Espelkamp. Der Wald ist ein wahres Multitalent. Als Wirtschaftsraum (Holzproduktion), zur Freizeitnutzung und zum Naturschutz ist er unentbehrlich. Das Ökosystem Wald besitzt eine hohe Artenvielfalt, bindet Kohlenstoff (ein Hektar Wald bindet gut fünf Tonnen Kohlenstoff pro Jahr) und produziert Sauerstoff. Er reguliert und verbessert Wasserhaushalt und -qualität (ein Hektar Wald steht für drei Millionen Liter Trinkwasser), hält die Luft rein, sorgt für Kühlung und ein gesundes Mikroklima (ein Hektar Wald filtert 61 Tonnen Staub und Ruß). Nach den Dürresommern 2018 und 2019 ist der Zustand des deutschen Waldes schlechter denn je – seit es den ersten Waldzustandsbericht im Jahr 1984 gab.
Am Mittwoch hatte Kreisheimatpfleger Friedrich Klanke zum Auftakt der Jahresmitgliederversammlung des Kreisheimatbundes mitten in den Wald eingeladen, in den „Fahrensbruch" in Espelkamp. Als Leiter der Waldbegehung hatten die Heimatfreunde Förster Peter Heidmeier, zuständig für den Forstbetriebsbezirk Lübbecke-Ost (der sich von Tonnenheide, über Espelkamp und Lübbecke bis nach Hüllhorst erstreckt), gewinnen können sowie den Leiter des Forstamtes OWL Holger-Karsten Raguse, der später im Rathaussaal einen Einblick in die Waldschadenslage im heimischen Kreisgebiet und zu eingeleiteten Maßnahmen gab.
"Lebende Fichten sind kaum noch zu sehen"

Lebende Fichten seien kaum noch zu sehen, sagte Peter Heidmeier und zeigte auch einige vertrocknete Exemplare. Arg zugesetzt haben die beiden trockenen und heißen Sommer zudem den Buchen. Vor allem Bäume, die 100 Jahre und älter sind, seien betroffen. Zudem machten Pilz-Schädlinge, ähnlich der Rußrindenkrankheit der Ahornbestände, den Buchen zu schaffen.
Heidmeier hofft, dass der Wald selbst die Abgänge wieder auffängt. Anpflanzungen seien vorerst nicht geplant. Insgesamt gesehen sei die Situation im „Fahrensbruch" noch relativ entspannt, anders als beispielsweise im Wiehengebirge. Großes Problem für die Waldbesitzer sei, dass die Märkte gesättigt seien. So werden die geschädigten Bäume vorerst im Wald belassen, es sei denn, aufgrund der Verkehrssicherheitspflicht in der Nähe von Siedlungen, Straßen oder Waldwegen sei es angeraten zu fällen.
Wälder sind größtenteils in Privatbesitz
Im Rathaussaal beleuchtete Holger-Karsten Raguse die derzeitige Lage und nannte zuerst einige Zahlen. Rund 27 Prozent des Landes NRW seien bewaldet, im Kreis Minden-Lübbecke betrage der Waldanteil zwölf Prozent, in Espelkamp seien es 15 Prozent. Die große Mehrheit der Bestände seien Mischwälder, die sich größtenteils in Privatbesitz befänden. Typisch für diese Gegend sei der große Anteil an Parzellen von weniger als 20 Hektar.
Das Malheur begann mit Orkan Friederike
Rückblickend begann für Holger-Karsten Raguse das Malheur mit dem Orkan Friederike im Winter 2017/18, der viele Kleinschäden verursacht habe. Es folgte ein sehr heißer und trockener Sommer 2018, dessen Temperaturen um 1,7 Grad über dem langjährigen Mittel lag. Dazu kamen um 50 Prozent weniger Niederschläge als normal.
Der Borkenkäfer profitiere ungemein von diesen außergewöhnlichen klimatischen Bedingungen mit den bekannten Folgen. Der Dürre 2018 folgte ein Winter, der die Trockenheit nicht kompensieren konnte. Der Sommer 2019 war erneut heiß und trocken, sodass über einen längeren Zeitraum höchste Waldbrandgefahr herrschte.
Zudem bereite die Buche große Sorge. „Sie wird schütter und trocken und die Einzelausfälle verdichten sich zu einem kritischen Gesamtbild", sagte der Experte. Die schnelle Entwertung des Buchenholzes bedeute für die Waldbesitzer zudem gehörige wirtschaftliche Verluste.
"Eine Prognose für die Zukunft zu geben, ist schwierig"
Während die Kiefer in gutem Zustand sei und das Eschentriebsterben ein Stück zurückgegangen sei, leide der Ahorn sehr unter Rußrindenkrankheit. Durch Trockenheit und Wärme sei der Eichenprozessionsspinner vermehrt in den hiesigen Regionen aufgetaucht. Eine Berührung mit den Haaren der Raupe führe zu allergischen Reaktionen. Ähnliche Gefahren gehen von den Sporen aus, die freigesetzt werden, wenn die Rinde der Ahornbäume aufbricht.
Eine Prognose für die Zukunft abzugeben, sei sehr schwierig, so Raguse. Die Bäume bräuchten ihre Zeit zu wachsen, die Buche rund 120 bis 160 Jahre und Eiche etwa 180 bis 250 Jahre. Zudem gäbe es vermehrt wärmere Jahre und einen stetig steigenden CO2-Pegel. Ein nachhaltiges Waldbewirtschaftungskonzept gehe über laubholzdominierte Mischwälder. Es gelte die Vielfalt zu erhalten.