Ballett-Produktion in Bad Oeynhausen wirft Fragen auf

Bad Oeynhausen. Jahrzehntelang hat der russische Exportschlager Ballett zwischen den Jahren im Theater im Park verlässlich für ein doppelt ausverkauftes Haus gesorgt. Auf der Bühne war traditionell das unter wechselnden Namen geführte russische Staatsballett zu erleben. Inzwischen beliefert die &bdquo;agenda production“, ein Berliner Veranstaltungsplaner, die Bühne der Kurstadt mit einem Ensemble, das unter dem Namen &bdquo;Royal Classical Ballet“ firmiert. Das zog auch in diesem Jahr wieder rund 1.000 Besucher mit zwei Klassikern der Ballettkunst - &bdquo;Dornröschen“ und &bdquo;Schwanensee“ - in seinen Bann. Im Nachmittagsprogramm für Familien tritt verlässlich Jahr für Jahr eine orientalisch gekleidete Dame auf die Bühne, greift zu einem riesigen Märchenbuch, schlägt es auf und pustet den Goldstaub weg. Dann muss das Publikum gemeinsam mit ihr &bdquo;Maestro, Musik!“ rufen und aus den Boxen rechts und links auf der Bühne quält sich Tschaikowskis Ouvertüre zu &bdquo;Dornröschen“. Die Erzählerin behält den Nachmittag über die Fäden in der Hand. Eingebettet in ihre kindgerechten Erzählungen sind die Tanzeinlagen, die erwartungsgemäß ohne Risiken und Nebenwirkungen daherkommen und die kübelweise von Zuckerguss und heiler Welt überzogen sind. Das Corps tanzt wie lebendig gewordene Porzellanfiguren vor den bemalten Leinwänden im Hintergrund die traditionellen Choreografien von Marius Pepita und Lew Iwanow. Das ist am Abend, als der &bdquo;Schwanensee“ auf dem Programm steht, nicht anders. Denn am Ende ist es gleich, was da in den konfektionierten Tournee-Produktionen getanzt wird: bedient wird jedes Mal die Sehnsucht nach einer heilen Ballettwelt. Lesen Sie auch: Staatstheater kündigt Vertrag mit Landestheater &bdquo;Schwanensee“ in Bad Oeynhausen inklusive Klischees Und die macht selbst vor Ethnoklischees und kolonialistischem Habitus nicht Halt. Denn während die Metropolen des anspruchsvollen Balletts Klassiker wie den &bdquo;Schwanensee“ aus dem Programm genommen oder die darin enthaltenen Klischees aus dem 19. Jahrhundert überarbeitet haben, sind die unberührten Publikumsmagneten in Bad Oeynhausen immer noch ein Renner. Die Regie arbeitet wie gewohnt mit einem märchenhaften Bühnenbild, aufwendigen Kostümen und allen Merkmalen klassischen Tanzes von Männern in Strumpfhosen bis hin zu jeder Menge Akrobatik wie Spagatsprüngen, Spitzentanz und Pirouetten. Handwerklich ist das perfekt, auch weil in den einzelnen Choreografien jeder Schritt sitzt. Dass auf &bdquo;Dornröschen“ der &bdquo;Schwanensee“ folgt, bedeutet für die Ballettkompanie eine enorme Anstrengung, die die Tänzerinnen und Tänzer mit Bravour meistern, bevor sie am Ende wieder in den unkomfortabel wirkenden Bus mit dem litauischen Kennzeichen steigen. Erwartungsgemäß blütenweiß erzählt das Ensemble am Abend die Geschichte von Prinzessin Odette, die von dem bösen Zauberer Rotbart in einen Schwan verwandelt wird. Das ist jenseits aller Kritik märchenhaft, romantisch und hübsch anzuschauen. Lesen Sie auch: Seichte Kost und Klischees statt Klassikern mit Anspruch Irritierende Übereinstimmungen mit russischem Staatsballett Das Publikum war sowohl am Nachmittag als auch am Abend ergriffen von der Ästhetik und Grazie der Inszenierungen und reagierte immer wieder mit begeistertem Szenenapplaus. Aber trotz allem Glanz und Glitzer irritieren die Übereinstimmungen mit dem früheren russischen Staatsballett. Vielleicht gibt es einen guten Grund dafür, dass Shalva Beniashvili, der Geschäftsführer der &bdquo;agenda production“ früher in gleicher Funktion das russische Staatsballett vertrieben hat. Genauso wie seine Produzentin Rimma Wachsmann. Aber wie lässt es sich erklären, dass die im Programmheft angegebene Primaballerina des Ensembles, Liudmila Titova, lange Jahre Tänzerin des Moskauer Staatsballetts war und dort immer noch auf der Website geführt wird? Da wäre etwas Transparenz wünschenswert. &bdquo;Wie vertrauen in dem Punkt den Veranstaltern“, sagt Staatsbad-Mitarbeiterin Petra Müller auf Nachfrage. In Städten wie Duisburg, Wuppertal und Oberhausen, aber auch in Hamburg waren jüngst Zweifel aufgekommen, ob das Geschwister-Ensemble &bdquo;Grand Classic Ballet“ nicht doch heimlich russische Ballett-Stars durch die Republik touren lässt. In Weimar und in Wolfsburg hatte kürzlich die &bdquo;Initiative für Frieden und Solidarität mit der Ukraine“ sogar parallel zu einer Aufführung eine Mahnwache abgehalten und dabei zur Diskussion gestellt, ob durch den Verkauf der Eintrittskarten nicht der Krieg durch die Hintertür mitfinanziert wird. Die &bdquo;agenda production“ gibt weder auf ihrer Internetseite noch im Programmheft Auskunft darüber, woher die Tänzerinnen und Tänzer des &bdquo;Royal Classic Ballet“ kommen, die da für ihre Agentur auf der Bühne stehen. Und auch die konkrete Nachfrage nach einer Besetzungsliste blieb bisher unbeantwortet. Alles Zufall? Heile Welt? Oder doch die Hintertür?

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