Stadt Bad Oeynhausen sieht keine Handhabe für Lückenschluss im Lärmschutz

Bad Oeynhausen. Wir brauchen frische Zahlen: So lautete das jahrelange Mantra der Stadtverwaltung immer dann, wenn die Forderung nach zusätzlichen Lärmschutzmaßnahmen an der Nordumgehung zum Thema gemacht wurde. Nun liegen - fast fünf Jahre nach der Eröffnung des neuen Autobahnstücks der A30 - die Ergebnisse der ersten Verkehrszählung auf der neuen Autobahn vor, die in der vergangenen Woche im Ausschuss für Stadtentwicklung (ASE) vorgestellt wurden. Doch es sieht nicht so aus, als wenn sie das Anliegen, die Lücke in den Lärmschutzanlagen in Werste zu schließen, voranbringen könnten. Diesen Eindruck hat auch Dieter Vogt. Der Anwohner der Bergkirchener Straße brachte schon im März 2019 - ein Vierteljahr nach der Verkehrsfreigabe der Nordumgehung im Dezember 2018 - einen Bürgerantrag mit der Forderung auf den Weg, die Lücke im Lärmschutz an der neuen Autobahn zu schließen. Denn zwischen Bergkirchener Straße und Werster Heide läuft der Lärmschutzwall aus, auch eine Lärmschutzwand gibt es hier nicht. 133 seiner Nachbarn unterstützten den Antrag auf zusätzlichen Lärmschutz mit ihren Unterschriften, so berichtet Vogt. Von der Stadt habe er seither lediglich einen "Zwischenbescheid" erhalten, in dem darauf verwiesen wurde, dass man die Ergebnisse der Verkehrszählung aus 2021 abwarten müsse. Zur Präsentation dieser Zahlen hatte die Stadt Vogt nun sogar schriftlich eingeladen. "In der Sitzung haben Sie Gelegenheit, Ihre Anregung zu begründen", heißt es in dem von Jan-Martin Müller vom Infrastrukturmanagement der Stadt unterzeichneten Brief. Antragsteller war eingeladen, hatte aber kein Rederecht Entsprechend war Dieter Vogt mit Ehefrau und zwei Nachbarn am vergangenen Donnerstag in die Sitzung des ASE gekommen. Als er aber zum Thema Lärmschutz an der Nordumgehung, Punkt 2 auf der Tagesordnung, das Wort ergreifen wollte, schritt der Ausschussvorsitzende Kurt Nagel (CDU) ein. Bürger, so erläuterte Nagel, hätten in den Fachausschüssen kein Rederecht. Dazu sei die Einwohnerfragestunde in den Ratssitzungen vorgesehen. Das ärgerte Vogt sichtlich. Warum man ihn denn dann eingeladen habe, wollte er wissen. Was ihm der Ausschussvorsitzende aber auch nicht erklären konnte. Inzwischen habe sich der Technische Beigeordnete Thomas Lüer auch schon schriftlich bei ihm für diesen Fehler entschuldigt, berichtet Vogt der NW. In der ASE-Sitzung am Donnerstag aber war er so verärgert, dass er auch Nagels Vorschlag ablehnte, die Sitzung zu unterbrechen und ihm so doch noch Rederecht einräumen zu können. Lärmwerte werden nicht gemessen, sondern errechnet In der Sache erläuterte Jan-Martin Müller erst einmal die Ergebnisse der Verkehrszählung von 2021. Alle fünf Jahre lassen Bund und Land die Verkehrsströme auf den übergeordneten Straßen ermitteln. Auf dem Abschnitt der Nordumgehung zwischen dem Kreuz Löhne und der Abfahrt Eidinghausener Straße - auf dem auch die Lücke im Lärmschutz klafft - ergab die Zählung 35.409 Kraftfahrzeuge als Durchschnitt in 24 Stunden. "Die Zahlen bewegen sich im Rahmen dessen, was auch im Planfeststellungsbeschluss steht", sagte Müller. Genaugenommen liegt die Verkehrszählung sogar darunter, denn der Plan hatte auf diesem Autobahnabschnitt sogar 38.7000 Fahrzeuge prognostiziert. "Daraus ergibt sich für uns kein Ansatz, zusätzliche Lärmschutzmaßnahmen zu fordern", folgerte Müller. Thomas Heilig (Fraktion Kompass) vermutete, dass die Zahlen, da im Coronajahr 2021 ermittelt, womöglich "nicht ganz korrekt" sein könnten. Jan-Martin Müller aber gab zu bedenken, dass es schon deutlich andere Zahlern brauchte. "Wir müssten schon an die 50.000 Fahrzeuge pro Tag haben, um in diesem Bereich zusätzlichen Lärmschutz fordern zu können." Rainer Müller-Held (BBO) warf Müller vor, "sich nur auf das Formale zurückzuziehen. Wir haben den Lärm dort selbst ja noch nicht gemessen", kritisierte er. "Und ja, ja, dann heißt es immer: Der Lärm wird nicht gemessen, der wird errechnet. Aber nur zu rechnen ist an dieser Stelle falsch", so Müller-Held. "Das ist ja wie im Kaiserreich" Auch Olaf Winkelmann (SPD) fragte: "Warum können wir als Stadt da nicht selbst Lärmmessungen durchführen?" "Davon kann ich nur abraten", entgegnete Thomas Lüer. "Die Zahlen würden bei der Autobahn-Gesellschaft in Hamm nicht anerkannt", sagte der Technische Beigeordnete. Was Winkelmann zu der Bemerkung veranlasste. "Das ist ja wie im Kaiserreich." Auch auf Kosten der Stadt den Lärmschutzwall an der Nordumgehung Richtung Werster Heide zu verlängern sei doch eine Möglichkeit, lautete ein weiterer Vorschlag aus dem Ausschuss. Auch das aber sei so leicht nicht, sagte Jan-Martin Müller. Auf dem Gelände, das dafür infrage käme, hat Straßen NRW Ausgleichsmaßnahmen geschaffen. "Wir müssten das Grundstück erwerben und dann die Ausgleichsmaßnahmen woanders erneut vornehmen", erklärte der Infrastrukturmanager der Stadt. Ingrid Schley (Grüne) fürchtete indes, dass man mit Lärmschutz auf Kosten der Stadt einen Präzedenzfall schaffen könne. "Woanders ist es schließlich auch laut", sagte sie. Thomas Lüer riet dazu, statt auf zusätzlichen Lärmschutz lieber auf den Offenporigen Asphalt (OPA) zu setzen. Der mindere den Lärm der Autobahn um drei Dezibel. "Gefühlt ist das eine Halbierung des Lärms", sagte der Beigeordnete. Aber: OPA, für den die Stadt Bad Oeynhausen eine Million Euro Eigenanteil gezahlt hat, wird nur eine Lebensdauer von acht bis zehn Jahren vorausgesagt. Und fünf Jahre hat der "Flüsterasphalt" nun schon auf dem Buckel. "Wir sollten das Geld lieber für eine Erneuerung des OPA zurücklegen", sagte Lüer. Dieter Vogt indes hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass es doch noch Abhilfe für den Lärm an der Autobahn gibt. "Ich glaube aber, das wird nur etwas, wenn die Stadt bereit ist, selbst Geld dafür in die Hand zu nehmen", sagte er der NW. Er habe aber nicht den Eindruck, dass die Stadt hier wirklich etwas unternehmen wolle.

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