2.000 Weltraum-Artefakte: Bad Oeynhausener sucht Nachfolger für sein Raumfahrt-Museum

Bad Oeynhausen. Horst Paczkowski ist noch nie geflogen und greift dennoch nach den Sternen. Lange vor dem ersten Deutschen 1978 im Weltall, Sigmund Jähn, hat Paczkowski Ausflüge in die Schwerelosigkeit unternommen. Es sind allerdings Traumreisen. Als Jugendlicher hat er die Kulissen der Raumpatrouille Orion nachgebaut. Später hat er Teile des Space-Shuttle-Hitzeschildes, Nahrung für Astronauten und Kosmonauten gesammelt und einige der Weltraumrationen gegen den linken Handschuh eines sowjetischen Raumanzuges eingetauscht. Über 2.000 Originale und originalgetreue Repliken umfasst seine Sammlung. Nun steht sein Lebenswerk vor dem Aus. Der 67-jährige Bad Oeynhausener sucht einen Nachfolger, dem er alles &bdquo;zu treuen Händen“ abgeben kann. Geöffnet hat Paczkowski sein Weltraummuseum noch nie. Dabei hat es eine öffentliche Adresse und wird seit Jahrzehnten gefunden: über eine Internetseite, die zuletzt im September 2009 aktualisiert wurde. Mit seiner Sammlung hat Paczkowski zahlreiche Weltraumausstellungen bestückt, Filmausstattern geholfen und nebenbei Sigmund Jähn, Ulf Merbold und Ulrich Walter die Hand geschüttelt. Nur den jüngsten Deutschen im All, Alexander Gerst, hat er noch nie getroffen. Neues aus der Raumfahrt: Astronauten auf See - Überlebensübung mit Weste und Paddel Weltraum-Artefakte im Internet ersteigert &bdquo;Wenn ich den Löffel abgebe“, sagt Horst Paczkowski auf dem Sofa im Wohnzimmer mit Blick auf seine Weltraumsammlung, &bdquo;landet das alles bei Tönsmeier.“ Das Abfallunternehmen aus Porta Westfalica, davon ist er überzeugt, &bdquo;kann nun wirklich nichts damit anfangen“. Und wie zum Beweis springt er auf, klettert auf den Dachboden und schleppt einen gewaltigen Metallzylinder herbei. Das Bauteil eines Space Shuttles, das nach dem Start zurück auf die Erde geplumpst ist. &bdquo;Das ist ein Booster Separation Motor“, erklärt Paczkowski. Das Teil diente dazu, den Boostertank von der Weltraumrakete abzusprengen. Es ist womöglich aus 3.000 Metern Höhe ins Wasser gefallen. Abgesehen von einigen Schrammen ist es ziemlich gut erhalten. Paczkowski kann das Bauteil auf Fotos der Space-Shuttle-Missionen genau lokalisieren. Wie es nach Bad Oeynhausen gekommen ist? Ganz einfach: mit der Post. Er hat das Artefakt im Internet ersteigert. In Florida, wo sich der Weltraumbahnhof Cape Canaveral befindet, gibt es offenbar Flohmärkte für solchen Weltraumschrott. Mit Fotos: 3D-Karte zeigt Sternenwiegen in der Milchstraße Fahrendes Mars-Rover-Modell in Bad Oeynhausen Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an Ein Beitrag geteilt von National Air and Space Museum (@airandspacemuseum) Sie sind da aber auch nah an der Quelle. Den Start eines Raumfluges hätte Paczkowski für sein Leben gern aus nächster Nähe erlebt. Aber ein Flug in die USA war zu Hause nicht zu vermitteln. &bdquo;Leider hat meine Frau sich verweigert“, sagt Paczkowski. Ohne sie wäre er nicht ins Flugzeug eingestiegen. Und als Rentner will er nicht mehr. Dabei ist der Weltraumtourismus in den letzten Jahren groß im Kommen. Hat er nicht vielleicht Lust, die Schwerelosigkeit selbst zu erkunden? Paczkowski: &bdquo;Aus dem Alter bin ich raus.“ Der gelernte Datenverarbeitungskaufmann, der lange für eine Softwarefirma in Vlotho und später für Nixdorf in Bielefeld gearbeitet hat, hat sich schon vor Jahren aufs Sammeln von Originalen, auf Fantasien und Fantastereien verlegt. Zu seiner Weltraumsammlung gehört auch jede Menge Science Fiction. Paczkowski hat Modelle gebastelt von den Ariane-Raketen, den Apollo-Kapseln, dem Space-Shuttle, dem ersten Mars-Rover (&bdquo;Der fährt sogar“), dem sowjetischen Rover &bdquo;Lunochot“ oder der Mercury-Kapsel der NASA. Und er hat die Kulissen der Raumpatrouille Orion teilweise nachgebaut. Nasa: Mars-Stein könnte Zeichen von früherem Leben zeigen Handschuh gegen Astronauten-Nahrung getauscht Bei den echten Weltraumobjekten halfen mitunter gute Freunde weiter. Einer davon hat lange für Airbus gearbeitet. Das Unternehmen fertigt Raketenteile für die europäischen Weltraummissionen, die im Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guayana starten. Über solche Beziehungen hat Paczkowski unbezahlbare Einblicke in Raumfahrttechnik bekommen, bevor sie die Erde verlassen hat. Und ganz nebenbei hat Paczkowski zwei Proviant-Behälter für die Astronauten der NASA ergattert – samt Nahrungsrationen. Das ist offenbar so begehrt, dass er einen dieser Proviant-Behälter gegen den linken Handschuh eines russischen Kosmonauten eintauschen konnte. Den Handschuh soll der Kosmonaut auf einem Weltraumspaziergang getragen haben. Bekommen hat er ihn von Tassilo Römisch, einem Ingenieur und erfahrenen Raumfahrt-Ausstellungsmacher aus Sachsen, der als gesamtdeutscher Raumfahrt-Papst gilt – und ihm die Echtheit des Handschuhs versichert hat. &bdquo;Raumfahrtland NRW“: Astronaut Ewald ist NRWs erster Raumfahrtbotschafter Dieses Essen steckt in Dosen-Rationen für Astronauten Und dann öffnet Paczkowski einen Koffer, mit dessen Inhalt er eine Weltraumkantine bestücken könnte. Darin liegen Blechdosenrationen für Astronauten, Kosmonauten und Taikonauten. Einige Rationen sehen so unscheinbar aus, als hätte ein Hersteller von Tomatensuppe bloß vergessen, bunte Etiketten auf die Blechdosen zu drucken. Auf den meisten Behältern steht glücklicherweise drauf, was drin ist. Die Portionen sind allerdings übersichtlich. &bdquo;Angeblich hat man im All nicht so großen Hunger“, sagt Paczkowski. Vielleicht liegt das aber auch am Essen, dass den Weltraumfahrern mitunter kredenzt wird. Paczkowski hat unter anderem eine Dosen-Ration ergattert, die offenbar als deutsches Gastmenü für russische Kosmonauten vorgesehen war: Braten mit Rosenkohl. Darin befinden sich zwei Rosenkohlröschen und eine Scheibe Braten. Für irdische Gourmands wäre das bloß was für den hohlen Zahn. Sowjetische Kosmonauten dagegen haben von ihren Köchen ganz andere Rationen mitbekommen. Auch die hat Paczkowski in seinem Koffer. Darin steckt eine getrocknete Gurke, ein Teebeutel und entwässertes und entlüftetes Weißbrot. Auf einigen Dosen ist auf Russisch zu lesen: &bdquo;Bretonische Langusten“. Interessant, was der Sowjetbürger im All so alles gegessen hat. Die Geschmäcker sind offenbar unterschiedlich. Aber vielleicht gilt das Gleiche wie im Flugzeug. Über den Wolken wird bekanntlich so viel Tomatensaft ausgeschenkt wie sonst nirgends auf Erden. Zum Thema: Erste deutsche Frau im Weltall - «Geschichte geschrieben» Bad Oeynhausener Schneiderin näht Raumanzüge Die Faszination fürs Weltall hat Horst Paczkowski früh erfasst. Bei der Apollo-1-Katastrophe 1967 war er neun Jahre alt (&bdquo;damals war nicht viel in den Medien“), mit elf Jahren verfolgte er die Mondlandung der Apollo-11-Mission mit Neil Armstrong und Buzz Aldrin und dem dritten Mann im Mond-Orbit, Michael Collins. Man könnte ihn vermutlich um vier Uhr morgens wecken und fragen: Wie lange dauert eigentlich ein Tag auf der internationalen Weltraumstation ISS? Die Antwort käme genauso aus dem Effeff wie in seinem Wohnzimmer. Paczkowski: &bdquo;90 Minuten im Standard-Orbit.“ Zum Ende des Gesprächs greift der Weltraumsammler in seine Kleidersammlung und zieht einen orangefarbenen Anzug vom Bügel. Es ist ein originalgetreuer Flightsuit einer Nasa-Weltraummission. Eine Bad Oeynhausener Schneiderin hat den Anzug aus Originalstoffen genäht. Meilenstein im Weltraum: Internationale Raumstation flog 150.000 Mal um die Erde Bad Oeynhausener hat noch nie Schwerelosigkeit erlebt Auf den Kleiderbügeln hängen aber noch weitere Anzüge der russischer, amerikanische und europäischer Raumfahrer. Auf der Brust sind Namensschilder ihres Besitzers aus Bad Oeynhausen aufgenäht. Die Schilder hat Paczkowski bei der Firma fertigen lassen, die das auch für die echten - westlichen - Raumanzüge macht, erzählt er. Astronauten-Anwärter bekommen silberne Namensschilder. Paczkowski hat ein goldenes. Das ist eigentlich nur für Astronauten vorgesehen, die auch wirklich im Weltall waren. Fürs Foto zwängt sich Paczkowski noch in den apfelsinenfarbenen Weltraumstrampler hinein. Auch wenn er selbst die Schwerelosigkeit noch nie erlebt hat, kann er auf Zehenspitzen auf dem Teppich in seinem Wohnzimmer ein Gefühl davon vermitteln. Eigentlich kann man sich die Frage sparen, wieso er sich ausgerechnet für den Weltraum begeistert. &bdquo;Warum sammeln andere Bierdeckel?“, fragt Paczkowski zurück. 📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Minden-Lübbecke

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