Berufskolleg will "Vorschule" für Polizisten werden

Bad Oeynhausen. Wer in Nordrhein-Westfalen Polizist werden möchte, braucht Abitur. Seit Abschaffung des mittleren Dienstes vor 20 Jahren gibt es bei der Polizei in NRW keinen Dienstrang unter dem Kommissar mehr. Und dafür können sich nur Frauen und Männer bewerben, die die Hochschulreife oder die Fachhochschulreife haben. Mit einem landesweiten Versuch des NRW-Schulministeriums soll das Berufsfeld nun auch für Realschüler geöffnet werden. In einem neuen Bildungsgang sollen die Interessenten polizeispezifische Kenntnisse vermittelt und am Ende die Fachhochschulreife bekommen. Das Freiherr-vom-Stein-Berufskolleg will sich um die Einrichtung eines solchen Bildungsgangs am Standort Bad Oeynhausen bewerben. Das hat der Kreistag in seiner jüngsten Sitzung einstimmig beschlossen.Gleich drei Ziele soll solch ein Bildungsgang "Fachoberschule für Wirtschaft und Verwaltung, Schwerpunkt Polizeivollzugsdienst“, kurz FOS Polizei, verfolgen. Zum einen könnte so die Anzahl der Bewerber erhöht werden. Derzeit beschäftigt das Land NRW gut 40.000 Polizisten, in 2021 wurden gut 2.600 neue Ordnungshüter eingestellt. Dafür gab es knapp 12.000 Bewerber. Allerdings ist das Auswahlverfahren für die Bewerber anspruchsvoll und auch die Abbrecherquote innerhalb der Ausbildungszeit soll erheblich sein.&bdquo;Nicht nur Gymnasiasten können gute Polizisten sein" Zweitens erhofft man sich von dem neuen Bildungsgang eine Art "Klebeeffekt", wie er auch bei dem frisch eingerichteten Medizinstudiengang an der Uni Bielefeld angestrebt wird. Die jungen Polizeibeamten, die in der Region ausgebildet werden, bleiben danach auch in der Region, so die Hoffnung.Und schließlich soll der Beruf des Polizeibeamten auch für junge Männer und Frauen mit "mittlerem Schulabschluss" geöffnet werden. Innenminister Herbert Reul hatte bei der Vorstellung des Schulversuchs erklärt: &bdquo;Nicht nur Gymnasiasten können gute Polizisten sein. Auch in Menschen mit mittleren Bildungsabschluss schlummert Polizei-Potenzial. Dieses Potenzial wollen wir fördern. Schließlich wird die Polizei vor allem dann akzeptiert, wenn sich die Breite der Bevölkerung in ihr wiederfindet.“ Der Versuch wird bereits im kommenden August gestartet. Unter den elf Berufskollegs, die daran beteiligt sind, ist aus OWL das Rudolf-Rempel-Kolleg in Bielefeld. 2023 soll der Versuch um vier weitere Standorte erweitert werden. Einer davon könnte Bad Oeynhausen werden. "Wir erfüllen alle Voraussetzungen", versichert Carsten Mittelberg, Schulleiter des Freiherr-vom-Stein-Berufskollegs, der den FOS Polizeidienst am Standort Bad Oeynhausen ansiedeln möchte.Vieles spricht für den Standort Bad Oeynhausen Und das nicht nur, weil Bad Oeynhausen über Bahn und Autobahnen bestens zu erreichen sei. Oder weil hier die digitale Ausstattung mit Glasfaseranschluss und digitalen Tafeln schon top sei. Oder weil die Schule selbst über eine große Sporthalle verfügt und die Außensportanlagen des Schulzentrums Süd - gleich nebenan - mit genutzt werden könnten. "Der Sport ist ja für die Polizeiausbildung nicht ganz unwichtig", weiß Mittelberg. Ein gewichtiges weiteres Argument für den Standort ist auch die Tatsache, dass an dem Schulversuch die Kreise Minden-Lübbecke und Herford beteiligt sein sollen. "Das spricht doch stark für Bad Oeynhausen", sagt der Schulleiter.Auch personell sei das Freiherr-vom-Stein-Berufskolleg schon gut auf die Ausbildung von Polizeianwärtern vorbereitet. "Durch unsere Ausbildungsgänge für Rechtsanwalts- und Notargehilfen haben wir Lehrer, die Recht unterrichten können", sagt Mittelberg. "Und natürlich haben wir auch die entsprechenden Lehrkräfte, um in den allgemeinbildenden Fächern auszubilden."Und auch die Polizei hätte in den beiden Kreisen wohl die Möglichkeit, den praktischen Ausbildungsteil für die FOS-Schüler zu organisieren. Denn im ersten der zwei FOS-Jahre sollen die jungen Männer und Frauen nur zwei Tage pro Woche in die Schule gehen und an drei Tagen der Woche ein Praktikum in einer Polizeidienststelle - möglichst in der Nähe ihres Wohnorts - absolvieren. "Da wir auch zukünftig gut ausgebildete Polizistinnen und Polizisten im Mühlenkreis benötigen, begrüßen wir die Bewerbung des Kreises für diesen neuen Bildungsweg“, sagt Kreis-Polizeidirektor Mathias Schmidt. &bdquo;Der Weg über die Fachoberschulreife ist für Bewerberinnen und Bewerber mit mittlerem Schulabschluss gut geeignet, den Zugang zum attraktiven Polizeiberuf zu ermöglichen. Damit öffnet sich für junge Menschen ein weiteres Tor." Zugleich, so sagt auch Schmidt, werde so die Vielfalt der Bewerber für den Polizeidienst gefördert. Mindestens 22 Schüler pro Jahrgang Um eine Klasse für die FOS Polizei bilden zu können, seien 22 Schüler erforderlich, sagt Mittelberg. "Das ist eine realistische Größe, die wir erreichen können. Aus den beiden Kreisen Minden-Lübbecke und Herford und womöglich auch noch Lippe haben wir großes Potenzial." Der Schulleiter hofft, dass es bis August eine Entscheidung aus dem NRW-Bildungsministerium gibt, ob das Freiherr-vom-Stein-Berufskolleg den neuen Bildungsgang zum Schuljahr 2023/2024 einrichten darf. "Ein Jahr Vorlauf brauchen wir dafür schon", sagt Mittelberg.Der Kreis Minden-Lübbecke reicht die Bewerbung begleitet von der Kreispolizei und dem Freiherr-vom-Stein-Berufskolleg ein. "Wann wir aber mit einer Entscheidung aus Düsseldorf rechnen können, wissen wir nicht", sagt Kreis-Pressesprecherin Sabine Ohnesorge.

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