Schweres Vermächtnis der Nazi-Erben: Himmlers Großnichte kommt nach Löhne

Löhne. Er etablierte die konzentrierte Vernichtung jüdischen Lebens in Konzentrationslagern, perfektionierte den Terror gegen vermeintliche und tatsächliche Systemfeinde, war Chef der SS – und gilt als einer der Hauptarchitekten des menschenverachtenden Nazi-Regimes und des Holocausts. Vermutlich lösen nur wenige Namen aus der NS-Zeit einen derartigen Schauer aus, wie der von Heinrich Himmler. Auch und in besonderer Weise bei der eigenen Großnichte Katrin. Am Mittwoch, 30. Oktober, ist sie ab 19 Uhr im VHS-Forum zu Gast - und berichtet dort von dunklen Familiengeschichten, einer historischen Verantwortung und Lehren für heute. Es ist ein schwerer Gang, den Katrin Himmler bewältigt. Schon allein ihr Name, so sagte sie einmal, ziehe schließlich eine besondere Aufmerksamkeit auf sich. Ändern aber wollte sie ihn nach reiflicher Überlegung dann doch nicht. &bdquo;Das würde nichts ändern, ich bleibe ja verwandt mit dem Mann.“ Wenngleich sie selbst sich nichts vorzuwerfen hat, im Gegenteil. Wahlergebnisse als Warnung Seit fast 20 Jahren schon arbeitet Himmler unermüdlich an der Aufarbeitung der eigenen Familiengeschichte, räumt mit relativierenden Vorstellungen auf. 2005 veröffentlichte die Politikwissenschaftlerin ihre Forschungsergebnisse unter dem Titel &bdquo;Die Brüder Himmler“, setzte sich dabei vornehmlich mit Ernst und Gebhard Ludwig Himmler, den beiden Brüdern des einstigen Reichsführers SS, auseinander. Und machte dabei öffentlich, dass deren Rolle im Dritten Reich weit über die vormals kolportierte Funktion von unpolitischen und ideologiefreien Mitläufern hinausging. In ihrem Wirken sieht Kathrin Himmler nicht weniger als eine &bdquo;notwendige Aufklärungsarbeit“, insbesondere mit Blick auf aktuelle Entwicklungen. Ebenso wie Jürgen Birtsch vom Löhner Bündnis &bdquo;Gemeinsam für Vielfalt“, der den Besuch der Autorin in der Werrestadt initiiert hat. &bdquo;Die Wahlergebnisse der AfD bei der Europawahl in Löhne sind Warnung genug“, sagt er. Satte 17 Prozent hatte die rechtspopulistische Partei in der Werrestadt erzielt, in acht von insgesamt 22 Löhner Stimmbezirken war sie sogar stärkste Kraft geworden. &bdquo;Und das trotz ihres zum Teil völkischen Gedankenguts“, wie Birtsch sagt. Lehren aus der Täterperspektive Für ihn schließt sich dadurch auch ein Kreis zu Katrin Himmler, deren Großonkel bekanntermaßen ebenfalls ein &bdquo;völkisch gesinnter Täter“ war. Zwar schränkt Birtsch ein, dass sicherlich nicht alle AfD-Wähler dieses Gedankengut teilen. &bdquo;Aber damit umgehen müssen wir ja trotzdem. Und da kann man nicht oft genug klar machen, dass uns so etwas schon einmal ins Verderben geführt hat.“ Ähnlich wie Katrin Himmler wird auch Birtsch nicht müde, das Grauen der NS-Zeit immer wieder ins Gedächtnis zu rufen und gegen ein Aufleben fremdenfeindliche Tendenzen zu intervenieren. Seit nunmehr 12 Jahren organisiert sein Bündnis zu diesem Zwecke Veranstaltungen, Vorträge und Lesungen in Löhne. Meistens, so sagt er, gehe es dabei um die Opferseite. Dass in diesem Fall einmal die Täterperspektive eingenommen wird, reizt ihn nach eigenen Angaben sehr. Ebenso wie VHS-Leiterin Stefanie Voß, die den Auftritt Katrin Himmlers mitorganisiert. In ihren Augen nämlich die Auseinandersetzung mit dem eigenen Beitrag zur NS-Herrschaft oft von einer Art Verdrängungs-, Relativierungs- und sogar Verweigerungskultur geprägt. &bdquo;Katrin Himmler aber macht es anders: Sie stellt sich der Vergangenheit und benennt die Mitschuld.“ Wie sah es in der eigenen Familie aus? Tatsächlich spricht Himmler in ihren Lesungen und Vorträgen nicht nur über die eigene Verwandtschaft. Auch geht sie der Frage nach, wie andere deutschen Familien nach 1945 mit der Mitverantwortung an den NS-Verbrechen umging - und welche Auswirkungen das familiäre Schweigen auch auf nachkommende Generationen und die Gesellschaft als Ganzes hat. Etliche Gespräche mit Nachfahren von Opfern und Tätern, aber auch mit Schülern fließen in ihre Erkenntnisse ein. Nach eigenen Angaben sind die meisten über den Nationalsozialismus an sich gut informiert. Über die persönliche Familiengeschichte und ihren Bezug zu dieser Zeit aber wüssten sie so gut wie nichts. Auch dafür taugt die Veranstaltung in Löhne, findet Jürgen Birtsch. &bdquo;Vielleicht regt Katrin Himmler ja dazu an, in der eigenen Familie noch mal nachzufragen“, formuliert er seine Hoffnung. Das gilt insbesondere für den Besuch des Städtischen Gymnasiums am Donnerstag. Nach Angaben von Christian Redeker von der Kinder- und Jugendarbeit der Stadt Löhne wird Himmler dort am Vormittag vor Schülern der Oberstufe einen etwa einstündigen Vortrag halten, an den sich eine ausgiebige Frage- und Diskussionsrunde anschließt. &bdquo;Das wird sicherlich etwas ganz anderes als am Vorabend“, sagt Redeker.

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