Platz für neue Wohneinheiten: Wittekindshof verkauft Bauland in Bad Oeynhausen

Bad Oeynhausen. Die Öffnung soll keine Einbahnstraße sein. Seit gut 20 Jahren schon drängt es den Wittekindshof raus aus dem Stiftungsgelände in Volmerdingsen, rein ins Umland. Aus sechs Standorten, die die diakonische Stiftung zur Betreuung von Menschen mit Behinderung zur Jahrtausendwende noch hatte, sind inzwischen mehr als 100 geworden. Nun will der Wittekindshof diese Öffnungsbewegung auch in die andere Richtung wenden: Auch Menschen ohne Behinderung sollen künftig auf dem Stiftungsgelände ein Zuhause finden können. Dafür soll ein Teil des 36 Hektar großen Grundstücks am Südhang des Wiehengebirges Bauland werden. Zwei große Projekte plant der Wittekindshof aktuell, um die Grenzen des Stiftungsgeländes in beide Richtungen durchlässig zu machen. Das eine ist das Gesundheitszentrum an der Einfahrt zum Gelände. In dem Neubau sollen wie berichtet eine Praxis für hausärztliche Versorgung, eine Kinderarztpraxis, Ergotherapie, Physiotherapie und Logopädie des Wittekindshofes Platz finden. Zudem soll hier die Psychologische Beratungsstelle des Wittekindshofes, der ambulante Pflegedienst des Wittekindshofes und eine Apotheke angesiedelt werden. Und alle diese Einrichtungen sollen nicht nur den Bewohnern des Stiftungsgeländes, sondern allen Einwohnern Bad Oeynhausens zur Verfügung stehen. Platz für gut 20 Wohneinheiten Mit seinem zweiten Projekt will der Wittekindshof das Stiftungsgelände für private Bauherren öffnen. "Wir wollen unterhalb der Wiehengebirgsstraße, am Südhang des Berges, insgesamt 19.000 Quadratmeter zu Bauland machen", kündigt der theologische Vorstand des Wittekindshofes, Dierk Starnitzke, an. Im ersten Schritt will die diakonische Stiftung 10.500 Quadratmeter an die Stadt verkaufen, ein Grundstück, das bislang als Lamawiese genutzt wird. "Die Stadt soll dann das Gelände erschließen und vermarkten", erläutert Marco Mohrmann, kaufmännischer Vorstand des Wittekindshofes. Möglichst noch in diesem Jahr wolle man den Vertrag mit der Stadt abschließen, so die Vorstände. Das Areal soll Platz für gut 20 Wohneinheiten bieten. "Etwa ein Drittel des Geländes werden wir voraussichtlich selbst nutzen", erklärt Mohrmann. Der Stadtrat hat dazu bereits im Juni mit großer Mehrheit die Aufstellung eines entsprechenden Bebauungsplans beschlossen. "Mit der Vermarktung von Bauland möchten wir junge Familien fördern. Das ist ein wichtiges Instrument, um zum Beispiel auch Fachkräfte an den Standort zu binden oder sie dazu zu animieren, zu uns in die Stadt zu ziehen", erläutert Wirtschaftsförderer Patrick Zahn die Motivation der Stadt. Die Stadt freue sich, dass sich mit dem Angebot des Wittekindshofes auch in Volmerdingsen diese Gelegenheit biete. Bevor der Wittekindshof aber einen Teil seines Geländes als Wohngebiet freigeben darf, bedarf es zunächst einer grundsätzlichen Änderung der rechtlichen Einstufung. Denn bislang ist das Stiftungsgelände in allen Bauleitplänen als "Sondergebiet für das Gesundheitswesen" eingestuft. Der Bau des Gesundheitszentrums wäre auch mit dieser Einstufung möglich gewesen. Nicht aber der Bau von Häusern, in denen Menschen ohne Behinderung oder besonderen Pflegebedarf wohnen sollen. "Ein solches Wohngebiet, wie wir es jetzt planen, wäre bislang rechtlich einfach nicht zulässig gewesen", erläutert Starnitzke. "Wir wollen keine rote Sonderfläche mehr sein" Deshalb hat der Wittekindshof bei der Neuaufstellung des Regionalplans für Ostwestfalen-Lippe beantragt, die Einstufung als Sondergebiet aufzuheben. Der Regionalplan ist Basis für alle weiteren Bauleitpläne der Kommunen, vom Flächennutzungsplan über den Bebauungsplan bis zur Baugenehmigung. Diese Einstufung als Sondergebiet sei auch ein Schutz vor fremden Nutzungen gewesen, die mit dem Stiftungszweck des Wittekindshofs, also der Betreuung von Menschen mit Behinderung, nichts zu tun haben. &bdquo;Aber das schränkt uns auch in unseren Entwicklungsmöglichkeiten ein", sagt Starnitzke. "In allen Plänen tauchte das Stiftungsgelände als große, rote Fläche mit einem dicken schwarzen Rand und einem großen G für Gesundheit in der Mitte auf", beschreibt der Vorstand. "Wir wollen aber keine rote Sonderfläche mehr sein." Das Ansinnen fand Unterstützung bei der Stadt und Gehör bei der Bezirksregierung, die den neuen Regionalplan aufstellt. Entsprechend wird das Stiftungsgelände im neuen Regionalplan als "Integratives Quartier" eingestuft. "Damit fühlen wir uns richtig verstanden", sagt Starnitzke. Zum 1. Januar soll der neue Regionalplan in Kraft treten. "Das ist ein historischer Schritt für den Wittekindshof", findet der Vorstand. Ein wichtiger Schritt auf einem Weg, den die Stiftung schon vor mehr als 20 Jahren eingeschlagen hat. Seit dem Jahr 2002 verfolgt der Wittekindshof den Gedanken der Öffnung. In 120 Workshops legte der Vorstand in enger Kommunikation mit den Mitarbeitenden ein Leitbild fest, aus dem dann 2012 ein Masterplan entstand. Und der, so stellt Starnitzke fest, beschreibe immer noch recht genau, was sich auf dem Wittekindshof ändern soll - oder auch schon geändert hat. So wurden in den vergangenen Jahren von den ursprünglich 70 Gebäuden auf dem Stiftungsgelände etwa zehn abgerissen. Unter anderem auch dort, wo nun das neue Wohngebiet entstehen soll. 591 Klienten des Wittekindshofes haben hier noch ihr Zuhause Auch die Dezentralisierung zeichnete der Masterplan recht genau so vor, wie sie auch umgesetzt wurde. Im Jahr 2000 lebten noch 1.500 Menschen auf dem Stiftungsgelände. Der Masterplan prognostizierte, dass die Zahl der Bewohner bis zum Jahr 2023 auf 500 sinken werde. Ein paar mehr sind es schon noch. 591 Klienten des Wittekindshofes haben hier aktuell noch ihr Zuhause. Und rund 1.000 Mitarbeiter haben auf dem Stiftungsgelände ihren Arbeitsplatz. Dass die Stiftung ihr Gründungsgelände irgendwann nicht mehr brauchen könnte, glaubt Starnitzke indes nicht. Für bestimmte Formen der Behinderung müsse es sehr komplexe Betreuungsangebote geben, die am besten auf dem Stiftungsgelände vorgehalten werden könnten, hatte Starnitzke schon 2019 im Gespräch mit der NW erklärt. An dieser Einschätzung hat sich nichts geändert. Starnitzke: "Nach meiner Einschätzung wird die De-Konzentration der Wohnangebote aber noch weitergehen."

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