Lage zu Schaden gekommen ist." Auch eine Espelkamper Grundschule soll angeblich dazu aufgefordert worden sein, die Kinder vorübergehend nicht hinaus zu lassen, weil zunächst Gefahr durch die Flucht des mutmaßlichen Täters bestanden habe.

Meistgelesen