Bad Oeynhausen. Die Deutschen werden immer älter. Inzwischen leben unter ihnen mehr als 25.000 Hochbetagte. Und die Tendenz ist bekanntlich steigend. In Bad Oeynhausen gibt es zurzeit 24 Menschen, die 100 Jahre oder älter sind, wie Stadtpressesprecher Volker Müller-Ulrich weiß. Spitzenreiterin der Altersjubilare aus der Kurstadt ist aktuell Dora Reinert, die am Samstag, 22. Februar, ihren 104. Geburtstag feiert.
Viel Aufhebens macht die rüstige Rentnerin darum nicht. Und tut das mit den Worten: „Ich bin doch nur ein Jahr älter geworden“, ab. Auch dass die gebürtige Lipperin nach wie vor in einem Mehrgenerationenhaus in Eidinghausen gemeinsam mit ihrer Tochter, mit Enkeltochter und Enkelsohn sowie zwei Urenkelinnen in einer Altersspanne zwischen fünfeinhalb und 104 Jahren unter einem Dach lebt, ist eine Besonderheit.
Diese 104 Jahre spiegeln sich auch in dem technischen Fortschritt wieder. Ein Beispiel dafür ist, dass es in ihrem Elternhaus im Kalletaler Ortsteil Eder noch kein elektrisches Licht gab, als Dora Reinert dort zur Welt kam. Als Einzelkind wuchs sie bei ihren Großeltern auf. „Das waren sehr schöne Jahre. Wir haben direkt an der Weser gewohnt, dort wo die Fähre anlegt. Und weil unser Haus etwas höher als das der Nachbarn lag, hatten wir zum Glück keine Probleme mit Hochwasser. Meine Aufgabe war es damals, im Sommer die Ziegen in den Weserwiesen zu hüten“, weiß die 104-Jährige noch ganz genau.
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Im eigenen „Lloyd“ zum Zelten in den Schwarzwald
Als junge Frau war Dora Reinert auf Bauernhöfen und in Haushalten beschäftigt. Sechs Jahre bevor ihre Tochter Gisela Schimmelpfennig geboren wurde, zog sie 1945 erst nach Vlotho und zehn Jahre später dann auf den Winterberg. 1979 starb ihr Ehemann Carl Reinert, ein Berufskraftfahrer, der für eine Herforder Molkerei unterwegs war. Während das Ehepaar in den gemeinsamen Jahren mit dem eigenen „LLoyd“ gern zum Zelten in den Harz, ins Sauerland und in den Schwarzwald fuhr, entdeckte Dora Reinert als Witwe den Reiz von Busreisen in europäische Metropolen wie Paris und London.
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Die schwersten Jahre ihres Lebens seien die Kriegsjahre gewesen, bilanziert die 104-Jährige. Und die schönsten Jahre? „Seitdem ich 1984 zu meiner Tochter nach Eidinghausen gezogen bin“, sagt das Geburtstagskind. Auch wegen der beiden Enkelkinder und der zwei Urenkelinnen, die ihre Uroma liebevoll „Ticktack-Omi“ nennen. Eine Zuneigung, die erwidert wird. Denn: „Ich habe eine Mutter, wie man sich das nur wünschen kann. Sie war immer für mich da“, entgegnet Tochter Gisela Schimmelpfennig.
In diesem Punkt ist Dora Reinert, was die Statistik angeht, linientreu: Mehr als 80 Prozent der Hochbetagten sind mit ihrem Leben zufrieden. Auch dass genauso viele der über 85-jährigen Frauen sind, wie das Statistische Bundesamt ermittelt hat, passt ins Bild. Anders ist das mit den körperlichen Einschränkungen, die bei ihren Altersgenossinnen, die im Schnitt unter vier bis fünf chronischen Krankheiten leiden, an der Tagesordnung sind. Nicht so Dora Reinert.
104-Jährige ist selten krank und nimmt keine Medikamente
Zwar hat sich ihre Sehfähigkeit merklich verschlechtert und für das von ihr so geliebte Lösen von Kreuzworträtseln bedarf es inzwischen einer starken Sehhilfe. Aber: „Meine Mutter ist sehr selten krank. Und nimmt überhaupt keine Medikamente ein, was jedes Mal zu Irritationen führt, wenn wir zu einem Arztbesuch einen Medikamentenplan mitbringen sollen, den es aber gar nicht gibt“, weiß Gisela Schimmelpfennig.
„Wunderbar“ findet Dora Reinert auch die beiden Tage, die sie in der Tagespflege der Diakonie verbringt. „Dort wird vorgelesen, gespielt und Gymnastik gemacht“, sagt sie über das willkommene Angebot. Zur Geburtstagsfeier heute kommen auch weiter entfernt wohnende Familienangehörige in das Mehrgenerationenhaus in Eidinghausen.
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