Das rätselhafte Verschwinden von 1.200 Akten aus dem Bad Oeynhausener Rathaus

Bad Oeynhausen. Was ist mit rund 1.200 Akten der Stadtverwaltung passiert, die vermutlich interessante Details nicht nur zur Gründungsgeschichte der Stadt, sondern auch zur Zeit des Nationalsozialismus bieten könnten? Sind sie wirklich von den britischen Besatzern entgegen der Vereinbarung aus einem versiegelten Raum herausgenommen und vernichtet worden? Oder sind sie einfach nur bis heute nicht auffindbar? Unter dem Tagesordnungspunkt &bdquo;Bestandsaufnahme NS-Vergangenheit in Bad Oeynhausen“ war das mysteriöse Verschwinden der Dokumente Thema im Kulturausschuss. Im März hatten die Ausschussmitglieder die Verwaltung aufgefordert, eine Bestandsaufnahme sämtlicher Informationen, Dokumente und Bildungsmaterialien zur NS-Vergangenheit in Bad Oeynhausen zu erstellen. Die Ergebnisse präsentierte Stadtarchivarin Stefanie Hillebrand am Donnerstag im Rathaus. Chronologisch von den 1980er-Jahren bis heute geht es in dieser &bdquo;Inventur“ um Initiativen, die sich um die Jahre des Nationalsozialismus drehen - vom Grünenklee-Mahnmal über eine VHS-Schriftenreihe, die Stolpersteine und das Thema Zwangsarbeit am Beispiel von Ferdinand Matuszek bis hin zu den Gedenktafeln und Straßenbenennungen sowie der Provenienzforschung zu Karl Paetow in der Gegenwart. Die Akten aus der Nazi-Zeit sind nicht mehr auffindbar &bdquo;Alle 10 bis 15 Jahre tritt das Thema wieder in den Vordergrund. Das hängt mit den Generationswechseln zusammen. Vor allem in den 1980er-Jahren wurde die Auseinandersetzung durch die in den 1950er-Jahren Geborenen sehr virulent“, fasst Stefanie Hillebrand ihre Ergebnisse zusammen. Aber: &bdquo;Wenn es um die Zeit des Nationalsozialismus selbst geht, dann klafft ein großes Loch im Bestand des Stadtarchivs. Wir haben allenfalls noch Einzelakten und selbst aus den Ortschroniken wurden oftmals die Blätter aus den Jahren zwischen 1933 und 1945 herausgerissen. Selbst die Protokollbücher aus den Ortsteilen sind so gut wie komplett verloren gegangen“, berichtet die Archivarin. Einen entscheidenden Hinweis zu den verschwundenen Akten hat sie allerdings im Bestand gefunden: Ein bisher nicht näher identifizierter damaliger Mitarbeiter der Stadt, der mit dem Namen &bdquo;Klein“ unterzeichnet, hat am 20. Oktober 1947 zum Thema &bdquo;Vernichtung des Archivs der Stadtverwaltung“ die mysteriösen Vorkommnisse geschildert. Demnach wurden bei der von den Besatzern angeordneten Räumung der Stadt und des Rathauses in einen kleinen Ersatzraum aus Zeit- und Platzgründen nur &bdquo;das zur Fortführung der Verwaltung unbedingt notwendige laufende Aktenmaterial und die notwendigen Einrichtungsgegenstände mitgenommen“. Unterlagen verschwinden aus einem versiegelten Raum Zurück blieben neben den 1.200 Akten der Verwaltung auch Gesetzesblätter, sämtliche seit 1907 in Bad Oeynhausen erschienenen Zeitungen, Aufgebotsakten ab 1855, etwa 35.000 Steuerkontenblätter und sonstige Buchungskarten der Stadthauptkasse sowie sämtliche Kassenbücher und Belege bis 1943. Die wurden, so der Unterzeichner, &bdquo;im Einverständnis mit der englischen Besatzungsmacht“ ins Rathausarchiv gebracht, eingeschlossen, versiegelt und an der Tür mit einem von der englischen Besatzung unterschriebenen Schild versehen, das das Öffnen und Betreten des Raumes &bdquo;auch allen englischen Dienststellen ohne besondere Genehmigung des Ortskommandanten verboten sei“. Und weiter: &bdquo;Nach Monaten, etwa Ende 1945, musste leider festgestellt werden, dass das Archiv doch geöffnet und der gesamte Inhalt an einen uns unbekannten Ort zur Vernichtung abgefahren war. Nicht ein einziges Blatt konnte gerettet werden. Damit ist für die Geschichte der Stadt Bad Oeynhausen wertvollstes und unersetzbares Aktenmaterial über die Gründung und den Werdegang der Stadt verloren gegangen“. Bis zum Datum der Unterzeichnung sei der Archivraum für keinen anderen Zweck nutzbar gemacht worden, betont der städtische Mitarbeiter. &bdquo;Weiß man denn, ob diese Unterlagen wirklich vernichtet wurden“, fragt Ratsmitglied Ingrid Schley (Die Grünen) und wirft damit eine spannende Frage in den Raum, die allerdings nicht beantwortet werden konnte. Anders geht Klaus Peter Schumann (CDU) mit der Information um die verschwundenen Akten um, als er sagt: &bdquo;Der Vorwurf, man habe sich nicht mit der Geschichte Bad Oeynhausens in dieser Zeit beschäftigt, ist also schlichtweg falsch“.

Meistgelesen