Wahlkampf im digitalen Poesiealbum

&bdquo;Bescheidenheit ist eine Zier, doch weiter kommt man ohne ihr.“ Das Sprichwort dürfte alt sein und genießt dennoch eine frappierende Aktualität. Wer aus beruflicher Notwendigkeit oder gar persönlichem Interesse in sogenannten &bdquo;sozialen Netzwerken“ Politikern &bdquo;folgt“, kann sich des Eindrucks nicht erwehren: &bdquo;Wir werden von Genies regiert.“ Die Selbstvermarktung im Reich der digitalen Blasen übt auch auf Kommunalpolitiker einen Inszenierungsreiz aus, der nicht selten zwischen Überheblichkeit, Irrelevanz und Lächerlichkeit pendelt. Das ist mal unfreiwillig komisch, mal peinlich, aber immer brandgefährlich. Facebook, TikTok, X und Co. suggerieren ihren Nutzern nämlich, dass sie (in diesen Fällen) politische Öffentlichkeit qua Mausklick herstellen können – oder besser müssen, denn der Zwang, sich digital zu produzieren, ist nicht nur lästiges Beiwerk, sondern längst das Wesen eines jeden Wahlkampfs. Und im anstehenden Kommunalwahlkampf dürften die Algorithmen heiß laufen, wenn die fünf Bürgermeisterkandidaten, die in der Kurstadt ins Rennen gehen, sich anschicken, digital vermittelt Bürgernähe zu simulieren. Sich dieser Entwicklung in den Weg zu stellen, ist naive Maschinenstürmerei, die schon die Dampflok nicht aufhalten konnte. Dennoch scheint es mir wichtig, auf einen Grundwiderspruch bei der Nutzung sogenannter &bdquo;sozialer Medien“ für die politische Meinungsbildung aufmerksam zu machen. Mehr zum Thema: Diese Bürgermeisterkandidaten und Parteien treten in Bad Oeynhausen zur Wahl an Der Zweck der &bdquo;sozialen Medien“ ist die Manipulation Dabei geht es nicht darum, dass immer mehr Beiträge sich als journalistische Arbeit kostümieren, etwa dann, wenn Parteifreunde den Bürgermeisterkandidaten interviewen, sondern um die eigentliche, längst offenbar gewordene Funktion dieser &bdquo;Medien“. Ihr Zweck ist die Manipulation, nicht die Information. Es gibt &bdquo;soziale Netzwerke“, weil ihre Eigentümer sie als Waffen zur Zersetzung der parlamentarischen, rechtsstaatlichen Demokratie einsetzen. Wer sich ihnen aussetzt, um für die Demokratie oder sich als Kandidaten zu werben, der treibt den Teufel mit dem Beelzebub aus. Hinzu kommt, dass Posts von Terminen aus der analogen Welt auf den digitalen Plattformen nicht der Transparenz und dem öffentlichen Diskurs dienen, sondern der fortwährenden Selbstvergewisserung der eigenen Bedeutung. Früher nannte man das eitel. Doch zurück zum Grundwiderspruch. Der illustrierte sich beispielhaft am Versuch der öffentlich-rechtlichen Medien, ihre Relevanz gegenüber den &bdquo;sozialen Netzwerken“ dadurch zu behaupten, dass sie ihre Inhalte den Tech-Oligarchen schenken, die sie abschaffen möchten: Fast keine aktuelle Sendung kommt ohne den Verweis auf die Plattformen aus. Ähnlich ist es in der Politik. Bis hinunter auf die unterste, die kommunale Ebene, posten Mandatsträger und Kandidaten sich einen Wolf, um wahrgenommen zu werden. Es ist zumindest fraglich, wer da für wen zum Mittel zum Zweck wird. In den Filterblasen grassiert die Angst, etwas zu verpassen (Fear of Missing Out). Und die Kandidaten leiden mit Blick auf den Gehalt des Dargebotenen offenbar an der Angst, nicht vorzukommen (Fear of not appearing). Die treibt selbst Bürgermeister, die wahrlich nicht über viel Freizeit klagen dürften, zu nachtschlafender Zeit ans Endgerät, um der Welt mitzuteilen, dass sie bei einem Schulabschluss gesprochen haben. Mehr zum Thema: Kommunalwahl 2025 im Kreis Minden-Lübbecke Predigten für die Gemeinde der Folgenden Verräterisch sind diese Inhalte dahingehend, dass den &bdquo;Usern“ und &bdquo;Followern“ zumeist eine inhaltliche Auseinandersetzung erspart wird - von Programmatik ganz zu schweigen. Wird es mal tiefgründiger, dann handelt es sich um &bdquo;Statements“, die als &bdquo;richtige Haltung“ verkauft und nicht selten durch die Sperrung nörgelnder Kritiker garniert werden. Diese Posts erinnern an Predigten, der die &bdquo;Gemeinde der Folgenden“ andächtig zu lauschen hat. So vermittelt sich politische Nähe nicht über eine programmatische Nähe, sondern über Gefolgschaft, die nicht selten emotional begründet wird. Man hat halt irgendwie das Gefühl, dass es sich bei dem Kandidaten oder der Kandidatin um den oder die Richtige handle. Das alles mag als Inszenierung von Kommunalpolitik im 21. Jahrhundert taugen und der Erfolg gibt den sogenannten &bdquo;sozialen Netzwerken“ recht, selbst wenn mehr getanzt als debattiert wird. Unerwähnt bleibt dabei aber, dass die &bdquo;sozialen Medien“ nicht die Werkzeuge des grassierenden Autoritarismus und Rechtsextremismus sind, sondern deren notwendige Bedingung. Es gibt diese Netzwerke nur, weil ihre Eigentümer wollen, dass die liberale Demokratie implodiert: Sie sind Mittel zum Zweck. Auch deshalb beherrschten die Rechten ihre Klaviatur mit Bravour, wohingegen die Versuche der (noch) demokratischen Parteien nicht nur lächerlich anmuten. Sie sind Getriebene auf einer Ebene, die für sie noch immer ein unbekanntes Terrain ist. Die Frage ist nur: Warum lassen sie sich treiben? 📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Minden-Lübbecke

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