Gastronomen in Bad Oeynhausen blicken mit Sorge auf den Winter

Bad Oeynhausen. Ganze drei Bewerbungen für einen Ausbildungsplatz hat Andreas Bünz in der Post gehabt. Wenige Kilometer weiter hat Tim Schwengel bereits alle Feiern nach 18 Uhr abgesagt. Und Christoph Meyer konzentriert sich mit seinem Team ausschließlich auf Gäste und Veranstaltungen im eigenen Haus. "Wir haben sogar das Catering für den Ministerpräsidenten abgesagt", sagt der Chef des Kaiserpalais' im Kurhaus. Sie alle eint derzeit vor allem eins: der bange Blick auf die kommenden Monate. Auch wenn sie derzeit noch Optimismus an den Tag legen - alle Drei wissen, dass die Gäste bei steigenden Energie- und Lebensmittelkosten als erstes beim Restaurantbesuch sparen werden. "Und dabei dachten wir, nach Corona wird's wieder besser", winkt Tim Schwengel ab. "Unser Beruf wird immer uninteressanter", bilanziert Andreas Bünz. Dabei sieht er sein Arbeitsfeld eigentlich als spannende Branche, in der es nie langweilig werde. Der 42-Jährige hat vor 24 Jahren Hotelfachmann gelernt, bevor er mit 25 eine Ausbildung zum Koch anschloss. Elf Jahre lang führte er das Restaurant "Esszimmer" an der Schulstraße, inzwischen ist sein Betrieb ins Hotel Weinhaus Möhle integriert und bewirtschaftet zudem den Kortenhof. Sein Problem: "Die Aushilfen." Diejenigen, die flexibel einspringen können, die Stoßzeiten auffangen und die auch freitag- und samstagabends vier bis fünf Stunden für Feiern zur Verfügung stehen. "Da brauche ich gut zehn Leute im Service - das ist ein echtes Problem", weiß Andreas Bünz. Niemand frage mehr nach einem Schülerjob: "Die alten Zeiten sind vorbei." Während die Aushilfen fehlen, sieht es für Bünz bei den Festangestellten etwas besser aus. Noch. "Wenn nur einer krank wird, wird's schwierig." Bünz fürchtet, in einer aussterbenden Branche zu arbeiten. Auf eine neue Azubi-Stelle flatterten Bünz ganze drei Bewerbungen ins Haus. "Dabei gibt es Nachtzuschläge und sogar Urlaubstage für Aushilfen - anders geht es gar nicht mehr." Und auch die Azubis absolvieren eine normale Stundenzahl. "Das ist alles geregelter als früher", so Bünz, der weiß, dass er seinen Mitarbeitern etwas bieten muss. "Die Konkurrenz schläft nicht." Und die gibt es in Bad Oeynhausen zuhauf: "Unsere Konkurrenz, das sind die Kurkliniken. Die zahlen oft besser und bieten bessere Arbeitszeiten. Wer will schon noch abends und am Wochenende arbeiten?" Dabei verdient eine Aushilfe im Esszimmer gutes Geld: 12,50 Euro zahlt Bünz pro Stunde. Keine Reaktion auf Stellenanzeige Ähnlich sieht es auch bei Tim Schwengel aus. Der Konditormeister hat erst im Frühjahr dieses Jahres sein Café am Weserradweg eröffnet und ist mit einem guten Team gestartet, wie er sagt. Doch die Fluktuation war hoch und so fehlen Schwengel noch immer Mitarbeiter. "Ich habe nicht eine Reaktion auf eine Stellenanzeige bekommen. Nichts. Wo sind denn all die Leute?", fragt sich der Inhaber. Dabei sieht er in seinem "Mauerwerk" einen Vorteil: "Wir haben keine Abendzeiten." Während er sich bei den Aushilfen gut aufgestellt sieht, sind eher die Festangestellten das Problem. "Es ist niemand zu bekommen." Weshalb Schwengel bereits vorbeugend für den Rest des Jahres sämtliche Abendbuchungen abgesagt oder gar nicht erst angenommen hat. "Alles nach 18 Uhr ist nicht möglich." Bevor es nachher schlechte Kritiken gebe, würde er lieber von vorneherein absagen. "Ich merke jetzt schon, dass viele Gäste wenig Verständnis für fehlendes Personal aufbringen. Es muss immer schnell gehen. Geht es aber nicht." Eine Möglichkeit, das zu ändern, wäre die Selbstbedienung. "Aber wir sind kein SB-Laden. Der Service macht uns aus. Das ist unser Anspruch", betont Tim Schwengel. Doch genau der werde immer teurer. Und rarer. "Wenn nur noch ein weiterer Mitarbeiter ausfällt, müsste ich mittwochs bis freitags schließen und könnte nur noch samstags und sonntags öffnen." Doch nicht nur die Mitarbeiter sind das Problem. 17 Prozent Mehrkosten beim Lohn, 25 Prozent Steigerung bei den Preisen für Lebensmittel - Andreas Bünz ist zwiegespalten. "Irgendwann muss ich die Erhöhung an die Kunden weitergeben. Anders wird es nicht gehen. Aber das darf natürlich nicht zu gravierend ausfallen. Sonst kommt erst recht niemand mehr", gibt der 42-Jährige zu bedenken. Diese Phase hat Tim Schwengel bereits überwunden. Er hat nur wenige Monate nach der Eröffnung die Preise angehoben. 5,50 Euro kostet nun ein Stück Torte und ist damit einen Euro teurer geworden. Eine Reaktion der Kunden blieb aus. "Wer zu uns kommt, ist überzeugt von der Qualität", ist wiederum Schwengel überzeugt. Noch kommen die Gäste. Doch bleibt das so? "Inflation, Energiekosten, Corona", zählt Schwengel die Risiken der nächsten Monate aus. "Welche Corona-Beschränkungen wird es geben? Sind die Leute überhaupt gewillt, auszugehen? Sind sie bereit, die Preise zu bezahlen?" Diese Fragen stellt sich der Konditor durchaus. "Wenn die ersten Abschlagszahlungen anstehen, kommt bestimmt der Einbruch", fürchtet er. Aber eine Erhöhung sei notwendig gewesen, um überhaupt klarzukommen. "Ich musste jetzt schon 15.000 Euro für Strom nachzahlen", winkt er ab. "Es werden schwierige Zeiten werden. Aber irgendwie schaffen wir das", ist Tim Schwengel optimistisch. "Ich glaube nicht, dass es uns weghaut." "Wir wollen kein Luxusprodukt werden" Durchaus noch optimistischer ist Christoph Meyer. Der Direktor des GOP-Varietés und des Kaiserpalais' vermeldet bei den Mitarbeitern annähernd wieder den Stand wie vor Corona. Während es zuerst schwierig war, Aushilfen zu finden, hat er nun offenbar neue Mitarbeiter gewinnen können. "Wir müssen aber in dieser Lage noch wirtschaftlicher denken", sagt Meyer. Soll heißen, kleine Feiern, für die extra Personal kommen muss, rentieren sich nicht mehr. "Es geht um die Kosten-Nutzen-Rechnung", sagt er. Weshalb Meyer auch das Catering für den Besuch von Ministerpräsident Hendrik Wüst abgelehnt hat. "Wir wollen uns auf unser Haus konzentrieren, dafür reicht das Personal." Für alles darüber hinaus nicht. "Zusätzliches Personal ist schwierig zu bekommen. Früher haben wir mit einer Personalfirma das Catering außer Haus aufgefangen." Doch darauf verzichtet Meyer. "Und unsere Mitarbeiter brauchen wir im Haus. Die wollen wir nicht verbrennen", betont er. Auch wenn Christoph Meyer, wie seine beiden Gastronomie-Kollegen, nicht weiß, wo die Reise im Winter hingeht, bleibt er zuversichtlich. "Ich muss mich nicht verrückt machen." Er gehe davon aus, dass sowohl das GOP als auch das Restaurant in den Wintermonaten gut besucht sein werden. "Weil wir die Preise nicht unendlich anziehen werden. Wir wollen kein Luxusprodukt werden, sondern ein Angebot für die Allgemeinheit bleiben, wo sich jeder eine Karte leisten und vom Alltag abschalten kann."

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