Wegen Attests: Patientin aus Bad Oeynhausen verprügelt ihren Hausarzt

Bad Oeynhausen. Das Warten in Wartezimmern ist nichts für schwache Nerven. Wer noch dazu eigentlich gesund ist, sich bloß wegen eines Formulars bis zum Doktor durchkämpfen muss und dann auch noch eine Dreiviertelstunde Lebenszeit mit kranken Wartenden verbringen muss, ist oft nah am Verzweifeln. Eine junge Frau aus Bad Oeynhausen platzte in einer ähnlichen Situation derart der Kragen, dass sie sich nun wegen Körperverletzung und Beleidigung vorm Amtsgericht verantworten muss. Sie attackierte ihren eigenen Hausarzt. Gewalt gegen niedergelassene Ärzte ist laut einer aktuellen Umfrage der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) keine Seltenheit. Von 760 Kassenärzten hat ein Viertel der Befragten sogar schon darüber nachgedacht, wegen verbaler oder körperlicher Gewalt die eigene Praxis aufzugeben. Und ein Fünftel der Befragten findet wegen Gewalterfahrungen nicht genügend Personal. Lesen Sie auch: Aggressive und ungeduldige Patienten werden zum Problem in Arztpraxen Während der Gesetzgeber härtere Strafen für Attacken auf Rettungsdienst- und Krankenhausmitarbeiter vorsieht, gilt das für niedergelassene Arztpraxen bislang nicht. Kassenärzte überlegen sich offenbar zweimal, ob sie Anzeige erstatten. Vor allem, wenn es um die eigenen Patienten geht. Ein Hausarzt aus Bad Oeynhausen hat das gemacht - und musste als Zeuge vor Gericht gegen seine Patientin aussagen. Schläge gegen den Kopf Die Staatsanwaltschaft Bielefeld wirft der 28-Jährigen vor, ihren Hausarzt aus Verärgerung über ein fehlendes Attest beleidigt und mit Fäusten auf den Rücken und gegen den Kopf geschlagen zu haben. Ihr Verteidiger räumt die Schläge vor Gericht ein, an die Beleidigungen, erklärt er, habe seine Mandantin aber keine Erinnerung mehr. Außerdem gebe es eine Vorgeschichte, so der Rechtsanwalt. Die junge Frau habe ein ausgefülltes und unterschriebenes Formular von ihrem Hausarzt für eine Zusatzversicherung benötigt. Dieses Formular habe der Arzt aber angeblich zerrissen. Als sie wieder vorstellig wurde, habe der Arzt das Formular aber nicht ausgefüllt, sondern sie warten lassen. Deshalb sei es erst zum Streitgespräch und dann zu einem Handgemenge gekommen. Seine Mandantin bereue die Tat und habe sich bereits schriftlich entschuldigt. Der Rechtsanwalt hat Widerspruch gegen den Strafbefehl über 50 Tagessätze zu 40 Euro (2.000 Euro) eingelegt und will die Chancen ausloten, das Verfahren einzustellen. Andernfalls taucht die Gewalttat im erweiterten Führungszeugnis seiner Mandantin auf. &bdquo;Der Arzt darf das nicht zerreißen!“ Dafür sieht der Staatsanwalt aber keinen Spielraum. Er hat das Schreiben der Frau an den Arzt gelesen und erkennt darin keine Entschuldigung, sondern eine Rechtfertigung. &bdquo;Ihre Begründungen sind eigentlich Vorwürfe an den Arzt“, sagt der Ankläger. Der Verteidiger widerspricht. Das sei sehr wohl eine Entschuldigung, nur eben mit dem Versuch einer Erklärung - aus der Perspektive seiner Mandantin. Lesen Sie auch: Wieder ein Fall von Gewalt gegen Rettungskräfte Bei der Angeklagten ist erst vor Kurzem das Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom (ADHS) diagnostiziert worden. Das Formular, sagt sie, sei beruflich wichtig für sie gewesen und ruft in den Saal: &bdquo;Der Arzt darf das nicht zerreißen!“ Der Staatsanwalt hat Verständnis für ihre Erkrankung, wendet aber ein: &bdquo;Solch einen Ärger werden sie noch ganz oft im Leben erleben. So können sie nicht reagieren!“ Der Hausarzt schildert die Begegnung mit der Patientin geradezu als Überfall. Eigentlich habe sie gar keinen Termin gebraucht, er habe eine offene Sprechstunde. Auf Nachfragen korrigiert sich der Arzt: Er wisse nicht, wie lange seine Patientin warten musste. Seine Sprechstundenhilfe weiß es und erklärt dem Gericht, das sei schon ziemlich lang gewesen. Und ja, die Frau habe vorher &bdquo;schon ein paar Mal“ wegen eines Formulars angerufen. Der Arzt will ein Zeichen setzen Dieses Formular, &bdquo;den komischen kleinen Zettel“, sagt der Arzt, mit der &bdquo;vorausgefüllten Diagnose“ habe er nicht einfach unterschreiben können ohne die Patientin zu begutachten. Das hätte er der Frau auch in aller Ruhe erklärt, wenn sie ihn denn gelassen hätte, schildert er vor Gericht. Kaum habe er die Tür geöffnet, habe sie ihn angeschrien und geschlagen. Mit der Anzeige habe er ein Zeichen setzen wollen. Der Verteidiger hakt nach: &bdquo;Welches?“ Und der Arzt erklärt: &bdquo;Das überlasse ich dem Gericht.“ Er hoffe aber, dass die Sache für die Frau eine Lehre sei. Der Staatsanwalt beantragt eine Geldstrafe in Höhe von 40 Tagessätzen zu 50 Euro (2.000 Euro). Der Verteidiger stellt keinen konkreten Antrag, weist aber darauf hin, dass eine Verurteilung seiner Mandantin im erweiterten Führungszeugnis womöglich ihre berufliche Zukunft verbauen wird. Der Richter verurteilt die junge Frau schließlich wegen Beleidigung und Körperverletzung zu einer Geldstraße von 50 Tagessätzen zu 55 Euro (2.750 Euro). Der Sachverhalt sei unstrittig. Der Arzt habe aber nicht einfach ein Attest unterschreiben können. &bdquo;Sie hätten zahlreiche Alternativen gehabt, die Sache zu klären“, sagt der Richter.

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