Wie ein Bach in Bad Oeynhausen 370 Meter länger geworden ist

Bad Oeynhausen. Über ein halbes Jahrhundert lang hielt sich der Bach im Verborgenen. Dass hier Wasser durch die Wiesen plätscherte, daran hat Marianne Niemeier nur noch eine schwache Erinnerung. Denn in den 1960er-Jahren wurde der Wulferdingsener Bach hinter dem Niemeierschen Anwesen verrohrt. Nun aber darf er wieder oberirdisch fließen. Die Stadt hat gemeinsam mit dem Weser-Werre-Else-Projekt den Bachlauf auf rund 280 Metern Länge naturnah gestaltet. Voraussetzung dafür war, dass die Grundstückseigentümer wie Marianne Niemeier das Projekt unterstützten. "Der Bach lag sehr tief", berichtet Carsten Vogt, Leiter des Projekts bei der Stadtverwaltung. Gut 200 Meter des Bachabschnitts verliefen durch Rohre 3,60 Meter unter der Oberfläche. Ein Teil der Rohre sei beschädigt gewesen, berichtet Vogt. Dazu kam, dass die 80 Zentimeter starke Rohrleitung die Wassermengen bei größeren Regengüssen kaum aufnehmen konnten. "Es gab hier immer mal wieder Probleme mit Hochwasser, vor allem im Bereich unterhalb der Bergkirchener Straße", berichtet Vogt: "Beim Pfingsthochwasser 1997 war hier Land unter." Deshalb entschloss sich die Stadt, den Bachlauf auf diesem Abschnitt umzubauen. "Erste Pläne dazu gab es schon 2011", erinnert sich Vogt, der damals noch beim Gewässerentwicklungsprojekt "Weser-Werre-Else" (WWE) war. Die ersten Entwürfe aber sahen nur eine Umgestaltung auf dem gerade mal 2,50 Meter breiten Geländestreifen vor, der der Stadt gehört. "Das war noch nicht überzeugend", sagt Vogt, der inzwischen Mitarbeiter der Stadt Bad Oeynhausen ist. "Wir müssen das Gemeinwohl im Blick behalten" Um dem Bachlauf mehr Spielraum zu geben, mussten die Grundstückseigentümer zustimmen, dass dafür Teile ihres Geländes in Anspruch genommen wurden. Für Marianne Niemeier, Inhaberin des Hofladens in Wulferdingsen, war es keine Frage, das Projekt zu unterstützen. "Ich bin ja ein Freund von Gewässern und Bächen", sagt die Eigentümerin. "Man darf nicht so kurz denken, wir müssen doch auch das Gemeinwohl im Blick behalten", erklärt sie. "Und ich will auch nicht Schuld sein, wenn es hier zu Überschwemmungen kommt." Nach ersten Gesprächen Mitte 2020 sei dann per Vertrag geregelt worden, dass Marianne Niemeier der Stadt einen Streifen ihres Grundstücks für den neuen Bachlauf überlässt. "So eine kooperative Eigentümerin wie Frau Niemeier ist natürlich ein Glücksfall", sagt Vogt. Auch zwei weitere Anlieger gestatteten den Bachumbau auf ihrem Grund. Und so konnte 2021 der Umbau beginnen. Etwa 2.000 Kubikmeter Boden wurden dabei bewegt. Die alten Rohre blieben zum Großteil im Untergrund. Der Boden des Bachbettes wurde um rund zwei Meter angehoben. Der einst verrohrte schnurgerade Bachlauf kann sich nun in Bögen, Mäander genannt, auf zehn Metern Breite durch die Wald- und Wiesenlandschaft schlängeln. Beitrag zum Klimaschutz und zum Hochwasserschutz Eine besondere Herausforderung erwartete die Bach-Umbauer an der Bergkirchener Straße. Hier stand die Halle einer Autowerkstatt zum Teil direkt über der Rohrleitung. Gerade dieses Nadelöhr führte bei starkem Regen immer wieder zu Rückstaus und Problemen, weshalb die Stadt auch hier den Bach unbedingt umgestalten wollte. Aufgrund der Enge des Geländes zwischen Straße und Werkstatt mussten hier Spundwände und Betonmauern gesetzt werden. Teile der Böschung wurden mit "Piesberger Säulensteinen" abgefangen. "Immerhin hat der Bach so auch hier noch mindestens drei Meter Breite an der engsten Stelle", erklärt Vogt. Im Mai 2023 konnten die Arbeiten beendet werden. Seitdem hat der Bach 30 Prozent mehr Länge dank der Bögen, rund 370 Meter auf dem umgebauten Abschnitt, wie Vogt berichtet. Durchgeführt wurden die Arbeiten vom WWE-Projekt. Das verbindet Naturschutzmaßnahmen mit einer Beschäftigungsinitiative, an der die Bad Oeynhausener IFAS beteiligt ist und über die Arbeitslose wieder in Beschäftigung gebracht werden sollen. So fallen für die Auftraggeber - in diesem Fall also die Stadt Bad Oeynhausen - keine Lohnkosten an. Und dazu gibt es noch eine Förderung: "Von den 120.000 Euro Kosten für Material und Maschineneinsatz trägt das Land 60 Prozent", so Vogt. "Bäche sind die Lebensadern der Landschaft" Der Bachumbau sei ein Beitrag zum Klimaschutz wie zum Hochwasserschutz gleichermaßen, erläutert Vogt. Bei Starkregen bietet das breite Bachbett jede Menge Raum, in dem sich das Wasser erst einmal sammeln kann. "Bei höheren Wasserständen versickert das Wasser hier", erläutert Vogt. Das komme dem Grundwasserspiegel zugute, sei also quasi in Beitrag zur Entwicklung Bad Oeynhausens zur "Schwammstadt". Und schließlich sorge das Wasser des Baches durch Verdunstung für Abkühlung. "An heißen Sommertagen ist es hier am Bachlauf sicher zehn Grad kühler als an der Bergkirchener Straße", schätzt Vogt. "Bäche", so sagt Vogt, "sind die Lebensadern der Landschaft." Der Wulferdingsener Bach, der am Fuß des Wiehengebirges entspringt, heißt etwa ab Höhe der Nordumgehung an der Eidinghausener Straße Kaarbach und mündet in Werste in die Werre. "Mit elf Kilometern Länge und einem Einzugsbereich von über 27 Quadratkilometern ist das Bad Oeynhausens größtes Bachsystem", sagt Vogt. Der jetzt abgeschlossene Umbau in Wulferdingsen ist nicht das erste Renaturierungsprojekt in diesem System. Vor zwei Jahren beendeten Stadt und WWE die Umgestaltung des Kaarbachs unterhalb von Schloss Ovelgönne. Und es wird nicht das letzte Projekt an diesem Bachlauf sein. "Als Nächstes soll der Bach im Bereich des Wulferdingsener Sportplatzes umgebaut werden", kündigt Vogt an. Das aber sei erst für 2025 und 2026 geplant.

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