Zwei Bad Oeynhausener Gewässer auf dem Weg zurück zur Natur

Bad Oeynhausen. Bei Bach und Teich ist Zurückhaltung angesagt. Beim Planer nicht. Wenn Carsten Vogt über das große Renaturierungsprojekt am Flachssiek spricht, dann kann der Ingenieur und Landschaftsarchitekt seine Begeisterung nicht verbergen. Aus einem kanalartigen Bachbett und einem stinkenden Schlammloch sollen ein sich munter windendes Fließgewässer und ein naturnaher Teich werden. So viel wird beim Ortstermin mit dem Projektleiter der Stadt klar: Noch braucht es einige Fantasie, um sich das vorzustellen. Denn bislang ist hier im Süden der Stadt, wo sich Flachssiek und Hubertusstraße treffen, noch Baustelle angesagt. Schon im nächsten Frühjahr, so hofft Vogt, soll das hier aber ganz anders aussehen. Die Gewässer sollen dann nicht nur wieder gesund und naturnah sein, sondern bei Hochwasser auch nennenswerte Wassermengen zurückhalten können. Es war über Jahrzehnte ein unglückliches Zusammenspiel von Bach und Teich. Der Ziegenbach spülte - gerade nach kräftigen Regenfällen - Massen von Sand, Geröll und Schlamm in den Teich. Die großen Bäume rundherum gaben das Ihre dazu: Mengen von Laub. Das Ergebnis: &bdquo;Etwa 95 Prozent des Teichinhalts war Schlamm“, so schätzt Vogt. Der miese Zustand des Gewässers war auch der CDU aufgefallen, die deshalb beantragte, den Teich zu renaturieren. Von einer &bdquo;Kloake“ sprach Kurt Nagel, Fraktionsvorsitzender der CDU, im August vergangenen Jahres. Doch nur den Teich zu sanieren, das wäre aus Vogts Sicht zu kurz gegriffen. &bdquo;Wenn wir das machen, dann sollten wir es richtig machen“, riet der Gewässerexperte der Stadt und fand damit Gehör bei Politik und Verwaltung. Und so erweiterten sich die Umbaupläne auf den Ziegenbach, oberhalb und unterhalb des Teiches. Grundgedanke des Projekts ist, Bach und Teich zu trennen. Der Ziegenbach soll künftig nur noch in besonderen Hochwassersituationen in den Teich fließen, bei normalen Wetterlagen drumherum fließen. Angefangen haben die Arbeiten Anfang Juli. Dabei ging es zunächst vor allem darum, den Schlamm aus dem Teich zu entfernen. Cadmium, Blei, Zink und Nickel im Schlamm Was sich vermutlich leichter anhört, als es in der Praxis war. Denn Schlamm benimmt sich, wenn er nass ist, wie eine Art Pudding. Er musste also zunächst trocknen, bevor er abgefahren werden konnte. &bdquo;Ausbluten“ nennt Vogt das. Etwa ein Drittel der Schlammmassen - rund 300 Kubikmeter - erwiesen sich als belastet. Wahrscheinlich aus dem Gewerbegebiet Lohe, so vermutet Vogt, wurden über den Ziegenbach im Laufe der Jahrzehnte auch Cadmium, Blei, Zink und Nickel in den Teich geschwemmt. Dieser belastete Teil des Schlamms musste auf der Deponie Pohlsche Heide eingelagert werden. Weitere 300 Kubikmeter Schlamm ohne Schadstoffe wurden zwischengelagert an der Hubertusstraße und werden im Zuge des Bachumbaus wieder verwendet. Und das letzte Drittel des Teichsediments besteht aus Sand und Geröll. Es soll auf dem Teichboden verteilt werden. Parallel zu diesen Arbeiten wurde das neue Bett für den Ziegenbach vorbereitet. Insgesamt wird der Bachlauf oberhalb des Teiches nach Osten verrückt. So soll der Ziegenbach künftig nicht mehr durch den Teich, sondern östlich daran vorbeifließen. Damit soll dann auch das Hineinschwemmen von Schlamm und Geröll in den Teich ein Ende haben. Dafür wurde der östliche Fußgängerweg am Teich zurückgebaut, hier darf sich demnächst der Bach schlängeln. Die Spaziergänger bekommen einen schönen, geschotterten neuen Weg auf der Westseite des Teiches. Der Ziegenbach hat sich tief eingegraben Im Unterlauf - also nördlich der Hubertusstraße - wird das Bachbett vor allem eines: flacher. Vor allem der Regenwasserkanal, der nach Unterquerung der Hubertusstraße kurz oberhalb des Bachlaufs endet, hat dafür gesorgt, dass sich der Ziegenbach bis zu zwei Meter tief in den Untergrund eingegraben hat. &bdquo;Nach starken Regenfällen schießt das Wasser geradezu aus dem Regenwasserrohr und spült so das Bachbett immer weiter aus“, so beschreibt Vogt das Problem, das Fachleute wie er &bdquo;Tiefenerosion“ nennen. Das neue Bett des Ziegenbachs ist nördlich der Hubertusstraße schon angelegt und nur etwa 30 Zentimeter tief. Dafür soll sich der Bach hier nach stärkeren Regenfällen ausbreiten können. Alle paar Jahre werde dann wohl auch der Bolzplatz nebenan mit überschwemmt, erklärt Vogt. Ein Rückhalteraum für 2.500 Kubikmeter Wasser Insgesamt bekommt der Ziegenbach hier am Flachssiek deutlich mehr Raum. Und länger geworden ist er auch. 470 Meter lang war der Wasserlauf in diesem Bereich vor dem Ausbau, danach kommt er auf 560 Meter. Durch den größeren Spielraum entsteht in Bach und Teich ein beachtlicher Retentionsraum - also eine Art Rückhaltebecken. Das hat Vorteile nicht nur bei Hochwasser, wenn hier 2.500 Kubikmeter Wasser zunächst zurückgehalten und dann langsam über den Bach abgeleitet werden. In solchen besonderen Situationen werden Bach und Teich auch wieder eine Verbindung haben. &bdquo;Auch bei Wasserknappheit ist es gut, wenn das Wasser hier zurückgehalten wird“, erläutert Vogt. Denn dann sorgt das Wasser in Bach und Teich für Abkühlung. Derzeit sind die Mitarbeiter des Gewässerentwicklungsprojekts &bdquo;Weser-Werre-Else“ (WWE) dabei, das Ufer des Baches vor dem künftigen neuen Durchlass unter der Hubertusstraße hindurch mit großen Granitbrocken zu befestigen. Hier werden ab Ende November, Anfang Dezember auch noch Spundwände eingeschlagen, die das Wasser daran hindern sollen, sich unterirdisch eine Verbindung zum Teich zu suchen. Ab Mitte Januar sollen dann der neue Straßendurchlass und der neue Regenwasserkanal gebaut werden. Dafür werde die Hubertusstraße gesperrt werden, kündigt Vogt an. Ende März, so hofft Carsten Vogt, sollen die Arbeiten dann weitgehend abgeschlossen sein - vorausgesetzt, das Wetter spielt mit und alle Materialien sind lieferbar. 835.000 Euro wird der Umbau von Teich und Bach am Ende laut Vogts Kalkulation gekostet haben. Etwa 320.000 Euro erwartet die Stadt an Fördermitteln. Und erheblich sparen kann die Stadt dadurch, dass sie den Umbau in Zusammenarbeit mit dem WWE-Projekt durchführt. Denn dadurch fallen hier keine Personalkosten an. Das WWE-Projekt, das schon bei vielen Renaturierungsmaßnahmen in Bad Oeynhausen im Einsatz war, verbindet Naturschutzmaßnahmen mit einer Beschäftigungsinitiative, über die Langzeitarbeitslose wieder in Beschäftigung gebracht werden sollen.

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