Sicherheitsaktion in Bad Oeynhausen: Statt Bußgelder gab's Karten von den Kindern

Bad Oeynhausen. Daniel Kalinski war sich seiner Sache sicher. "Ich war aber nicht zu schnell", merkt der Autofahrer an, kaum, dass er sein Fenster heruntergelassen hat. War er auch nicht. Mit vorbildlichen 28 km/h gehörte er zu denen, die am Dienstagmorgen die grüne Karte überreicht bekamen. Nicht von der Polizei, sondern von den Gehilfen aus den vierten Klassen der Grundschule Dehme. Die sorgten zwei Stunden lang an der Dehmer Bundesstraße für Verkehrskontrollen. Schließlich ist es ihr Schulweg, der mit einer Tempo-30-Zone gesichert ist - und eine Stelle, an der regelmäßig zu schnell gefahren wird. Auch an diesem Morgen. Mit 54 km/h ist ein Autofahrer aus Löhne trauriger Spitzenreiter. Für ihn gab es kein "Grün" - aber ausnahmsweise auch kein Bußgeld. Celina ist vorbereitet. Zusammen mit Maleen hält sie die grünen und gelben Karten für die Autofahrer in den Händen. "Die dürfen hier 30 fahren", weiß die Viertklässlerin. "Hoffentlich machen sie das auch. Denn die rasen hier oft ganz schnell vorbei." An diesem Morgen geht es in Dehme an der Bundesstraße um die Prävention. Die Polizei fordert keine Verwarngelder ein, stattdessen sind es die Grundschüler, die mit ihren Zetteln an das Gewissen der Autofahrer appellieren oder sich bedanken wollen. "Wir haben gelbe und grüne Karten vorbereitet", erklärt Kim Schmidt. Die Leiterin der Verkehrsunfallprävention der Kreispolizei hofft, dass das Wirkung zeigt. "Grün gibt es als Dankeschön, Gelb quasi als Denkzettel für zu schnelles Fahren." Spitzenreiter fährt 54 km/h Valentin darf gleich zu Beginn an die Laserpistole von Verkehrssicherheitsberater Michael Harting. Konzentriert schaut der Viertklässler und meldet dann: "54! Und nicht angeschnallt." Boah! Ein Raunen geht durch seine Mitschüler. Das sich nähernde Auto ist fast doppelt so schnell wie erlaubt und wird sofort mit der Kelle auf den Parkplatz am ehemaligen Restaurant Biele gewunken. Der erste gelbe Zettel hat seinen Besitzer gefunden. "Glück gehabt", fasst der für die Schule zuständige Bezirksbeamte Eckhardt Heine zusammen. Denn im Normalfall hätten unterm Strich 100 Euro Verwarngeld und ein Punkt in Flensburg gestanden. Besser ergeht es Jörn Vauth. Der Mitarbeiter der Firma Grote aus Porta Westfalica kutschiert den Firmenbulli über die Dehmer Straße - und wird rausgewinkt. "Hier darf man 30 fahren", erklärt ihm Djuliano. "Und sie sind 31 gefahren. Das ist gut." Vauth wirkt durchaus erleichtert und nimmt gerne die grüne Karte aus den Händen der Kinder entgegen. Genau wie die junge Dame, die auf dem Weg zur Prüfung ist und sich die grüne Karte hinter die Sonnenblende klemmt. Vielleicht ja ein gutes Omen für den weiteren Tag. Der polnische Autofahrer bekommt ebenfalls Grün, auch wenn er mit 35 km/h etwas schneller ist. "Wir ziehen als Toleranz immer 3 km/h ab - bleiben 32. Da können wir Grün vertreten, oder?", fragt Kim Schmidt die Kinder. Die sind einverstanden. Daumen hoch vom Holland-Lkw Begeisterung über die Aktion bringt derweil ein niederländischer Lastwagenfahrer zum Ausdruck. Winkend und mit Daumen hoch, kriecht er quasi in Schrittgeschwindigkeit an den Kindern vorbei. Keine Begeisterung zeigt dagegen ein anderer Autofahrer. Und Fans hinterlässt der Lipper, der mit seinem silberfarbenen Peugeot auf den Parkplatz gewunken wird, auch nicht. 47 km/h zeigte das Lasermessgerät an. "Das war zu schnell", teilen ihm die Kinder mit. Was den Autofahrer unbeeindruckt lässt. Im leicht genervten Ton verbittet er sich Fotos und erklärt: "Ich fahre hier immer 30, wenn ich einmal die Woche hier lang komme." Die Botschaft von Polizei und Kindern "heute waren es 47", kommt nicht an. "Das muss falsch gemessen sein. Vielleicht gleich am Anfang. Danach bin ich 30 gefahren", beharrt der Lipper. Polizistin Schmidt lassen diese Ausreden unbeeindruckt. Und so gibt es auch für den Herrn im Jacket die gelbe Karte. Die hätte es für die fehlende Einsicht und Unfreundlichkeit eigentlich gleich doppelt geben müssen. Dabei hatte auch er Glück an diesem Morgen - das Portemonnaie blieb unberührt. Als die Anfrage der Polizei kam, sagte Tanja Kienapfel nicht nein. Die Schulleiterin des Grundschulverbundes zwischen Weser und Wiehen weiß um die Gefahren vor der Tür der Grundschule Dehme. Liegt sie doch versteckt direkt an der hochfrequentierten Bundesstraße. Und auch wenn zur Schulwegsicherung vor und nach der Fußgängerampel Tempo 30 ausgeschildert ist - nicht wenige fahren dort trotzdem oftmals zu schnell. Anlässlich des landesweiten Aktionstages zur Verkehrssicherheit machte deshalb das Verkehrskommissariat der Kreispolizei Minden am Dienstagmorgen Halt in Dehme. Die bundesweite Kampagne &bdquo;Sicher.mobil.leben – Rücksicht im Blick“ soll Verkehrsteilnehmer sensibilisieren. Allein in NRW waren 1.400 Kräfte der Polizei an 380 Kontrollstellen im Einsatz. "Im Kreis sind wir zeitgleich vor der Grundschule Oberlübbe und nachmittags noch in Minden und Lübbecke mit weiteren Aktionen", erklärt die Leiterin der Verkehrsunfallprävention, Kim Schmidt. Ihr liegt an diesem Morgen der sichere Schulweg am Herzen. "Wir hoffen, dass wir mit dieser Aktion den ein oder anderen erreichen", sagt sie. Einsparungen und gelber Zettel "Wir haben diese Aktion verbunden mit unseren Hinweisen an die Eltern-Taxis und mit einer Werbeaktion für den Walking-Bus", sagt Tanja Kienapfel. Immer mehr Kinder gingen inzwischen zur Dehmer Grundschule. "Und mehr Kinder bedeuten auch mehr Eltern und noch mehr Autos", bilanziert die Schulleiterin. Leider sei der Walking-Bus durch Corona eingeschlafen und lasse sich schwer reaktivieren. Umso begeisterter ist sie von der Aktion mit der Polizei, die die Klassenlehrerinnen Kathrin Husemeier und Karin Sibum kurzfristig im Unterricht vorbereitet haben. Und dann muss der Bezirksbeamte Thomas Droste sprinten: Der schwarze Skoda schießt von hinten auf die Gegenfahrbahn und zieht gleich an vier Autos vorbei. Der ist fällig. Das "Oh, Oh", der Kinder ist ihm sicher. Und die gelbe Karte sowieso. Zerknirscht steigt der Mann aus seinem Auto und nimmt die Vorwürfe von wegen Sicherheit vor Schulen geknickt entgegen. "Ich hab's eigentlich gar nicht eilig", sagt er reumütig. "Aber die fahren seit der Ampel 20!" Da sei er genervt vorbeigezogen. Den gelben Strafzettel nimmt er mit. Und die Erkenntnis, dass ihm 70 Euro Bußgeld und ein Punkt erspart geblieben sind.

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