7.000 Bäume an der Bad Oeynhausener Werre gefällt: Dem Wandel eine Chance geben

Bad Oeynhausen. Es ist ein Satz, der nicht immer, aber häufig stimmt: Es muss erst schlimmer werden, bevor es besser wird. Wer schon einmal renoviert hat, wird das bestätigen können. Zuerst muss der alte Plunder raus, um Platz für Neues zu schaffen. Tapeten ab, Teppich weg. Und wollen wir das alte Sofa wirklich behalten? In solch einer Renovierungsphase steckt die Werre. Anfang Oktober begannen die Arbeiten zur Vorbereitung des Werreumbaus. Und diese &bdquo;Vorbereitungen“ erledigt hier vor allem die Kettensäge, respektive ihr großer, effektiver Bruder, der Harvester. Mit geradezu erschreckender Effizienz haben sich die Waldarbeiter mit ihren schweren Maschinen breite Schneisen durch den Forst zwischen Werre und Kanalstraße geschlagen. Inzwischen sind Menschen und Maschinen am Werre-Radweg angekommen. Und spätestens nächste Woche wird der untere Abschnitt des Radweges bis zum Sielwehr aussehen wie frisch rasiert. Lesen Sie auch: Für riesige Baumfäll-Aktion: Werre-Radweg in Bad Oeynhausen kurzzeitig gesperrt Die Stämme von Erlen und Pappeln, Birken und Buchen stapeln sich, sie sind 30, 40, auch mal 50 Zentimeter dick. Es sind keine Baumriesen, die hier gefällt wurden. Denn die Planer haben sich Mühe gegeben, wenigstens die ältesten und wertvollsten Bäume vor der Säge zu retten. Gut 15 dicke, alte Eichen an den Rändern des Radweges werden geschont. Sie bleiben erhalten, obwohl sie künftig im Bett der Werre stehen werden. Damit sie das aushalten, wird ihnen eine kleine Insel gelassen, einige werden auch in Gruppen bestehen dürfen. Gut so. Hätten die Planer auch diese bis zu 250 Jahre alten Eichen-Veteranen zum Absägen freigegeben, sie hätten einen Sturm der Entrüstung geerntet. Und zwar zu Recht. Dem naturnahen Flussumbau steht das Sielwehr im Weg Doch auch so stellt sich die Frage: Was rechtfertigt den Kahlschlag von einem Hektar Wald? Wie lässt sich das Abholzen von geschätzt 7.000 Bäumen begründen? Dazu braucht es einen Blick auf den Plan. Einen Plan, der seit Jahrzehnten geschmiedet wird und der eine Umgestaltung der Werre und ihrer Aue zu einem naturnahen Fluss und einer artenreichen Aue zum Ziel hat. Diesem Ziel steht zum einen das Sielwehr im Weg, das - gerade auch von älteren Bad Oeynhausenern - wegen seiner historischen Bedeutung nach wie vor geschätzt wird. Das aber durch seine Staufunktion die Werre im Unterlauf an den meisten Tagen im Jahr zu einem stehenden Gewässer macht. Wird das Sielwehr abgerissen, kommt der Fluss wieder in Schwung. Und auch die Fische haben wieder die Möglichkeit, sich frei flussauf, flussab zu bewegen. Ohne Wehr aber braucht der Fluss mehr Platz, Raum, in dem er sich bei Hochwasser bewegen, in den er sich zurückziehen kann. &bdquo;Retentionsraum“ nennen das die Wasserbauer. Und ein solcher wird durch die Verbreiterung des Flussbettes und die zusätzlichen Flutrinnen geschaffen. In Fluss und Rinne aber sind - so bitter, wie es für sie ist - die Bäume und Büsche im Wege. Die ersten Fakten für diesen Umbau sind geschaffen, ein Großteil der betroffenen Bäume ist gefällt. Und das Bild, das sich nun offenbart, ist dabei nur ein Vorgeschmack auf das, was im nächsten Jahr noch folgt. Dann kommen die Bagger und ziehen den 1,7 Kilometer langen Abschnitt der Werre zwischen Wehr und Werreknie vollständig auf links. Unvorstellbare 170.000 Kubikmeter Boden werden bewegt, der ganz überwiegende Teil - 140.000 Kubikmeter - werden aus dem Werretal abgefahren. Wer jetzt schon Schmerzen beim Anblick der Landschaft hat, wird dann schreien. Dann aber, dann soll es besser werden. Dann wird angepflanzt, auch für die gefällten Bäume muss Ersatz gesetzt werden. Dann soll sich eine Werre entwickeln, die nicht stur in einem kanalartigen Bett herumsteht, sondern sich munter ihren eigenen Weg durch eine breite Auenlandschaft sucht. Wer dieses Zukunftsbild für verlockend hält, der muss auch die bitteren Einschnitte in Kauf nehmen, die jetzt zu erleben sind. Georg Christoph Lichtenberg, Mathematiker, Physiker und Philosoph des 18. Jahrhunderts, war offenbar ein umsichtiger Mann. Er räumte ein, dass er nicht wisse &bdquo;ob es besser wird, wenn es anders wird“. Sicher war Lichtenberg aber: &bdquo;Es muss anders werden, damit es besser wird.“

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