Schatz mit Kultfaktor: Das Staatsbad-Orchester Bad Oeynhausen

Bad Oeynhausen. Die Passage ist kniffelig. Drei Mal muss Cellist Mykhailo Segedenko nachbessern. Dann passt die schwierige Passage. Die Chefin ist zufrieden. Und lächelt. Das Programm für den nächsten Auftritt steht. Rund 300 Mal im Jahr lädt das Staatsbad-Orchester zum Konzert ein. Die Parklichter gehören - wie gerade am vergangenen Wochenende - ebenso zum Programm wie die Motto-Konzerte etwa zum Venezianischen Karneval, zu Weihnachten, zum Neujahrsfest im Wiener Stil und zum Weinfest. Und natürlich bei den regelmäßigen Konzerten in der Wandelhalle sind die sechs Profi-Musiker aus aller Herren Länder zu hören und zu sehen. Vertreten ist das Orchester auch mit einem eigenen Kanal auf dem Videoportal Youtube und in sozialen Medien wie Facebook und Instagram. Sogar eine eigene CD ist in der Tourist-Information erhältlich. Und im September steht das erste auswärtige Gastspiel an. Staatsbad-Orchester kostet 250.000 Euro im Jahr Grob überschlagen lässt sich das Staatsbad diesen kulturellen Genuss im Jahr knapp 250.000 Euro kosten. &bdquo;Den Großteil davon verschlingen die Personalkosten, kleinere Posten gehen für die Anschaffung und Pflege der Instrumente und manchmal für die Ausleihe von Kostümen drauf“, weiß Stefan Meyhöfer. Eine Investition, die sich aus Sicht des Leiters des Eigenbetriebes lohnt. Auch oder gerade, weil ein eigenes Orchester mit fest angestellten Musikern im Badebetrieb in Deutschland inzwischen eine Rarität ist. Aber die Musik gehört wie der Park oder die Heilquellen auch zum Kurortcharakter. &bdquo;Außerdem hilft uns das Orchester, den Titel Bad zu behalten“, sagt Meyhöfer. Ein anderes Argument: Fast jeden Tag locken die Konzerte Gäste aus der Stadt und der Umgebung sowie Touristen und Kurgäste an. &bdquo;An sonnigen Tagen oder an den Wochenenden ist die Wandelhalle voll von Besuchern“, weiß der Chef des Staatsbad-Eigenbetriebes. Kurorchester hat Repertoire von Barock bis Pop Eine der regelmäßigen Besucherinnen ist Ute Stahl. Die Aktivistin für Menschenrechte, Klimaschutz und Tierrechte kommt zu jedem Konzert in die Wandelhalle. Und zwar eine Viertelstunde eher, um sich einen Platz in der ersten Reihe zu sichern. Am liebsten mag sie die klassische Musik, die in der Sonntags-Matinee gespielt wird. Aber auch Film- und Musicalmusik gehören zu ihren Lieblingsmelodien. &bdquo;Für mich ist das Entspannung, Seelenfrieden und Meditation“, sagt Ute Stahl. Denn wenn das Kurorchester, das seit der Privatisierung des Bades vor 20 Jahren eigentlich Staatsbad-Orchester heißt, spielt, liegen keinesfalls nur Walzer und Wunschmelodien auf den Notenpulten. Mit einem umfangreichen Repertoire von Barock bis Pop trifft das Ensemble jeden Musikgeschmack. Dafür investieren die Musiker viel Zeit in die Vorbereitung der Konzerte und proben wie ein Kammerorchester. &bdquo;Dabei legen wir besonderen Wert darauf, die Stücke immer wieder neu zu intonieren, um nicht in den immer gleichen Trott zu verfallen. Denn das ist ein Problem, das viele Kurorchester haben“, weiß Denise Gruber. Seit sechs Jahren leitet die gebürtige Schweizerin das Staatsbad-Orchester. Und ist nicht nur die Chefin des Ensembles, sondern auch Notenwartin, Violinistin, Netzwerkerin mit anderen Kurorchestern und eine Moderatorin, die zu jeder Musik die passende Anekdote erzählen kann. Und seit neuestem bringt sie auch ihre Kenntnisse als frisch ausgebildete Kulturmanagerin mit ein. Im Staatsbad-Orchester steckt viel Herzblut Eigentlich gilt die Kurorchesterszene als eine Randerscheinung der Musik. Und trotzdem treibt sie Denise Gruber, die früher in großen Sinfonieorchestern gespielt hat, mit dieser Wucht an. Warum? &bdquo;Mir geht es darum, dass Kurorchestermusik wieder populärer wird. Denn das ist ein Schatz. Nicht nur wegen der Musik selbst, sondern auch wegen der kulturellen Bildung und als Begegnungsstätte für jede Gemeinde“, argumentiert die 54-jährige Konzertgeigerin. Es geht also um Herzblut. Und das kann man nicht nur hören, sondern auch lesen. Wie in dem Gästebuch, das Denise Gruber zu ihrem Amtsantritt eingeführt hat: Seite um Seite Lobeshymnen auf das besondere musikalische Erlebnis. Schon der Einband, den eine Buntstiftzeichnung ziert, die von einer talentierten Besucherin während des laufenden Konzertes angefertigt und dem Orchester dann geschenkt wurde, ist etwas Besonderes. &bdquo;Liebevoll, lebendig, die reine Gänsehaut“, steht auf den folgenden Seiten. Oder wie Limin Lin etwas weiter hinten auf Chinesisch schreibt: &bdquo;Musik macht das Leben wunderbar, die Band bringt Farbe in die Stadt“. Musiker des Kurorchesters stammen aus aller Welt Dass die Musizierenden ausgewachsene Profis sind, kann man auch an ihren anderweitigen Verpflichtungen sehen: Da ist die mit zahlreichen Preisen ausgezeichnete japanische Pianistin Maya Ando, die als Solistin bei der &bdquo;Weltklassik am Klavier“ deutschlandweit und manchmal auch im Ausland unterwegs ist. Oder der polnische Geiger Janusz Bulka, der von Zeit zu Zeit in der Nordwestdeutschen Philharmonie, beim Landestheater Detmold und dem Stadttheater Hildesheim spielt. Und die aus Korea stammende Schlagzeugerin Eunji Park, die in der Nordwestdeutschen Philharmonie, dem Detmolder Landestheater oder bei den Bielefelder Philharmonikern zu hören ist. Oder der ukrainische Cellist Mykhailo Segedenko, der auch bei verschiedenen Musikfestivals und der Münchener Jugendphilharmonie spielt. Sowie der polnische Oboist Jacek Checinski, der an der Musikschule in Duisburg Blockflöte und Saxofon unterrichtet. &bdquo;Drei seiner Blockflötenschüler haben im letzten Jahr bei Jugend musiziert einen ersten und einen zweiten Preis gewonnen“, weiß Denise Gruber. Für die Stammgäste sind nicht nur die Konzerte, sondern auch die Proben längst Kult. Denn wo gibt es das schon, dass man einem Orchester bereits beim Testlauf lauschen kann? Das Staatsbad-Orchester spielt bis auf Donnerstag und Freitag an jedem Tag der Woche von 14.30 bis 16 Uhr in der Wandelhalle. Zusätzlich gibt es dort sonntags zwischen 11 und 12 Uhr eine Matinee. Der Eintritt ist frei. Am Freitag, 13. September, kann man das Orchester ab 20 Uhr bei einem Gastspiel in der Erich-Kästner-Gesamtschule in Kirchlengern im Rahmen der Reihe &bdquo;Kultur im Forum“ erleben.

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