Tafel im Lübbecker Land: Seit den Flüchtlingskrisen kommen mehr Menschen

Espelkamp. Es ist kurz vor halb acht, draußen ist es kühl und auf dem Parkplatz hinter dem Martinshaus stehen ein paar Dutzend Menschen Schlange. Die meisten von ihnen sind zwischen 30 und 70 Jahre alt. Vereinzelt sind auch Kinder zu sehen. Sie bekommen Süßigkeiten, &bdquo;damit das Warten nicht so lang ist“, sagt Ulla Rackwitz. Sie ist die Koordinatorin der Espelkamper Ausgabestelle bei der Tafel Lübbecker Land e. V. Das Team an der Ausgabestelle Espelkamp verteilt jeden Freitagmorgen Lebensmittel an bedürftige Menschen. Pro Ausgabetag kommen um die 120 Personen. Seit den Flüchtlingsbewegungen 2015 und 2022 würden mehr Menschen zur Tafel kommen, informiert Rackwitz. Insbesondere der Krieg in der Ukraine habe viel verändert. Im Gebäude stapeln sich grüne Kisten mit verschiedenem Gemüse und Obst. &bdquo;Heute haben wir Blumenkohl ohne Ende. Wahnsinn“, sagt Ulla Rackwitz. Aber auch Brote und Kuchen vom Bäcker werden hier in Papiertüten verteilt, ebenso wie Blumen und Kräuter. Ein Teil der Frischwaren ist schon verwelkt oder schrumpelig, das Gebäck wirkt hart. Am Tresen vorne stehen außerdem Milch- und Joghurtkartons, teilweise gibt es auch Fleisch und Käse. Indes: &bdquo;Käse ist immer zu wenig“, sagt Anke Radtke, die sich seit zwölf Jahren bei der Tafel engagiert. Zum Monatsende kommen mehr Menschen Das Lebensmittelangebot basiert auf Spenden. &bdquo;Wir bekommen nur das, was die Supermärkte, Bäckereien und Bauernhöfe an uns abgeben“, erklärt Radtke. &bdquo;Die meisten Supermärkte kooperieren mit uns, aber nicht alle“, informiert der Vorsitzende des Fördervereins, Eckhard Struckmeier. Manchmal kommt es auch vor, dass Lebensmittel übrig bleiben. Dann werden sie zurück in die Kühlung gebracht und bei der nächsten Ausgabe in einer der anderen fünf Kommunen verteilt. An diesem Freitag ist vergleichsweise wenig los. Die Schlange, die sich am Anfang gebildet hatte, löst sich allmählich auf. Vereinzelt kommen immer wieder Menschen, doch der große Andrang bleibt aus. &bdquo;Vielleicht hat es schon Geld gegeben“, vermutet Rackwitz – obwohl es Monatsende ist. In der Regel gilt: &bdquo;Anfang des Monats ist die Schlange kleiner als zum Ende des Monats“, sagt Struckmeier. Abläufe sind koordiniert Zur Lübbecker Land Tafel dürfen nur Menschen kommen, die Sozialleistungen beziehen. So zählen Geflüchtete und Bürgergeldempfängerinnen und -empfänger sowie ältere Menschen, die eine geringe Rente erhalten, zu den Kunden der Tafel. Bezieher von Wohngeld gehören nicht zu den Berechtigten. Insgesamt kommen im Monat rund 1.700 Personen aus dem Lübbecker Land zur Tafel. Trotz des überschaubaren Besucheraufkommens und den zugewiesenen Uhrzeiten für die Kunden wirkt es in der Ausgabestelle vor allem zu Beginn trubelig: Kisten klappern, Tüten rascheln, Ehrenamtliche rufen sich zu. Und doch läuft alles koordiniert ab: Ein Teil der Ehrenamtlichen sammelt die Tüten ein, die die Kunden mitbringen; eine Person verteilt Zeitmarken und koordiniert, wer, wann seine befüllte Tüte abholt; andere packen die Taschen mit Lebensmitteln und zwei Personen arbeiten am Tresen, um die Taschen den Kunden wiederzugeben. Essen reicht nicht für große Familien Die Lebensmittel von der Tafel reichen laut Struckmeier ungefähr für die Hälfte der Woche. Somit müssen die meisten Kunden zusätzlich noch in Supermärkten und Discountern einkaufen gehen. Insbesondere für diejenigen von ihnen mit einer großen Familie sei es schwierig, mit den Lebensmitteln auszukommen, sagen die Kunden. Ein Mann zeigt auf eine große Einkaufstüte: &bdquo;Das ist für 14 Personen. Das ist nicht viel.“ Ein anderer junger Mann, der seiner Mutter beim Tragen der schweren Taschen hilft, berichtet: &bdquo;Das ist eine starke Hilfe, aber wir bekommen hier nicht alles, was wir brauchen. Hier ist zum Beispiel eine Packung Milch drin. Das wird nicht reichen für fünf Personen.“ Weniger Inhalt in den Tüten Ähnlich sieht das eine Frau, die sich gerade ihre Zeitmarke für nächste Woche abholt: &bdquo;Wir sind acht Personen, dafür ist es nicht genug.“ Mit Blick auf den Joghurt, der das Mindesthaltbarkeitsdatum ein paar Tage überschritten hat, betont sie: &bdquo;Ich bin wirklich sehr froh, dass es das hier gibt. Aber ich würde mir wünschen, dass die Qualität des Essens ein bisschen besser ist. Das wäre schön.“ Lesen Sie auch: Bielefelder Tafel für Tiere: Einzigartiges Angebot für Bedürftige mit Vierbeinern Immer wieder bedanken sich die Kunden für die Hilfe und loben die Arbeit der Ehrenamtlichen. &bdquo;Die machen das hier super“, sagt eine andere Frau in der Schlange. &bdquo;Das ist eine gute Hilfe, aber früher war mehr in den Tüten. Da kamen noch weniger Menschen.“ Versorgung ist auf dem Land gut Das bestätigt auch Struckmeier: &bdquo;Trotzdem ist unsere Versorgung gut. In den Ballungsgebieten müssen die Tafeln manchmal einen Anmeldestopp verhängen oder die Menschen dürfen nur alle zwei Wochen kommen. Aber hier auf dem Land kriegen die Menschen immer etwas.“ Allerdings ist es auch nicht der Anspruch der Tafel, die Menschen satt zu machen: &bdquo;Vielmehr geht es darum, Essen vor dem Wegwerfen zu schützen und das an Bedürftige zu geben“, ergänzt Struckmeier, der seit fünf Jahren mithilft. Viele der Ehrenamtlichen sind schon jahrelang bei der Tafel tätig. So auch Javad Ghanbary. 2015 kam er als Geflüchteter aus dem Iran nach Deutschland. &bdquo;Zwei Monate war ich hier bei der Tafel selber Kunde.“ Schnell hat er sich damals dafür entschieden, bei der Tafel mit zu helfen. Und das macht er nun schon seit zehn Jahren. Lesen Sie auch: Armut trotz Arbeit in Bielefeld: Wenn der Lohn nur mit Bürgergeld reicht Manche kommen seit Jahren Auch unter den Kunden gibt es bekannte Gesichter. &bdquo;Ein paar Leute kennt man schon, weil die seit Jahren hier her kommen“, sagt Koordinatorin Rackwitz. Dann wissen die Ehrenamtlichen schon, wer mit wem befreundet ist, fragen, ob noch Familienmitglieder kommen oder machen Small-Talk: &bdquo;Manche sind sehr verschlossen, aber andere erzählen auch mal über Krankheiten oder Sorgen.“ Insgesamt helfen zwölf Ehrenamtliche bei der Tafel in Espelkamp mit, pro Ausgabe sind sechs im Einsatz. &bdquo;Wir haben hier eine super Truppe“, hält Ulla Rackwitz fest. Ihre Motivation so lange zu unterstützen ist klar: &bdquo;Ich finde es toll, dass hier Menschen geholfen wird und gleichzeitig nicht so viele Lebensmittel weggeschmissen werden.“ Ähnlich sieht das Anke Radtke: &bdquo;Das ist eine tolle Gemeinschaft. Es macht Spaß, hier zu helfen. Und es ist für die gute Sache.“ Einen Mangel an Ehrenamtlichen gibt es hier nicht. &bdquo;Wir sind gut aufgestellt.“ 📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Minden-Lübbecke

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