Darum gibt’s eine merkwürdige Wanderbaustelle auf der Kanalstraße in Bad Oeynhausen

Bad Oeynhausen. Die starken Regenfälle Anfang des Jahres haben die Sanierung der Abwasserkanäle auf der Kanalstraße verzögert. In den vergangenen Tagen haben Arbeiter die Reparatur der wichtigen Hauptschmutzwasserkanäle zum Klärwerk fortgesetzt. Trotz anhaltender Regenfälle. Über Tage ist von den Kanalarbeitern und ihrer Arbeit aber kaum etwas zu sehen - außer der einspurigen Straßensperrung auf der Kanalstraße. Wer morgens an der Baustelle vorbeifährt, wundert sich, dass nachmittags die Absperrungen schon wieder verschwunden sind. Tags drauf sind die Arbeiter und die Absperrungen jedoch wieder da - bloß ein paar Meter versetzt. André Schwarze von den Stadtwerken Bad Oeynhausen erklärt die merkwürdige Wanderbaustelle und führt dazu erst einmal an seinem Rechner im Büro an der Weserstraße ein kleines Filmchen vor. Die Videoaufnahme hat eine Kamera unter Tage im Abwasserkanal gemacht. Mit dem Mauszeiger kann Schwarze durch die Panoramaperspektiven im Schmutzwasserkanal surfen. Ratten laufen erstaunlicherweise nicht durchs Bild. Fetzen von Klopapier und Wurzelbüschel versperren aber der Kamera den Weg. Die Wurzeln zeigen, dass der Kanal undicht ist. Sie haben sich einen Weg durch ein Verbindungsstück in den Kanal gesucht. Der Kollege Kanalarbeiter ist ein Roboter Der Großteil der Sanierungsarbeiten findet in den etwa 20 bis 40 Zentimeter breiten Abwasserkanälen statt. Die Kanäle sind zu eng, um dort reinzukriechen. Die Arbeit unter Tage leisten Roboter, die von den Arbeitern über Tage in den Baufahrzeugen gesteuert werden. Diese Roboter reparieren den kaputten Abwasserkanal in mehreren Arbeitsschritten: Erst werden alle Verstopfungen weggefräst, danach wird gespült. Dann zieht ein Roboter den weichen Plastikschlauch von innen durch das Rohr und auf dem Rückweg eine Lichterkette mit ultravioletten Lampen hinter sich her. Das Licht härtet das Kunstharz aus. Anschließend werden die vom Inliner verklebten Hausanschlüsse wieder aufgebohrt und die Übergänge abgedichtet. Auch das erledigen Roboter. Nach getaner Arbeit wird alles noch einmal mit einer Panoramakamera gefilmt und dokumentiert. &bdquo;Das ist ein filigranes Verfahren“, sagt André Schwarze. Die weichen Plastikschläuche nennen Fachleute &bdquo;Inliner“, sie sind so etwas wie ein nach innen gestülpter Strumpf, der mit Kunstharz getränkt ist. Wenn der Strumpf aushärtet, hält er so dicht wie ein stabiles Plastikrohr. Ingenieure nennen die Technik &bdquo;grabenlose Kanalsanierung“. Überall dort, wo das Verfahren eingesetzt wird, müssen die Straßen nicht aufgerissen werden, um die Kanäle abzudichten. Das spart Tiefbaukosten. Sanierung kostet bis zu 2,5 Millionen Euro Seit fast 20 Jahren setzten die Stadtwerke das Inliner-Verfahren ein, um kostengünstig und zügig Kanäle zu reparieren. Die reparierten Rohre sollen mindestens in den nächsten 50 Jahren keinen Ärger mehr machen. Der Beweis steht in Bad Oeynhausen also noch aus. &bdquo;Ich rechne aber mit einer noch längeren Haltbarkeit“, sagt Schwarze. Die innen verbauten Plastikschläuche verursachen zudem bloß etwa ein Drittel der Kosten des Tiefbau-Verfahrens, schätzt der Stadtwerke-Ingenieur. Der Abwasserkanal unter der Kanalstraße und der Mindener Straße wird in drei Bauabschnitten bereits seit Anfang 2022 repariert. Geschätzte Kosten: 2 bis 2,5 Millionen Euro. Müsste dafür auch noch überall die Straße aufgerissen werden, würde rasch die dreifache Summe auf dem Zettel stehen, die Bauzeit wäre wohl deutlich länger und die Straßensperrung aus Sicht der Autofahrer deutlich hartnäckiger. Das Sanierungsgebiet reicht von der Stadtgrenze an der Gohfelder Ringstraße bis zum Klärwerk an der Dehmer Straße. Der Kanal ist nicht überall im gleichen Zustand, er wird nur dort repariert, wo er auch kaputt ist. Die Sanierungsabschnitte sind unterschiedlich lang. Vergangene Woche ist beispielsweise ein 39 Meter langes Kanalstück saniert worden. Dafür ist der Kanal vorne und hinten - etwa auf Höhe des Autohauses Peitzmeyer - dicht gemacht worden. Das muss gut überlegt sein, schließlich hängen an diesem Kanalstück zahlreiche Kliniken - auch auf dem Löhner Stadtgebiet. Angeschlossen sind sämtliche Gebäude bis rauf zur Aqua Magica und bis zu den Hahne Mühlenwerken. Da kommt einiges an Abwasser zusammen. Abwasser-Taxi pendelt über die Baustelle Wenn dann noch Regenwasser versehentlich im Abwasserkanal landet - die Fachleute sprechen von Fremdwasser-, ist die Abwassermenge zu groß, um den Kanal zu sperren und abzupumpen. Auch Abwasser sucht sich seinen Weg und kommt ansonsten womöglich überraschend am anderen Ende des Rohrs in einer Toilette wieder ans Tageslicht. Nach den Starkregenfällen Anfang des Jahres ist die Kanalsanierung deshalb vorausschauend ausgesetzt worden. Vergangene Woche hat der Stau im Abwasserkanal aber kein Maleur ausgelöst. Ein Pumpfahrzeug hat die Brühe an der Absperrung aufgesogen, ein paar Hundert Meter weiter Richtung Klärwerk chauffiert und wieder in die Kanalisation abgelassen. Die Kanalsanierung betrifft genau den Bereich, in dem der Radschnellweg gebaut werden soll. Und das ist Absicht. Die Stadtwerke wollen untenrum schließlich keine neue Baustelle öffnen, wenn obenrum alles schick gemacht wird. Derzeit sind die Kanalarbeiter im zweiten Bauabschnitten zugange. Der dritte Bauabschnitt ist noch in der Detailplanung. Bis Ende des Jahres 2024 aber soll die Sanierung abgeschlossen sein, so Schwarze. Der Bau des Radschnellwegs soll 2025 beginnen.

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