Fehlplanungen beim Umbau: Nahverkehr in Bad Oeynhausen nicht barrierefrei

Bad Oeynhausen. Die Frauenstimme in dem kleinen gelben Kasten an der Bushaltestelle &bdquo;Brune“ spricht auf Knopfdruck klar und deutlich, aber in den Verkehrslärm hinein. Zwischen den zahlreichen Autos auf der Eidinghausener Straße ist die Stimme kaum zu hören. Außerdem redet sie Unsinn. Davon jedenfalls sind Simone und Manfred Strahl überzeugt. Das sehbehinderte Ehepaar lauscht nacheinander am Ansageapparat. Der nächste Bus, so erklärt es die Stimme, fahre zum ZOB. Die Frage ist allerdings: nach Minden oder Bad Oeynhausen? Die Ansage auf der gegenüberliegenden Bushaltestelle ist übrigens komplett ausgefallen - genauso wie die digitale Anzeigetafel. Ärgerliche Fehler wie diese erlebt das Ehepaar Strahl im Nahverkehr täglich. Und das sind noch die kleineren Hindernisse, mit denen die beiden zu kämpfen haben. Am Aktionstag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen erhebt das Ehepaar die Stimme. Die Vorsitzende des Behindertenbeirats Marion Schütz unterstützt ihr Anliegen. Und der Kreisverband des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) nutzt den Ortstermin, um harte Kritik am Nahverkehrsmanagement der Stadt Bad Oeynhausen zu üben. Anzeigetafeln sind &bdquo;eher ein Wahrsagerservice“ Gerold Haug vom VCD nennt die digitalen Fahrplananzeiger &bdquo;teuer und weitgehend nutzlos“. Sie zeigten nicht die echte Abfahrtzeit an, sondern bloß die fahrplanmäßige. Über Verspätungen oder Ausfälle wird nicht informiert. Es werde bloß der Aushangfahrplan wiederholt. Haug: &bdquo;Das ist also eher ein Wahrsageservice.“ Nach Auskunft der Stadtverwaltung sind die Anzeigen durch einen Fehler des Herstellers ausgefallen. &bdquo;Die Reparatur dauert bis in die zweite Jahreshälfte“, erklärt Stadtpressesprecher Volker Müller-Ulrich, falle aber unter die Gewährleistung. Man habe die Tafeln während der langen Reparaturphase extra in Betrieb gelassen, damit die verknüpften Fahrplanansagen aus den Lautsprechern weiter zu hören sind. Lesen Sie auch: 18 Bushaltestellen in Bad Oeynhausen werden barrierefrei - und digital Der Umbau der Haltestelle Brune an der Eidinghausener Straße ist nach Ansicht des VCD aber misslungen. Zwar gebe es ein Hochbord und taktile Leitstreifen, lobt Gerold Haug. Ausgerechnet der Mast mit dem sprechenden Lautsprecher aber liegt außerhalb des taktilen Leitsystems. Für Menschen mit Sehbehinderungen ist der Knopf damit eigentlich nicht erreichbar. Und damit praktisch unnütz. Der VCD-Kreisvorsitzende Thomas Dippert erinnert an die gesetzliche Verpflichtung der Kommunen zum barrierefreien Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, der ab 2018 begonnen hat und bis 2024 abgeschlossen sein musste. Dippert: &bdquo;In unserer Region ist in den Kommunen verdammt wenig passiert. Fertig ist keine.“ Falsche Prioritäten beim Barrierefrei-Umbau 2018 habe die Minden-Herforder-Verkehrsgesellschaft (MHV) noch eine Prioritätenliste für den Umbau der Haltestellen aufgestellt, die ab Neujahr 2026 wieder zuständig werde. Zwischendurch sei die Stadtverkehrsgesellschaft Bad Oeynhausen zuständig gewesen, wobei viel Fachwissen verloren gegangen sei. Die Stadtverkehrsgesellschaft habe stattdessen ein Gutachterbüro beauftragt, &bdquo;das Rad neu zu erfinden“, so Dippert. Herausgekommen sei dabei &bdquo;die unnötige Quadratur des Kreises: teuer, vielfach untauglich und fehlerhaft. Teils aber auch völlig überzogen und mit falschen Schwerpunkten“, findet Dippert. Die Stadt habe unbedeutende Haltestellen barrierefrei ausgebaut, bedeutende wie am Fachmarktzentrum an der Werster Straße aber links liegen gelassen. Nach der Abwicklung der Stadtverkehrsgesellschaft werde ab Neujahr 2026 wieder die MHV zuständig. Der VCD-Kreisvorsitzende bilanziert: &bdquo;Das kommunale Projektmanagement beim Barrierefrei-Umbau ist ein Desaster.“ Die größte Hürde für Menschen mit Behinderungen in Bad Oeynhausen ist der fehlende Zentrale Omnibusbahnhof (ZOB). Derzeit ist nur ein Ersatz-ZOB am Parkhaus Sültebusch in Betrieb und der ist nach Ansicht der betroffenen Busnutzer bloß teilweise barrierefrei. Der alte ZOB soll erst 2026 umgebaut werden. Dippert schätzt, dass der neue ZOB frühestens 2028 in Betrieb genommen werden kann. Derzeit ist der ZOB voll gesperrt, weil die Stadtwerke Tiefbauarbeiten an der Kaiserstraße angekündigt haben. Allerdings sind die Tiefbauer noch nicht bis zur Ampelkreuzung vorgedrungen. NW-Umfrage: Viel Lob und wenig Kritik für den Busverkehr in Bad Oeynhausen Risiko Fußweg zum Ersatz-ZOB Wäre der Ersatz-ZOB im Sültebusch nicht der bessere ZOB? Auf diese Frage reagiert Simone Strahl wie bei einer Wurzelbehandlung beim Zahnarzt - ohne Betäubung. Mit drei Mobilitätstrainern hat sie den Weg vom Bahnhof zum Busbahnhof geübt, sich jede Bordsteinkante eingeprägt, so schildert sie das Training. Der Weg bleibt trotzdem ein Risiko. Die grünen Fußstapfen auf dem Boden sind für Menschen mit Sehbehinderungen nicht zu ertasten. Außerdem kreuzen mehrfach Fahrräder, Autos und selbst Busse den Weg zum Ersatz-ZOB. Und auch beim Ausstieg aus dem Bus kämpft Strahl mit der Bequemlichkeit der Sehenden. &bdquo;Viele Busse halten einfach im Wendehammer“, sagt Strahl. Die Busfahrer parken dort, um ihre Wartezeit zu verbringen. Dabei müssten sie eigentlich an die Hochbordkante fahren, um die Reisenden aussteigen zu lassen. Rollstuhlfahrer hätten auf dem Wendehammer keine Chance, ebenerdig auszusteigen. Sehende Rollstuhlfahrer könnten sich aber noch vor dem Ausstieg lautstark bemerkbar machen. Sie nicht. Strahl: &bdquo;Ich bin schon einmal durch den gesamten Wendehammer gelaufen, um wieder auf den Weg zum Bahnhof zu kommen.“ 📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Minden-Lübbecke

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