Malerischer Arbeitsplatz in Bad Oeynhausen: Holzbildhauerin restauriert 173-jährigen Torbogen

Bad Oeynhausen. Blass ist er, der Lebensspender. Ihm gehört dringend neues Leben eingehaucht. Und auch die Weintrauben und die Sonne haben jegliche Farbe verloren. Im Laufe der Jahrzehnte hat sich zudem Dreck abgesetzt in den geschnitzten Buchstaben und Motiven des historischen Torbogens von 1851. Er ziert die Nordseite von Michael Meyers Stall in Wulferdingsen - und erstrahlt nach einigen Wochen Arbeit nun im neuen Glanz. Dafür hat vor allem Holzbildhauerin Lilian Führing gesorgt. Vor sechs Jahren ist Michael Meyer (48) mit seiner Familie aus Gambia nach Wulferdingsen zurückgekehrt. Eigentlich wollte der Tierarzt den elterlichen Hof wieder fit machen, doch aufgrund der Größe war das kaum zu realisieren. &bdquo;Ich hatte die Vision, den Hof selbst zu einem Erlebnis zu machen“, sagt er lachend. &bdquo;Die Torbögen sollen strahlen, die Kälbchen herumlaufen, wer kommt, soll sich sofort wohlfühlen.“ Auch wenn er den Hof nun nur im Nebenerwerb betreibt - seine Vision setzt Meyer trotzdem um. 100 Buchstaben sind 40 Stunden Arbeit Der Bogen an der Nordseite des Kälberstalles ist von 1851. An beiden Enden schicken Lebensspender an den seitlichen Balken Ranken mit Trauben und Tulpen hinauf zur Sonne. Der Querbalken zeugt von den Erbauern des Gebäudes, den Vorfahren Meyers. &bdquo;In den letzten Jahren war er ganz verblasst und auch die Schrift hatte sich zugesetzt“, erzählt er. Durch einen Zeitungsbericht wurde der Wulferdingsener auf Lilian Führing aufmerksam, die 2021 in Petershagen einen ähnlichen Bogen restauriert hat. &bdquo;Der Bogen sah an den Enden ganz gammelig aus, ich musste einfach was machen“, erinnert sich Michael Meyer. Und weil es kein Flickwerk werden sollte, stand der Entschluss schnell fest: Der ganze Bogen wird restauriert. Kosten: Zirka 3.500 bis 4.000 Euro. Zwei Wochen Arbeit hat Lilian Führing für den Wulferdingsener Bogen eingeplant. Eine Woche davon entfällt allein auf das Freilegen und Säubern der Schriften: &bdquo;Das sind 100 Buchstaben und somit zirka 40 Stunden Arbeit“, rechnet sie vor. Mit dem Frontlader hatte Michael Meyer den zirka 300 Kilogramm schweren und zehn Meter langen Bogen aus der Tür gehievt und auf Böcken in der Remise abgelegt. Im ersten Schritt wurden Fotos gemacht: &bdquo;Damit wir nachher noch wissen, welche Farbe wo hingehört“, erklärt die Holzbildhauerin, die gebürtig aus Melle stammt und seit acht Jahren in Flensburg lebt. Danach hat sie die alte Farbe entfernt und begonnen, die Schnitzereien nachzuarbeiten. &bdquo;Wir haben hier außen eine erhabene Schrift, in der Mitte des Querbalkens eine vertiefte Schrift“, erklärt Lilian Führing die Unterschiede. Mit verschiedenen Schnitzeisen macht sie sich dann ans Werk. 80 von 130 Eisen in Wulferdingsen dabei Allein 80 verschiedene ihrer 130 Eisen hat Lilian Führing in Wulferdingsen dabei. Je nach Wölbung der Schrift wählt sie das Eisen. Für das &bdquo;e“ zum Beispiel Stich 7. Die 100 Buchstaben sind aufwendig: &bdquo;Wir haben hier Schreibschrift, die hat mehr Form, mehr Schnörkel und ist deshalb aufwendiger zu bearbeiten“, erklärt die 29-Jährige. Aber auch die Tulpen, Trauben, die Sonne oder der Lebensspender wollen nachgearbeitet werden. Ist alles gesäubert und nachgearbeitet, folgt die neue Farbe. &bdquo;Das werden Leinöl-Farben, traditionell wie früher“, so die Holzbildhauerin. Das sei die beste Farbe für Holz im Außenbereich: &bdquo;Da reißt nichts, da platzt nichts ab, das dehnt sich mit.“ Sollte die Sonne es im Laufe der kommenden Jahre dann irgendwann mal ausbleichen, &bdquo;kann es nachgeölt werden“. Die ökologische Farbe hat nur einen Nachteil: &bdquo;Sie ist geruchsintensiv und braucht lange zum Aushärten und Trocknen.“ Danach aber, davon ist Lilian Führing überzeugt, &bdquo;hält der Bogen noch mal 150 Jahre“. Die 29-Jährige arbeitet freiberuflich und ist eine der wenigen Holzbildhauerinnen, die es noch gibt. &bdquo;Mein Beruf ist vom Aussterben bedroht“, sagt sie. Nur wenige Betriebe bildeten aus. &bdquo;Im Norden gibt es nur eine einzige Schule für Holzbildhauer, die ist in Flensburg.“ Etwas besser sähe es in Süddeutschland aus. Die barocke Schlosskirche in Berlin, Ornamente für den Turm oder die Rokokotreppe im Potsdamer Landtag - überall dort gibt es Spuren von Lilian Führing zu entdecken. Und nun auch in Wulferdingsen. Weiteres Projekt im Auge Nach gut anderthalb Wochen ist Lilian Führing fertig auf dem Hof Meyer. Danach ist der Hofeigentümer selbst an der Reihe. Nicht nur, dass er die letzten Farbtupfer setzen muss, auch der Boden will weitergehend bearbeitet werden: &bdquo;Die Enden sind etwas faulig geworden, dadurch ist der Bogen ein Stück kürzer. Vielleicht setze ich am Ende Gewindestangen ein“, überlegt Michael Meyer. Oder ein Stück altes Eichenholz. Oder beides. Erst einmal aber muss der restaurierte Bogen wieder an Ort und Stelle. Auch dafür wirft Michael Meyer den Trecker mit Frontlader an. Millimeter für Millimeter schiebt er das Werk an Ort und Stelle. Noch vier grüne Stalltüren einhängen - fertig. Meyer ist zufrieden. Bis sein Blick auf das Haupthaus fällt. &bdquo;Der müsste auch noch. Der ist von 1860. Und durch die Südseite noch mehr der Sonne ausgesetzt.“ Aber wohl nicht mehr in diesem Jahr.

Meistgelesen