Nach Verdacht auf Nazi-Raubkunst im Märchenmuseum stellt Bad Oeynhausenerin Untersuchungen an

Bad Oeynhausen. Bünde, Herford, Kassel, Wiesbaden, Koblenz, Berlin, Paris und Amsterdam: Nachlass und Schriftstücke von Karl Paetow sind weit verteilt und längst nicht auf die Kurstadt beschränkt. Der Gründer des Märchenmuseums hat im Auftrag von Spitzenfunktionären des nationalsozialistischen Terrorregimes 1942/43 im besetzten Frankreich, den Niederlanden, Belgien und Luxemburg Kunst und Kunstgegenstände geraubt - und auch dort womöglich Spuren hinterlassen. Seit den Enthüllungen der NW über die Nazi-Vergangenheit Paetows steht der Verdacht im Raum, dass die Gründungssammlung des Märchenmuseums nicht mit lauteren Mitteln zustande gekommen ist. 52 Jahre nach der Museumsgründung beginnt die wissenschaftliche Untersuchung der Sammlung. Die Kunsthistorikerin Layla Pankratz erforscht seit Anfang des Jahres die Herkunft der Objekte. Derzeit ist die 31-Jährige noch im Stadtarchiv Bad Oeynhausen damit beschäftigt, den schriftlichen Nachlass von Karl Paetow zu sichten. Und wälzt mehrere Archivmeter Papier. Die Provenienzforscherin sucht nach Hinweisen darauf, wie Paetow seine Sammlung fürs Märchenmuseum zusammengestellt hat. Im Fokus: Kaufbelege, Notizen oder persönliche Briefe. &bdquo;Ich scanne den Nachlass nach Anhaltspunkten“, erklärt sie bei ihrer Vorstellung im Rathaus. Die eigentlichen Sammelobjekte wird sie in einem zweiten Schritt unter die Lupe nehmen und dafür auf die neue Inventarliste des Museums zugreifen. Derzeit sind Ehrenamtliche und das Museumsteam damit beschäftigt, alle Objekte des Märchenmuseums, nicht nur die Sammlung Paetow, digital zu erfassen. Der Märchenonkel war Kunsträuber Recherchen der NW zum Gründer des &bdquo;Deutschen Märchen- und Wesersagenmuseums“ zeigten, dass Karl Paetow während der deutschen Besatzung als Kunsthistoriker beim sogenannten Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg (ERR) tätig war. Der Historiker Norbert Sahrhage hat dafür zahlreiche Belege gefunden. Der ERR war eine Organisation der NSDAP und erfasste und verwertete Kulturgüter aus dem Privatbesitz von Juden und Freimaurern. Paetow taxierte als &bdquo;Einsatzleiter“ beispielsweise den Wert von Wandteppichen, Gemälden, Skulpturen oder Vasen, er führte Listen und versandte die Objekte ins Deutsche Reich. Mehrere dieser Listen sind im Bundesarchiv Berlin erhalten und längst digitalisiert einsehbar. Die Datenbank eines internationalen Forschungsprojekts zum ERR in Frankreich liefert zu Paetow allein 529 Treffer - und damit genau so viele Kunstraubverdachtsfälle. Der Märchenonkel Paetow war Kunsträuber. Doch liegt auch geraubtes Kulturgut im Märchenmuseum? Diese Frage soll die Forscherin in den nächsten zwei Jahren beantworten. Lesen Sie auch: Märchenmuseum Bad Oeynhausen bekommt Geld zur Erforschung der eigenen Vergangenheit Layla Pankratz hat an der Universität Bonn zunächst Französisch, dann Kunstgeschichte studiert und abgeschlossen. Sie ist außerdem eine der ersten Absolventinnen des neu gegründenen Master-Studienganges Provenienzforschung und hat ein zweijähriges Volontariat in der Stabsstelle Provenienzforschung bei der Stadt Düsseldorf absolviert, bei der sie ein eigenes Forschungsprojekt betreut hat. Pankratz kommt aus Bad Oeynhausen, sie ist hier zur Schule gegangen und hat 2012 am Immanuel-Kant-Gymnasium Abitur gemacht. Die Forscherin war zuletzt als Kind im Märchenmuseum Das Märchenmuseum kennt sie aus vergangenen Schulbesuchen. &bdquo;Da war ich noch ein Kind“, sagt Layla Pankratz bei ihrer Vorstellung im Rathaus. Damals wurden ihr beim Museumsbesuch Märchen erzählt und die hat sie auch gern gehört. Nun kommt Layla Pankratz als Forscherin zurück - und ist der Aufklärung verpflichtet. Und das, stellt sie gleich klar, ist Teamarbeit mit Stadtarchivarin Stefanie Hillebrandt und Museumschef Hendrik Tieke. Die politischen Querelen um die Stellenausschreibung im Kulturausschuss und den Widerstand der CDU-Fraktion gegen die Erforschung der Sammlung Paetow hat sie zwar mitbekommen. Dazu sagt sie nur knapp: &bdquo;Ich bin Wissenschaftlerin. Politik ist nicht mein Thema.“ Pankratz ist aus zehn Bewerbern um die Forschungsstelle ausgewählt worden, erklärt Stefan Tödtmann, Beigeordneter für Bürgerdienste. Die Forscherin mit Wurzeln in Bad Oeynhausen sei mit ihrem Profil genau die Richtige für die Aufgabe. Außerdem spreche sie Französisch, was im Laufe des Forschungsprojektes noch wichtig werde. Tödtmann: &bdquo;Das hat genau gepasst.“ Inzwischen wohnt die Forscherin in Köln - und nun zeitweise wieder in der alten Heimat: &bdquo;Meine Familie hat mich freundlicherweise aufgenommen.“ Das Bewerbungsgespräch in Bad Oeynhausen fand am 11. November statt. Einen Tag später erhielt sie die Zusage. &bdquo;Deshalb habe ich den Karnevalsauftakt in Köln komplett verpasst“, sagt Pankratz und lacht. Es ist nicht ganz klar, ob sie das bedauert oder begrüßt. Den Tipp zur Bewerbung in der alten Heimat hat sie übrigens aus ihrer Familie bekommen: &bdquo;Mein Großvater hat davon in der Zeitung gelesen.“ 📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Minden-Lübbecke

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