Zwischen Alkohol und Belästigung: Blama-Alltag eines Lübbecker Security-Manns

Lübbecke. Wenn Michael Bertys seine Runden über den Blasheimer Markt dreht, geht das nicht, ohne alle paar Sekunden stehen zu bleiben. Mal kommt ein kleines Mädchen zu ihm, um ihm Hallo zu sagen, andere begrüßen ihn mit einem schnellen Handschlag - egal ob Freunde, Kollegen oder Einsatzkräfte der Polizei. Manche umarmt Bertys auch. &bdquo;Ich liebe Umarmungen.“ Jeder kennt ihn und er kennt jeden, so scheint es. Michael Bertys ist 38 Jahre alt, Vater von vier Kindern und arbeitet in der privaten Sicherheitsdienstbranche. Nach seinem Abitur am Wittekind-Gymnasium hat es ihn erst nach Bielefeld und dann nach München verschlagen, wo er bei verschiedenen Sicherheitsfirmen angestellt war. Doch irgendwann kam er wieder zurück in seine Heimatstadt Lübbecke. Mittlerweile arbeitet er schon seit zehn Jahren auf dem Blama. Auch an diesem Markt-Wochenende ist er wieder für die Sicherheit zuständig. &bdquo;Ich teile mir die Einsatzleitung mit Louis Kulke.“ Kulke ist Projektmanager bei dem privaten Dienstleister &bdquo;Sicherheit OWL“. Gemeinsam koordinieren sie die Security-Mitarbeiter, verteilen Aufgaben und kümmern sich um technische Probleme. Kommunikation läuft über Funk Bertys trägt einen Kopfhörer im Ohr, darüber kommen regelmäßig Durchsagen. Die Antworten spricht er in ein Mikro, das an seinem Kragen befestigt ist. Die Kommunikation mit seinen Kollegen läuft ausschließlich über Funk. So wird er auch über jegliche Vorfälle auf der Kirmes informiert. &bdquo;Das Handy kannst du hier vergessen. Der Empfang ist hier viel zu schlecht.“ Gerade zwischen 20 und 21 Uhr strömen viele Menschen gleichzeitig auf das Marktgelände. &bdquo;Wenn alle erst einmal auf dem Platz sind, beruhigt sich die Lage wieder etwas“, erklärt der Sicherheitsexperte – dann bleibt auch das Funkgerät länger mal still. Sobald der Alkoholkonsum zur späteren Stunde steigt, würden jedoch wieder vermehrt Einsätze kommen. Immer wieder läuft Bertys zwischen den Essensbuden und Fahrgeschäften entlang und scannt seine Umgebung. &bdquo;Wie sind die Leute drauf? Wie sind die Zugangswege? Verengt sich da irgendwo was? Laufen irgendwo Kinder alleine herum?“ Dabei zieht er häufig Blicke auf sich. In seiner Sicherheitsuniform, seinem breiten Auftreten und seinen Gesichtstattoos ist der Lübbecker auch nicht schwer zu übersehen. &bdquo;Geile Tattoos“, ruft ein Junge ihm aus der Menge zu. &bdquo;Das passiert ständig“, sagt Bertys und lacht. Doch stören würde es ihn nicht. &bdquo;Die Tattoos sind ein Eisbrecher. So kommt man mit vielen ins Gespräch.“ Deeskalation als oberstes Ziel Das sei auch für seinen Berufsalltag wichtig: &bdquo;Kommunikation ist alles“, teilt der Sicherheitsunternehmer mit. &bdquo;Du kannst der größte Kämpfer sein, aber wenn du nicht reden kannst, darfst du diesen Job nicht machen.“ Denn das oberstes Ziel sei immer Deeskalation und &bdquo;Leute davon abzuhalten, Mist zu bauen.“ So gehört es dazu, bei Schlägereien dazwischen zu gehen. Aber auch bei stark alkoholisierten Menschen wird der 38-Jährige aufmerksam. Auf einer Wiese geht er an Erbrochenem vorbei. &bdquo;Vorsicht, das habe ich eben nicht geschafft wegzumachen.“ Kurz vorher habe dort ein Mann gelegen, der nicht mehr gerade gehen oder stehen konnte – wahrscheinlich hat er zu viel Alkohol konsumiert. &bdquo;Ich bin dann über den Zaun gesprungen, habe ihn in die stabile Seitenlage gebracht und an seiner Zunge gezogen, damit er sich übergeben kann. Der wäre sonst erstickt.“ Beim Sprung über den Zaun ist seine Hose zerrissen. Bertys nimmt das aber gelassen und fährt später kurz nach Hause, um sie zu wechseln. Lesen Sie auch: Große Politik und viel Humor beim Empfang der Stadt Lübbecke Sobald die Autotüren zufallen, ist die Geräuschkulisse der Kirmes nur noch im Hintergrund wahrzunehmen. &bdquo;Ich finde es gerade total angenehm – die Ruhe und die Luft.“ Doch der Zustand hält nicht lange an, schon kommt die nächste Funkdurchsage: Ein Mädchen sei an einem Stand sexuell belästigt worden. Während Bertys von seinem Auto aus, Streifen an den besagten Ort schickt, dringt die dumpfe Musik und Jubelschreie der Menge durch die Autoscheiben. Ein Kontrastbild, das gewollt ist: &bdquo;Die Leute lachen und feiern – wir sorgen im Hintergrund dafür, dass sie das können.“ Waffenverbot: Taschenkontrollen an den Eingängen So sei es auf dem Blasheimer Markt im Vergleich zu anderen Volksfesten relativ entspannt, findet Bertys. &bdquo;Hier sind so viele Menschen und dafür haben wir verhältnismäßig wenig Einsätze.“ Das bestätigt auch Louis Kulpe von &bdquo;Sicherheit OWL“: &bdquo;Der Platz ist relativ ruhig. Wir haben das Glück, dass es hier eigentlich keine Ausschreitungen mit Waffen gibt.“ Auch dieses Jahr gibt es wieder Taschenkontrollen an den Eingängen. Alkohol und Waffen, darunter zählen auch Messer, sind verboten. Trotzdem muss viel abgesprochen und organisiert werden. Per Funk kommen immer wieder Fragen, Mitteilungen und neue Informationen. &bdquo;Meine Armbanduhr misst meinen Puls. Der ist auf jeden Fall auf einem hohen Level gerade“, berichtet Bertys. &bdquo;Es ist sehr stressig.“ Schließlich sei der Blama eine herausfordernde Veranstaltung: &bdquo;Da ist die Größe, die Menschenmenge, das Verwinkelte, die verschiedenen Aufgabenbereiche“ – das könne schnell chaotisch werden. &bdquo;Da musst du den Überblick behalten und einen kühlen Kopf bewahren.“ Der Blasheimer Markt sei die einzige Kirmes, auf der er arbeite – und das an allen vier Tagen, von morgens bis abends. &bdquo;Ich zieh’ durch.“ Insbesondere Schlaf könne da schnell mal untergehen. &bdquo;Aber der Adrenalinpegel ist so hoch, dass du nicht müde wirst.“ Für ihn sei das seine Art und Weise, der Stadt etwas zurückzugeben. &bdquo;Für Lübbecke schlägt mein Herz.“ So könne er auch in seiner Freizeit seine Arbeit nicht so einfach ablegen: &bdquo;Ich kann jetzt nicht in den Marktkauf gehen und nicht nach rechts und links gucken.“

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